Dieser Tage trank ich spontan mit Freunden eine Flasche des Müller-Thurgaus der Weinentdeckungsgesellschaft. Der ‚Liebesheirat‘ präsentierte sich etwas deutlicher vom Holz geprägt als bei meiner ersten Begegnung mit dem Wein aber insgesamt sehr schön. Die Zugabe von Chardonnay und etwas Traminer sticht noch deutlich heraus und das führte kurze Zeit später auch zu einer Diskussion mit Facebook-Freunden, die den Wein ebenfalls kürzlich im Glas hatten. Wir waren uns einig: zwar ist es ein toller Wein, das Projektziel, herauszufinden, was Müller-Thurgau maximal an Qualität zu erreichen in der Lage ist, wird durch die Cuvée-Partner aber unmöglich gemacht – dazu hätte es ein reinsortiger Wein sein müssen.
Und dann hatte ich unerwartet vor ein paar Tagen ein Aha-Erlebnis. Ich öffnete mir eine Flasche Blanc de Noir ‚R‘ vom Weingut Stadt Klingenberg und da war sie: die Maximalerfahrung. Ich bin zwar kein Experte für weiß gekelterten Spätburgunder, habe nur gelegentlich einen im Glas, aber bei diesem Wein reifte in mir die Gewissheit, besser, sorgfältiger und intensiver kann man einen solchen Wein wohl nicht machen. Benedikt Baltes‘ 2012er ‚R‘ ist vermutlich das Beste, was man aus dieser Weinart herausholen kann. Wer jetzt anführt, man müsse alle Blanc de Noirs der Welt getrunken haben um den besten zu küren, hat zwar Recht, wird von mir aber trotzdem als Korinthenausscheider gescholten – Pingeligkeit ist der natürliche Feind der Begeisterung.
Doch bevor das Lob hysterisch wirkt: der Blanc de Noir ‚R‘ ist beileibe nicht der beste Wein, den ich je getrunken habe, nicht einmal ansatzweise. Er präsentiert Finesse und Ausdruckskraft in hohem Maße, zeigt aber eben auch die Grenzen des Weintyps auf. Dabei wirkt er so harmonisch, dass man den Eindruck gewinnt, der Winzer wusste, was er aus seinem Most herausholen kann und hat seine Anstrengungen nicht übertrieben. Mehr Holz, mehr Reife, mehr Alkohol, nichts hätte zu einer Verbesserung des Gesamtbildes geführt, auch wenn diese Erkenntnis allein auf Intuition beruht.
Blanc de Noir – grüner Saft aus blauen Trauben
Die Möglichkeiten der Einflussnahme sind bei einem weiß gekelterten Spätburgunder begrenzt. Power-Weine arbeiten oft mit etwas Maischestandzeit – das geht beim Blanc de Noir nicht. (Für die weniger versierten unter meinen Lesern: Blanc de Noir nennt man einen Weißwein aus blauen Trauben, hierzulande fast immer Spätburgunder. Der französische Begriff ist eigentlich nicht gesetzlich definiert, wird von der deutschen Weinkontrolle aber ausdrücklich toleriert. Ein BdN entsteht dadurch, dass der Winzer seine Rotweintrauben sofort abpresst und den Kontakt von Saft und Schalen auf ein Minimum reduziert, denn der Saft der meisten blauen Trauben ist grün, die Farbe sitzt in den Schalen. Alternativ presst er nur schonend und lässt den ersten Saft ablaufen, macht daraus einen Weißwein, und hat beim restlichen Most dann ein höheres Verhältnis Schalen zu Saft was mehr Farbe und Gerbstoff für den Rotwein aus dem Restmost ergibt – dann spricht man von Saftabzug. Also verbietet sich bei Blanc de Noir die Maischestandzeit, denn diese führt binnen Stunden erst zu einem Rosé und dann zum Rotwein. Wer mehr Details braucht, dem sei das Video ‚Wie entsteht Wein‚ der Webweinschule ans Herz gelegt.) Überreifes Lesegut kommt auch nur begrenzt in Frage. Also kann der Winzer nur über Traubenselektion und Kellerarbeit auf den Weinstil eines Blanc de Noir Einfluss nehmen.
Den Blanc de Noir ‚R‘ vergärt Winzer Benedikt Baltes mittels Spontangärung und lässt ihn ein Jahr im Holzfass reifen. Das verrät die Nase eher am zweiten als am ersten Tag. Frisch geöffnet bietet er Saft und Spaß, mit etwas Luft eher Komplexität und Würze. Beides wirkt in sich sehr harmonisch und ich fand beide Eindrücke auf ihre Art ganz wunderbar. Ich wählte ihn zu einem gebratenen Welsfilet, welches ich mit einem Rahmwirsing servierte, dessen Sahnesauce ich mit gehackten Erdnüssen angedickt hatte und die Kombination fiel in die Kategorie ‚Faust auf’s Auge‘.
Weingut Stadt Klingenberg, Blanc de Noir ‚R‘ 2012, Franken. In der Nase zunächst dezente Würze von Holz und Leder und etwas Beerenfrucht. Im Schwarzen Glas serviert, hätte ich auf Rotwein gewettet (und verloren). Am Gaumen am ersten Tag auch ein bisschen rote Beeren, aber dazu saftiger Apfel, am zweiten Tag mehr Apfel und sehr viel Orange (in einer für Wein eher ungewöhnlichen Intensität), Das Mundgefühl ist dezent ölig, wenngleich am ersten Tag von spürbarer Säure im Zaum gehalten. Am zweiten Tag driftet die ganze Anmutung sehr in Richtung Chardonnay aus dem Barrique, wenn nur die Orange nicht wäre. Tag 1 bescherte mir die perfekte Essenspaarung, an Tag 2 präsentierte sich der Wein eigenständiger und zeigte auch eine dezente Mineralik/Phenolik. Der Abgang war durchgehend sehr lang, der Wein sehr spannend und als Essensbegleiter grandios.