Gestern fand in Berlin der BerlinGutsrieslingCup statt und ich saß wie im Vorjahr in der Jury. Und eine weitere Parallele zu 2014 gab es: das war echte Arbeit, denn es war viel schwacher Wein im Teilnehmerfeld.
An einem lauen Sommergsonntagnachmittag ein Gläschen erfrischenden Gutsrieslings zu trinken gehört zu den angenehmsten Tätigkeiten im Leben eines Weintrinkers. Insofern sollte die Jurorentätigkeit beim Berlin Gutsriesling Cup* eigentlich ganz simpel sein: einfach die Überwindung messen, die es kostet, den Probeschluck wieder auszuspucken, statt runterzuschlucken, fertig ist das Urteil – schließlich fand der Berlin Gutsriesling Cup gestern Nachmittag an einem lauen Sommertag statt. Doch ganz so einfach war es nicht, dafür war erstens zu viel schwieriger Wein am Start und zweitens manch süffiger Riesling auf den zweiten Schluck zu limonadig. Aber der Reihe nach.
Falsches Jahr? Hier sind die anderen Berichte
Berlin Gutsriesling Cup 13/14
Berlin Gutsriesling Cup 15/16
Jahrgang 2014 – das bessere 2013
Der Unterschied zum Berlin Gutsriesling Cup für den Jahrgang 2013 ist schnell geschildert. Letztes Jahr empfand ich die Hälfte der Weine als hochproblematisch, dieses Jahr war es nur ein Drittel. Von den problematischen Rieslingen fand ich letztes Jahr wiederum die Mehrheit unreif, dieses Jahr hatte ich nur bei einigen wenigen den Eindruck, dass sie aus Trauben gemacht waren, die deutlich vor Erreichung des Mindestreifegrades für die Weinproduktion geerntet waren. Verbindendes Element der beiden Jahrgänge ist eine krasse Säure.
Zwei Gründe habe ich die Ergebnisse des diesjährigen Gutsriesling Cups kleinzureden. Zum einen die Verkostungsreihenfolge, zum anderen den Bewertungsmaßstab. Die Verkostungsreihenfolge sollte eigentlich keine Rolle spielen, sie spielt auch oft keine Rolle, aber gestern hatte sie meiner Meinung nach massiven Einfluss. Ein Riesling mit mehr als 8 Promille Säure und kaum Restzucker beeinflusst die Geschmacksnerven so nachhaltig, dass die nächsten beiden Weine anders schmecken, als wenn sie im Anschluss an einen entsäuerten Riesling mit 6 Gramm Restzucker zur Prüfung anstehen. Keiner der Juroren, mich eingeschlossen, hat gestern die nötigen 36 Stücke Brot gegessen, die es eigentlich gebraucht hätte um die 37 Rieslinge mit gleichen Vorraussetzungen zu bewerten. Zudem erweisen sich die Weine mit niedrigerer Säure oder größerem (Zucker-)Puffer in einem so martialischen Parcours leicht als Inseln der Glückseligkeit, auf denen man eine Weile ausruhen möchte und die deswegen hohe Punkte provozieren. Zumindest in dieser Hinsicht halte ich es allerdings für ein valides Gegenargument darauf zu verweisen, dass solcherlei Trinkfuss und Glücksgefühl für Gutsrieslinge ein wichtiges Qualitätskriterium sind.
