Neulich erhielt ich einen Anruf vom Weingut Heymann-Löwenstein. Die freundliche Mitarbeiterin des Hauses wollte mir Wein verkaufen. Ich habe schon Weinfreunde mosern hören, dass dies ja Methoden wie beim Zeitschriftenwerben seien und ob das Gut wohl Absatzprobleme habe – ich empfinde das einfach als freundlichen Service. So verpasst man es nicht, limitierte Weine rechtzeitig zu bestellen, etwa in diesem Fall die Jubiläumscuvée ‚R 30‘, die der Winzer anlässlich des 30-jährigen Gutsgeburtstags exklusiv in Magnumflaschen füllt. Ich glaube nicht, dass es lange dauert, bis dieser erfreulich zurückhaltend bepreiste Wein ausverkauft ist. Und so konnte ich meine Bestellung bequem rechtzeitig aufgeben.
Auf eine Subskription der im Herbst erscheinenden Weine verzichtete ich jedoch. Zu viele Flaschen Röttgen und Uhlen aus den letzten Jahren warten in meinem Keller auf die Trinkreife. Dies erklärte ich meiner Gesprächspartnerin und bat sie, mich wieder anzurufen, wenn es ein paar Analysedaten zu den Weinen gäbe, damit ich einige der schlankeren Vertreter auswählen könne. Als ich ihr erklärte, mir seien einige der Weine in den letzten Jahren zu wuchtig geworden, um sie jung zu trinken und ich hätte jetzt einen Überhang an reifebedürftigen Löwenstein-Rieslingen kam von ihr eine Antwort, die ich nicht erwartet hatte: Ja, das sehe der Winzer auch so und deswegen sei man ja gerade dabei, bei einigen Weinen auf einen schlankeren Stil umzuschwenken. Im Zuge dessen, sei man im letzten Herbst auch in einigen Lagen der erste (!) Betrieb gewesen, der die Traubenernte begann. Heymann-Löwenstein als Ernte-Starter. Das hielt ich bis dato für ungefähr so wahrscheinlich, wie einen staufreien Ferienbeginn am Kamener Kreuz.
Nun habe ich keinen Anlass an der Richtigkeit der Aussagen meiner Gesprächspartnerin zu zweifeln. Deswegen kann ich den Herbst kaum abwarten. Es wird spannend sein, welche Weine einen neuen Stil präsentieren und wie der Winzer das in sein Terroir-Bild einpassen wird. Ich persönlich hoffe, dass der Röttgen einer Schlankheitskur unterzogen wird. Der 2007er hat sich jung sehr fett präsentiert und die gestern geöffnete Flasche zeigt höchstens einen Hauch von Entwicklung.
Heymann-Löwenstein, Winningen Röttgen, Riesling erste Lage, 2007, Mosel. In der sehr süßen Nase kandierte Früchte, getrocknete Aprikosen, Grand Manier und Marzipan. Der Wein riecht sehr überreif. Am Gaumen ist der Röttgen ein dicker Brummer. Karamell und Aprikose mit gefühlten 30 Gramm Restzucker werden nicht ausreichend von der sehr reifen Säure abgepuffert. Eine sehr ausdrucksstarke Mineralik hilft zwar ein bisschen, trotzdem trinkt sich der Riesling im Moment wie ein Süßwein mit etwas zu viel Alkohol und etwas zu wenig Spiel. Der lange Abgang ist wahnsinnig mineralisch.
Insgesamt ist mir der Wein im Moment zu süß und zu mastig. Ich habe die Hoffnung, dass er sich irgendwann, wenn die Süße sich mit zunehmender Reife zurückzieht, richtig groß präsentiert. Beim 2004er Uhlen-R war das nach zwei Jahren schon zu erahnen und ist heute der Fall. Bei diesem Röttgen habe ich eher den Eindruck, es könnte noch bis 2015 oder sogar länger dauern. Warten wir es ab.
Hallo!
Nun, gerade beim Röttgen auf eine Schlankheitskur zu warten, erscheint mir bei dieser Lage wenig hoffnungsvoll (und – ehrlich gesagt – auch nicht erstrebenswert). Denn die Lage Röttgen ist ja nun ein Paradebeispiel für Üppigkeit, und dies nicht nur im Hause HL. Üppgkeit, in Verbindung mit deutlichem Restzucker, kann einen Wein aber schon einmal schwerfällig wirken lassen – und, klar, das ist nicht jedermanns Sache, insofern kann ich Ihre Verkostungsnotiz gut nachvollziehen.
Den 2007er Röttgen empfand ich als – in Referenz zum Vergleich zu früheren Jahren des HL-Röttgens – ganz jung auch als (wohltuend) etwas schlanker (was bei dieser Lage dennoch heisst: vollschlank!), weshalb ich da ein paar Flaschen gekauft habe. Schon damals mit dem bislang erfolgreichen Vorsatz, sie tief im Keller zu verstecken…
Ich bin gespalten, ob mich die Botschaft des Stilwandels nun freuen soll oder nicht. Weine von HL waren für mich nie süffige Weine „für jeden Tag“, sondern ich habe mich ihrer immer erfreut, wenn die Gelegenheit und/oder das Essen dazu passte… und da störte mich auch die Üppigkeit/der Restzucker nicht, zumindest dann nicht, wenn die Weine nicht in einer Probenreihe mit knalltrockenen Weinen stehen, denn dann hat es solch ein Weinstil schon schwer (wie zuletzt bei einer BestBottle-Probe, http://toaster.wordpress.com/best-bottle-2009/ )
Welche Lagen sollen sich denn demnächst anders präsentieren oder trifft das auf die Gesamtpalette zu?
VG
Guido
Hallo Guido,
Lagenspezifische Üppigkeit und ein mastiger Wein sind für mich zwei Paar Schuhe. Was ich bemängele, ist letztlich die Auswirkung eines spürbaren Anteils von Botrytistrauben in einem Wein mit mehr oder weniger halbtrockener Anmutung. Da steht die Lage als Einflussfaktor IMHO außen vor. Bei früher Lese ist anzunehmen, dass das Traubenmaterial durchweg gesund ist und das würde ich als Schlankheitskur sehr begrüßen, bei allen Weinen von H-L. Welche Weine und Lagen nachher betroffen sein werden, weiss ich aber nicht.
Stilwechsel bey HL ist spannend, Telefonvertrieb – da mosere ich gleich mit – aber eine rechte Plage (illegal obendrein in vielen Fällen…) Kann der Löwenstein doch ein mail schreiben oder einen Brief schicken, das wäre erheblich freundlicher. Wie Maximin Grünhaus heute. Ob man mal wieder eine Spätlese, oder vielleicht etwas Wildschweinterrine…. Das lässt sich gleich viel eher hören.