Deutscher Spätburgunder ist ein aufstrebender Stern am internationalen Weinhimmel. Dies ist zumindest der Eindruck, den Medien, Erzeuger und Händler unisono vermitteln. Und wie jeder Newcomer hat auch der Deutsche Spätburgunder mit Anfeindungen und Vorurteilen zu kämpfen. Dünn und überholzt, mit penetranten Aromen von Erdbeerkompott oder in der Säure zu robust – das sind drei gängige Gegenargumente der Anhänger traditioneller Pinots aus den einschlägigen Herkunftsländern.
Befürworter und Gegner können diverse Blindverkostungen ins Feld führen, in denen sich wahlweise Deutsche oder Internationale Pinots erheblich besser schlagen als die jeweils andere Fraktion. Wie kann das sein, wo doch die Blindverkostung das unbestechliche Instrument der Wahrheitsfindung in Weinfragen sein soll?
Eine mögliche Antwort auf diese Frage wäre die Verkostervorliebe. Setzte man mir blind 5 gute Rieslinge und 5 ebenso gute Grauburgunder vor, gewännen die Rieslinge, weil mir die Sorte schlicht lieber ist. Sind Deutsche Pinot Noirs eventuell so eindeutig anders in der Stilistik als internationale Vertreter, dass es schlicht darauf ankommt, welchen Stil der jeweilige Verkoster bevorzugt?
Das herauszufinden hatte ich in meiner Weinprobe beim Vinocamp Deutschland vor. Gibt es eine typisch deutsche Note im Spätburgunder? Was, wenn man einer bunten Schar Weinbegeisterter Weine aus allen Ecken der Welt blind vorsetzt – wären Sie in der Lage, die Deutschen Vertreter zu erkennen?
Der Versuchsaufbau
Alle Teilnehmer hatten Weine mitgebracht. Das ergab die stattliche Zahl von 30 Flaschen, aus denen ich 18 auswählte, ohne den Teilnehmern die finale Zusammensetzung des Feldes mitzuteilen. Anschließend öffnete ich alle Weine, füllte zwei Kandidaten mit zu auffälligen Flaschenformen in leere Standardflaschen um und verhüllte die Flaschen. Dann ließ ich eine dritte Person die Flaschen mischen, um selber mitraten zu können. Jeder Tester war angehalten, sich für jeden Wein nach Verkostung ein D zu notieren, wenn er ihn für deutsch hielt, ein I für gefühlte internationale Herkunft. Dazu wollten wir noch auf simple Weise einen Sieger küren. Es galt daher auch, ein Urteil in Form eines Minus (schlechter Wein), einer Null (nicht der Rede Wert) oder eines bis dreier Plusse (gut, sehr gut, groß) zu notieren.
Wissenschaftlich belastbar ist das Ergebnis nicht. Dazu wussten die Teilnehmer zu viel über das, was da im Glas war. Vermutlich hätte man die Verkostertruppe durch verschiedene Parcours jagen müssen, in denen mal mehr, mal weniger und auch mal gar keine Pinots aus Deutschland versteckt sind, um eine belastbare Aussage zu erzielen. Doch sollte man das Ergebnis nicht vollständig trivialisieren.
Die Verkoster
Unter den Teilnehmern fanden sich drei gelernte und ein quereingestiegener Winzer, sowie einige Semiprofis aus Handel und Gastronomie. Die große Mehrheit der Verkoster bezeichnete sich selbst als Spätburgunderliebhaber. Überzeugte Anhänger speziell einheimischer Gewächse waren nur wenige.
Die Weine
Sieben Weine aus Deutschland, elf aus allen Ecken der Welt hatte ich zusammengestellt. Zwei der Weine stammten von teilnehmenden Winzern. Einer war eine Fassprobe, was vielleicht eine kleine Unsauberkeit im Versuchsaufbau war. Die ältesten stammten aus 2005. Preislich waren ausgerechnet die beiden Weine, die das Teilnehmerfeld am meisten beeindruckten auch die günstigsten mit 12€ und 13€. Die teuersten lagen um 35€. Die höchste Quote an richtigen Zuordnungen hatte der Wein, der auch am besten gefiel. Er stammt aus Deutschland.