Gutsriesling – bitte kein Nichtstun
Diesen Trinkfluss galt es 2014 herzustellen. Der kam nicht von alleine, das war deutlich zu schmecken. Irgendetwas galt es zu tun: entsäuern, etwas (mehr) Restzucker stehen lassen, Maischestandzeit mit der Hoffnung, der zusätzliche Schalenkontakt könnte entsäuernde Wirkung haben, bei zwei Weinen hatte ich sogar den Eindruck, ein Teil der Trauben sei extralang hängen geblieben und der einsetzenden Fäulnis mit Aktivkohle begegnet worden – aber das ist alles egal. Ich betrachte es erstens nicht als meine Aufgabe zu erraten, wie die Weine gemacht sind und zweitens nicht als sinnvoll mich zum Richter über die Methoden aufzuschwingen. Ich (und meine Mitjuroren hielten das meist ähnlich) versuchte einzig das Ergebnis zu bewerten. Was nützt es, die Prinzipientreue eines Winzers zu besingen, wenn das Ergebnis untrinkbar ist? Andererseits haben etliche Rieslinge beim ersten Schluck gutgetan, beim zweiten Schluck aber dermaßen geklebt, dass sie nur sehr wenige Punkte erheischen konnten. Die Jury verfügte über ausreichend Limonaden-Resistenz. Das ist wichtig für die Interpretation der Ergebnisse: Was auf den hintersten Plätzen landete, war nicht zwangsweise unreif oder zu aggressiv in der Säure, einiges war schlicht zu anbiedernd.
Berlin Gutsriesling Cup – die Ergebnisse
Anbei die Tabelle mit den Ergebnissen (die erste Zahl ist die Startnummer). Sie zeigt, dass der Sieger einen für ein solches Feld erstaunlich großen Vorsprung hat. Dabei wurde der Bürklin-Wolf noch kontrovers diskutiert. Einige sahen in ihm einen Partykracher, einen Crowdpleaser, dem alle Zähne gezogen sind. Andere (darunter der Autor dieser Zeilen) machten eine wunderbare Phenolik aus, die aber auch mit einem leichten (sehr animierenden) Bitterton einherging. Ich würde mich nicht wundern, wenn dieser Wein in den nächsten Monaten immer mal wieder Phasen durchläuft, in denen die Bittertöne geschmacklich weiter hervortreten. Spätestens dann wird dieser Wein polarisieren. Das sollte wissen, wer jetzt in Versuchung gerät 12 Flaschen dieses wunderbaren Gutsrieslings zu kaufen.
Meine persönlichen Favoriten sehen Sie im Bild oben. Joh. Bapt. Schäfers Wein fand ich durch und durch klassisch mit einem akzeptablen Tick Restzucker, Schloss Johannisberg war deutlich wilder mit einer schönen Feuerstein-Note aber auch brachialer Säure, der Seehof bewies viel Harmonie auf der frischesten Seite (an der Grenze zu sauer).
Und dann war da noch der Gutsriesling vom mir bis dato unbekannten Weingut Michel aus Rheinhessen. Der hatte eine vergleichsweise leise Art bei schöner Struktur. Bei dem bin ich mir nicht sicher, ob er nicht unter Wert geschlagen wurde, kam er doch direkt im Anschluss an einen ziemlich schwierigen Flight mit arg überzuckerten Weinen. Ich werde mich bemühen, diesen Gutsriesling noch einmal in Ruhe ins Glas zu bekommen und berichten.
Lesen Sie hier auch den Bericht von Markus Budai.
*Es handelte sich um eine Blindverkostung durch eine Gruppe von Weinhändlern, -autoren und privaten Enthusiasten. Aufgedeckt wurde erst nach Abschluss der Verkostung. Großer Dank an Martin Zwick für die wie immer perfekte Organisation seines Cups.
Es ist schon traurig, dass Kommentare nur abgegeben werden, um sich selbst wichtig oder den Schreibenden nieder zu machen. Fundierte Meinungen sind wichtig. Kontroverse Diskussionen entstehen nur in gegenseitigem Respekt. Felix hat sehr genau und gründlich geschrieben und seine eigene Meinung darf er auf seinem Blog schon kund tun.
Durchaus denkbar, dass der Eindruck entsteht, hier ist ein selbstverliebter Besserwisser dabei, mangelnde Kompetenz als belustigendes Gewäsch aufzubereiten – wohl bekomms.
