Ganz selten passiert es mir, dass ich einen Wein öffne, einen Probeschluck nehme und sofort denke: ‚Au Backe, da musst Du aufpassen, dass Du nicht die ganze Flasche an einem Abend trinkst‘. Dabei ist das keine Auszeichnung für einen exorbitant guten Wein, es ist auch keine extreme Form von Süffigkeit – manche Weine regen bei mir dermaßen den Trinkfluss an, dass ich mich stark zurücknehmen muss.
Geschmacklich kommt dieser Kick aus der Gruppe von Eindrücken, die man gemeinhin mit ‚Mineralik‘ bezeichnet. Die Weine sind fast immer von einfacherer Konzentration – keine großen Gewächse. Passieren kann es bei Rieslingen und seltener Spätburgunder, manchmal sind es auch ganz andere Weine, die mich derart hypnotisieren. Vor einigen Jahren bin ich dem Drang einmal erlegen und habe in zweieinhalb Stunden eine Flasche eines trockenen Molitor-Kabinetts vertilgt, worauf der Abend gelaufen und ich für alle Zeit gewarnt war.
Gestern hatte ich eine jener Begegnungen der dritten Art. Wieder war es ein alles andere als konzentrierter Stoff. Auch kann er seine deutsche Herkunft nicht verleugnen. Aber ich fand ihn fein, fein, fein! Ein Extra-Glas ist es geworden, ansonsten hatte ich mich im Griff.
Meyer-Näkel, Spätburgunder ‚Blauschiefer‘, 2005, Ahr. In der Nase Kirsche, Holz, Erdbeere und etwas Liebstöckel. Am Gaumen ist der Wein schlank mit vergleichsweise dünner Textur. Erdbeere, Vanille, etwas Holz und eine sehr frische Säure. Die feine Mineralik ist am Gaumen ungemein zupackend und setzt sich im langen, vanilligen Abgang fort.