Rang | Erzeuger, Name/Lage, Jahr, Gebiet | Herkunft | Treffer | Wertungs
punkte |
1 | Burggarten, Spätburgunder Signatur 2009, Ahr | D | 81,25 % | 22 |
2 | August Eser, Mittelheimer St. Nikolaus, Spätburgunder Barrique, 2008 | D | 56,25 % | 21 |
3 | Schubert, Pinot Noir Block B, 2010, Neuseeland | I | 37,50 % | 20 |
4 | Kusterer, Spätburgunder, 2007, Württemberg | D | 56,25 % | 18 |
5 | von der Mark, Pinot Noir ,Hey Jude‘, 2009, Baden | D | 43,75 % | 17 |
5 | Tiefenbrunner, Pinot Nero, Linie Turmhof, 2008, Südtirol | I | 37,50 % | 17 |
7 | Stodden, Recher Herrenberg Spätburgunder unfiltriert, 2007, Ahr | D | 50,00 % | 15 |
8 | Staatskellerei Zürich, Pankraz Pinot Noir Prestige Barrique, 2008, Schweiz | I | 56,25 % | 13 |
9 | Markowitsch, Pinot Noir Reserve, 2005, Österreich | I | 56,25 % | 12 |
10 | Thierry Violot- Guillemard, Pommard Premier Cru, Clos Blanc, 2005, Burgund | I | 62,50 % | 11 |
11 | Dornach, XX, Pinot Nero, IGT Dolomiti, Italien | I | 37,50 % | 10 |
12 | Scott, Pinot Noir Arroyo Seco, 2008, Kalifornien | I | 56,25 % | 9 |
12 | Huber, Spätburgunder Junge Reben, 2005, Baden | D | 62,50 % | 9 |
14 | Dom. Martin, Clos du Roi, Beaune 1er Cru, 2009, Burgund | I | 81,25 % | 8 |
15 | Durst, Handle With Care, 2010 (Fassprobe), Pfalz, Deutschland | D | 75,00 % | 7 |
16 | Schug, Pinot Noir Carneros, 2009, Kalifornien | I | 43,75 % | 6 |
17 | Neumeister, Pinot Noir, 2005, Österreich | I | 50,00 % | 4 |
17 | Thibault Liger- Belair, „les grands chaillots“, 2009, Burgund | I | 62,50 % | 4 |
Schnitt | 55,90 % |
Das Ergebnis
Würde man eine Gruppe von 16 Schimpansen abrichten, Weine zu probieren und anschließend eine von zwei Kärtchen mit einem D oder I darauf hochzuhalten, wäre der Erwartungswert, dass die Schimpansen in 50% der Fälle richtig lägen. Das galt es zu schlagen. Wir haben eine durchschnittliche Trefferquote von 56% erzielt. Das ist ob der kleinen Fallzahl keine aussagekräftige Abweichung.
Zwei mögliche Ergebnisse stehen zur Auswahl: Entweder es gibt gar keinen typisch deutschen Ton im Spätburgunder oder wir sind alle nur Schimpansen…
Ist der Satz: „Lieber ein Affe als eine Made“ überhaupt korrekt? Ich meine, wenn man den Darwinismus Konsequent betreibt, müsste dass doch eigentlich „Lieber Affe und Made“ heißen, oder? 🙂
Hallo Knifel,
Jan bezog sich auf eine Geisenheimer Weisheit, die wir vor Ort lernen konnten: Affen und Maden werden von Alkohol angezogen (als einzige Lebewesen neben dem Menschen). Wie man seit kurzem weiß, gibt es noch eine dritte Tierart, die gerne säuft: sexuell frustrierte Fruchtfliegenmännchen. Aber dieser Vergleich war Jan wohl zu gewagt…
Lieber ein Affe als eine Made.
Es grüßt der 61%-Schimpanse Jan
Hallo Jan, hast Du Dich noch mal einzeln ausgewertet? Das hab ich mich nicht getraut 😉
Interessanter Test. Auch wenn ich den Titel für den Blogeintrag schon ein bissel fies finde :-). Unter der Auswahl der Weine waren ja schon viele deutsche. Um die mach ich seit einiger Zeit einen kleinen Schlenker nachdem ich auf dieser Website den Artikel über die Ergebnisse von Stiftung Warentest gelesen hab (nachlesen). In dem von dir beschrieben Test lief es ja auch nicht so gut bei den deutschen – von wegen Erkennbarkeit von Wein und so. Aber das Abendland wird schon nicht untergehn 🙂
Quod erat demonstrandum
Das ist doch mal ein Votum für dei Rückkehr zur zentralen Frage. Terroir, Land und Traube hin oder her: “Schmeckts oder schmeckts nicht” ist die Frage aller Fragen!