Lieber Gerlach, wenn Sie sich schon selbst unter anderem Namen zur Hilfe eilen, vielleicht doch so gründlich sein und nicht von der gleichen IP-Adresse kommentieren 😉
Ich glaube gerne, dass den teilnehmenden Riesling-Vieltrinkern die „gemachten“, limonadigen 2014er-Exemplare negativ aufgefallen sind (davon gab es vermutlich viele – nach meinen noch unzulänglichen Jahrgangseindrücken war die Säure wieder sehr markant, aber weniger vordergründig als 2013; stattdessen waren Reife und Extrakt teilweise noch geringer – z.B. bei Frau Wechsler oder bei v. Buhl nach einem furiosen 2013, allerdings sehr unterschiedlich, 2014 ist offenbar ein Winzerjahr wie keines zuvor). Dies vorausgesetzt, wundere ich mich doch über die Spitzenplätze für lauter „mainstream“-Produzenten, die allein um der Absatzmenge willen nicht auffällige Weine mit hinreichendem Verständnis Riesling-Laien produzieren müssen (B-W ist eines der grössten privaten Güten hierzulande; ob der neue Kellermeister in der Nachfolge der Knorr-Dynastie etwas an der pH-gesteuerten Abrundungsaromatik geändert hat, weiß ich nicht. Keller und St. Antony in der Ära nach Alex Michalsky habe ich den vergangenen Jahren nicht probiert, da ich sie für langweilig hielt). Hat sich das 2014 tatsächlich so sehr geändert? Und wie kann ein 11 % Riesling wie der von dem preislich hoch ambitionierten Schätzel (nichts gegen schlanke Weine, aber die von mir probierten unter 12 %-Weine 2014 waren offenkundig der Not geboren und nur für den Ausguss geeignet) so weit oben landen? Ich bin ratlos.
Ich würde jetzt gerne etwas Kluges schreiben, aber:
„die allein um der Absatzmenge willen nicht auffällige Weine mit hinreichendem Verständnis Riesling-Laien produzieren müssen“ – ich habe Verständnisschwierigkeiten (völlig ohne Zynismus, ich denke, da ist ein erheblicher Satzteil der Technik zum Opfer gefallen)
„St. Antony in der Ära nach Alex Michalsky habe ich den vergangenen Jahren nicht probiert, da ich sie für langweilig hielt“ – Das verstehe ich nicht. Sie halten sie für langweilig, obwohl Sie sie nicht probiert haben? Wie geht das? Hellseherei?
Und Gutsrieslinge mit 11% können Ihrer Meinung nach keine Spitzenplatzierung erreichen? Doch. Ganz offensichtlich. Wenn Ihre Anschlussfrage dann lautet, ob die Jury keine Ahnung hat, dann kann ich nur sagen: durchaus denkbar.
Median ist eigentlich keine Methode, sondern eine Kennzahl. Der Median teilt die Bewertungen in eine bessere und eine schlechtere Hälfte. Anders als der Durchschnitt ist der Median unanfällig gegen besonders hohe und besonders niedrige Bewertungen. Extrembewertungen haben starken Einfluss auf den Durchschnitt, aber nicht auf den Median. Man kann das Problem auch so angehen, dass man bei der Durchschnittsbildung den höchsten und den niedrigsten Wert weglässt. Das haben wir auch gemacht, und daran orientiert sich hier die Rangfolge.
Die Standardabweichung gibt an, wie gleichmäßig gewertet wurde. Je höher die Standardabweichung, desto kontroverser der Wein.
Na hoffentlich ist das „Nachschmecken“ dann nicht so anstrengend wie die Verkostung! Mich würde noch interessieren, was die Abkürzungen über den Bewertungen aussaagen. Danke, Juliane
Hi Juliane, das müsste Durchschnitt ohne Extrema (höchster und niedrigster Punktewert), Median (ist eine statistische Methode der Mittelwertbildung) und Standardabweichung heißen.
Danke! Nun ist es verständlich…
Die Standardabweichungen sind ja sehr interressant.
Hast einen schönen Blog, auch wenn ich die Beiträge abseits großer Verkostungen lieber lese – sie sind so eigen und sehr humorvoll….