Aromasorten (oder wenn ich den im nördlichen Zipfel des deutschsprachigen Raumes geläufigeren Begriff verwenden darf: Bukettsorten) spielen in meinem Leben eine ähnliche Rolle wie anspruchsvolle, zeitgenössische Romane. Beim Stöbern oder aufgrund von Kritiken kaufe ich sie mir gelegentlich mit dem festen Vorsatz, sie zu konsumieren, da sie meinen Horizont erweitern werden – und im Idealfall auch noch Genuss bereiten.
Doch wenn es dann daran geht, die nächste Lektüre/den nächsten Wein auszusuchen, kommen sie ähnlich schnell in die engere Auswahl wie der übergewichtige Klassenbeste beim Schulfußball wenn die Mannschaft durch abwechselndes Auswählen aus der Schülerschar entsteht.
Manch guter Roman landet nach zwei erfolglosen Jahren im ‚als nächstes lesen‘-Regal unberührt im großen Bücherschrank und manch Bukettsorten-Kamerad starb schon den wenig heldenhaften Tod der Sauce, des Fischfonds oder gar einer Weissweinmarinade – ich bekenne mich schuldig. Aktuell war da wieder so ein Kandidat. Viel bewegt wurde er in den letzten Jahren in meinem Keller – seitwärts, die Treppe rauf hat er es nicht geschafft.
Und dann kam Robert. In seinem Blog Vinissimus spielt er Gastgeber der Mai-Ausgabe der Wein-Rallye. Er wählte Bukett-Sorten als Thema und bewahrte meinen Kandidaten somit vor dem Tod durch Altersschwäche mit entsprechend würdeloser Entsorgung. ‚Robert, Du bist ein Weinretter‘ möchte ich ihm zurufen, doch einstweilen reicht vielleicht auch ein Pingback.
Drei Dinge qualifizieren meinen Wein: Er ist ein Muskat-Ottonel (die Bukettsorte schlechthin), er kommt aus Roberts Heimat Österreich (so viel Respekt sollte sein) und er stammt von einem Winzer, der eventuell selber an der Rallye teilnimmt (als Sahnehäubchen sozusagen).
Also konnte es losgehen. Musste nur noch der Wein mitspielen. Ich öffnete den gut gekühlten Tropfen, goss ein und hielt die Nase ins Glas. Es kam: Nein, kein Kork (er ist verschraubt) – es kam nichts. Streik war angesagt. Kein Bukett und kein Aroma. Mit etwas schwenken und wärmen kam dann ein Duft von Buchenholzrauch. Der hatte da nichts zu suchen, denn ich glaube nicht, dass der Wein je ein Fass von innen gesehen hat (und wenn, dann ein weingrünes).
Aber zum Glück war das nur ein schwieriger Prolog, wie ihn auch manche Autoren ihren Werken voranstellen, um die unwürdigen Konsumenten abzuschütteln, bevor dann der zugängliche, vergnügliche Teil losgeht (Tellkamps ‚Der Turm‘ lässt grüßen). Es wurde noch ein beschwingtes Weinvergnügen mit Bukett und Aromen, Geschmack und allem, was dazugehört.
Grenzhof Fiedler, Muskat Ottonel, 2006, Burgenland, Österreich. Er riecht zunächst ein bisschen nach Buchenholzrauch. Mit einer Stunde Luft kommen ‚klassische‘ Aromen: Blüten und Muskat (Muskat Ottonel ist einfach schrecklich schwer in Worte zu fassen). Am Gaumen Litschi und Limone im Überfluss. Sehr trocken und sehr leicht. Den ersten Schluck nehme ich auf der Terrasse im Sonnenuntergang und da gehört der Wein auch hin (auf die Terrasse, nicht in den Sonnenuntergang). 12% Alkohol und gefühlte null Gramm Restzucker. Langer Abgang, guter Wein. Erfrischend!
Danke, Robert (Du Weinretter!)
Na also, eine gute Tat am Tag heißt’s doch, oder? Danke für die nette Geschichte!
Übrigens hatte ich Bernhards Muskat Ottonel schon in der Hand, allerdings wär es bei mir der ’08er Jahrgang geworden..