Als ich anfing mich mit Wein zu beschäftigen, gehörten Weingutsbesuche zur schönsten Recherchemöglichkeit, die mir zur Verfügung stand. Doch irgendwann nahm meine Lust an Vor-Ort-Verkostungen ab. Winzer haben mehrere Hundert Besucher pro Jahr und da bleibt es nicht aus, dass Sie irgendwann eine Platte auflegen und immer die gleiche Geschichte erzählen. Wie sollte es auch anders gehen? Leider unterscheiden sich die Platten nicht sehr und neben spannenden Informationen ist auf den meisten auch eine Menge Winzerlatein. Wenn mir dann wieder einer erzählt, dass seine Weine ja ganz und gar ohne jeden Eingriff so werden wie sie sind, guter Wein im Weinberg entsteht etc. pp., dann nicke ich als höflicher Gast und denke mir: ach hättest Du doch ein Probierpaket bestellt.
Am Vorabend des Vinocamp war ich bei einer Weingutsbesichtigung der ganz anderen Art, einer der besten, die ich in den letzten Jahren erlebt habe. Ob Mark Barth vom Wein- und Sektgut Barth in Hattenheim grundsätzlich keine Platte auflegt und Winzerlatein für ihn eine Fremdsprache ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Für die Vinocamper hatte er jedenfalls eine fantastische Weingutsführung mit Probe organisiert, bei der ich einiges lernen konnte.
Der Parcours begann im Innenhof des Gutes mit einem Riesling brut, der Einstiegsdroge der Barths, einem mit 11,50 Euro fair bepreistem, im besten Sinne klassischem deutschen Rieslingsekt. Dazu gab es Wissenswertes über den VdP-Betrieb, der innerhalb des Verbandes eine Sonderstellung einnimmt: als einziger versektet er mehr als ein Drittel seiner jährlichen Weinproduktion. Das ergibt rund 60.000 Flaschen und neben den üblichen Partyschäumern wie Riesling oder Weißburgunder Brut sind etliche Spezialitäten dabei. Es gibt daher kaum eine VdP-Veranstaltung bei der die Barths nicht für die Sekte zuständig wären. Auch sind sie die einzigen, die einen Sekt bei der GG-Präsentation dabei haben, doch dazu später mehr.
Die zweite Station war eine ausführliche Kellerbesichtigung, bei der wir Einzelheiten über die Sektproduktion im Gut erfuhren – auf einem hohen Niveau, welches den vielen anwesenden Winzern gerecht wurde. Zur Halbzeit gab es einen zweiten Sekt, den ich erst einmal blind mit den Umstehenden verkosten konnte. Unser Führer war derweil vollauf damit beschäftigt seine zweijährige Tochter einzufangen, die – im Gegensatz zu ihm – perfekt in die Innenseite der Rüttelpulte schlüpfen und mit den Flaschen spielen konnte. Die Verzögerung sorgte für einen Aha-Effekt, denn wir diskutierten ausführlich den zarten Holzeinschlag der Grundweine, bevor uns Mark Barth erklärte, dass diese im Stahltank ausgebaut waren. Was das zarte Barrique-Aroma verursacht ist eine Dosage von homöopathischen zehn Millilitern mit einem im Barrique ausgebauten Riesling namens Singularis. Der ist feinherb und hat um 20 Gramm Restzucker, was bei dem Sekt in unserem Glas zu einem Gesamtzucker von 0,5 Gramm pro Liter führt. Dieser nach dem Geburtsdatum der Rüttelpultturnerin ,11311‘ benannte Sekt war für mich der spannendste der tollen Barth-Kollektion, die ich im Laufe des Vinocamp vollständig probieren konnte.
Nach einer Station an der Degorgiermaschine gelangten wir wieder in den Innenhof, wo uns ein abschließendes Highlight erwartete. Die Parallelverkostung des 2009er Riesling GG aus dem Hattenheimer Hassel und des Sektes ,Primus‘. Bei dem handelt es sich um das versektete GG. Jedes Jahr versekten die Barths einige Magnums des Hassel und bringen sie als Versteigerungswein auf den Markt. Dank der überaus großzügigen Geste des Hausherren – die geköpfte Magnum kostet knapp 130 Euro – war uns ein einmaliger Vergleich vergönnt. Wenn die Barths den Wein bei der GG-Präsentation vorstellen, gibt es jeweils das aktuelle GG und den versekteten Vor-Vor-Jahrgang, da dieser 24 Monate auf der Hefe liegt. Hier also der selbe Jahrgang Seite an Seite: links ein sehr schönes aber auch unerhört reifes 2009er GG (es spielte sich die Szene ab, die zu meinem letzten Artikel über den Reifezustand der 2009er führte) und rechts der 2012 degorgierte Sekt, der spritziger erscheint, die Reife- und Würzenoten aber gleichzeitig dank der Kohlensäure herausschleudert, dass man die Nase gar nicht mehr aus dem Glas nehmen will. Nach der doppelten Gärung hat der Primus fast 14% Alkohol, weswegen ein Glas davon vollkommen reicht. Das ist beim 11311 ganz anders.
Barth, Cuvée Paradies ,11311‘ , Sekt b.A nach traditioneller Methode, Riesling & Pinot Blanc, Brut Nature, o. J., Rheingau. In der Nase einerseits typisch: Grapefruit, Zitrus, Hefe, Brot, grüner Apfel, dazu aber eine dezente Barrique-Note. Am Gaumen eine wundervolle Balance zwischen Frucht, Würze und Säure. Der Sekt ist spritzig und kein bisschen spröde, obwohl er wirklich furztrocken ist. Der Weißburgunder zähmt den Riesling, dazu kommt ein feines Haselnuss-Aroma, das ich aber eher der Rebsorte als der Dosage zurechnen würde, denn die 1,3% Eichenfass-Anteil spürt man nur in der Nase. 12,5% Alkohol fallen nicht weiter auf. Die Perlage ist sehr fein, der Abgang lang. Ein Sekt zum Entdecken.
Der guten Ordnung halber ein Hinweis: Es gibt den Wein exklusiv im Frischeparadies Frankfurt, was nicht gerade bei mir um die Ecke liegt. Der Winzer hat mir daher eine Flasche des Sektes geschenkt. Dafür, wie auch für die gelungene Veranstaltung, meinen herzlichen Dank.