Aussieres Weinberge neu

Per aspera ad astra

Stellen Sie sich vor, Sie kaufen sich ein schönes Weingut und gerade, wenn Sie anfangen wollen Wein zu machen, kommt Ihr Kellermeister und erklärt Ihnen: ‚Sorry, Chef, Weingut kaputt!‘. Gibt’s nicht, sagen Sie? Doch, gibt es – und ist die kürzeste Kurzfassung der jüngeren Geschichte der Domaine d’Aussieres.

1999 entschloss sich Baron Eric de Rothschild seiner Weingutsgruppe Domaines Barons de Rothschild (Lafite) einen Betrieb im Languedoc hinzuzufügen. Er kaufte das 570 Hektar umfassende Anwesen von Aussieres, das über reichlich Wald und Buschland sowie mehr als 100 Hektar Rebfläche verfügte. Sein Plan war, das Gut Schritt für Schritt zu modernisieren, Flächen zu roden und neu zu bestocken und Aussieres zu einer der ersten Adressen des Languedocs, genauer genommen der Corbières-Region zu machen. Einer, der diesen Plan vorantreiben sollte, war Aymeric Izard, den das Rothschild-Team als neuen Kellermeister für d’Aussier auserkoren hatte – mit gerade einmal 21 Jahren!

Aymeric Izard
Aymeric Izard von der Domaine d’Aussieres

Doch Izard, der sich vermutlich fühlte wie ein Nachwuchsfußballer, der gerade beim FC Barcelona unterschrieben hat, stellte schnell fest, dass Sand im Getriebe war. ‚Daraus wird kein Wein werden, auf den wir guten Gewissens Domaines Barons de Rothschild (Lafite) schreiben und unsere fünf Pfeile kleben können‘, lautete die Botschaft, die Izard seinen Chefs in Bordeaux und Paris übermittelte, kaum dass sich die Gärung der ersten Ernte unter neuem Regime dem Ende näherte. Der Versuch wurde daraufhin gestoppt, die Produktion vorübergehend eingestellt.

Aussieres – ein Joint Venture

Die Planänderung war nicht ohne Brisanz. Rothschild teilt sich den Besitz mit der Crédit Agricole. Das Telefonat, bei dem der eine Partner dem anderen erklärt, dass die Einnahmenseite des Businessplans für die ersten vier Jahre jetzt leider auf Null korrigiert werden müsse, hatte vermutlich eine durchaus emotionale Komponente… Izard folgte derweil in den nächsten drei Jahren einer anderen Job Description: statt im Keller zu werkeln, rodete er den gesamten Rebbestand von Aussiers und pflanzte 170 Hektar Reben, vor allem Syrah, Grenache, Mourvèdre und Carignan, dazu etwas Cabernet Sauvignon, Merlot und Chardonnay.

WeinfabrikWas dabei zu beachten war, lerne ich auf einer kleinen Tour über das Anwesen. Ich bin zu Besuch auf Aussieres. Izard, heute Gutsverwalter, deutet auf das Feld vor uns: ‚Da standen früher Reben, aber das ist extrem fruchtbarer Boden. Da wurden die Reben so verwöhnt, dass sie keine guten Trauben gaben. Die Rebe muss ein bisschen leiden, um gute Weine zu erhalten!’ Ein Blick auf die neuen Anlagen zeigt, jetzt müssen die Reben kämpfen – nachdem vorher die Pflanzer gekämpft haben.

Gekämpft wird auch im Keller – mit Beton. Die Gutsgebäude waren mit riesigen Betontanks ausgestattet. Einige hat die Mannschaft mit dem Presslufthammer herausgeschält um Platz für Stahl und Holz zu schaffen, andere sind in Betrieb. Jetzt bei unserer Kellerbesichtigung versucht ein Bautrupp gerade aus zwei Tanks einen zu machen und dazu eine Zwischenwand aus bunkerdickem Beton herauszunehmen. Auch das gibt einen guten Einblick, wie viel Schweiß nötig war, um die Produktionsstätten in den heutigen Zustand zu versetzen. Und es erklärt, warum auch 17 Jahre nach der Übernahme noch etliches im Bau oder gerade erst fertiggestellt ist. So sind wir die ersten Besucher überhaupt, die auf der frisch renovierten Terrasse des Gutes verköstigt werden.

Kollektion d'AussieresDoch vor dem Praxistest, wie die Weine von Aussieres zum Essen passen, kommt die Verkostung im Kaminzimmer. Wir probieren die komplette Kollektion und die besteht nicht nur aus Spitzenweinen. 2 Millionen Flaschen produziert das Weingut, was bedeutet, dass genau so viel Traubenmaterial zugekauft wie selbst geerntet wird. Vor allem Merlot stammt aus Zukauf. Die Domaine produziert exklusiv für den deutschen Markt und den Partner Hawesko einen reinsortigen Merlot. Es wäre naiv zu glauben, dass solche explizit auf einen Markt und eine Konsumentengruppe zugeschnittenen Weine mit Endverbraucherpreis im einstelligen Euro-Bereich und dieser Flaschenzahl ganz ohne Intervention entstehen. Da ist viel Kellertechnik im Spiel. Aber der Wein ist völlig in Ordnung, zeigt südfranzösische Kräuterwürze und unterscheidet sich deutlich von ähnlichen Produkten aus Norditalien – so soll es sein. Der Chardonnay überrascht mit viel Frische. Für mich relevanter sind aber die gehobenen Weine aus eigenen Trauben, und die zeigen, der Spagat zwischen südfranzösischer Weinfabrik und Spitzenweingut gelingt.

Chateau d’Aussieres – das Flaggschiff

Chateau d'Aussieres CorbieresDie Top-Cuvée Chateau d’Aussieres ist zu lediglich 40% im Barrique ausgebaut, was ihr gut zu Gesicht steht. Bei der Kellertour war zu sehen, dass alle Fässer das Kürzel DM eingebrannt haben. Was es damit auf sich hat, will ich wissen, während wir den Wein verkosten. ‚Alle Fässer stammen aus der Fassbinderei der Gruppe in Bordeaux‘, erklärt Aymeric Izard. ‚Und nach einigen Versuchen haben wir beschlossen, dass die Fässer für unseren besten Wein die gleiche Toasting-Intensität haben sollen wie sie Chateau Duhart-Milon verwendet. DM steht also für Duhart-Milon‘. Es ist schon erstaunlich, wo man überall Synergien heben kann.

Domaine d’Aussieres, Chateau d’Aussieres, 2013, Corbières, Frankreich. Cuvée aus Syrah, Grenache, Mourvèdre and Carignan. In der Nase feine Frucht, vor allem dunkle Beeren, Kräuter, vor allem Lavendel und ein wenig Holz. Am Gaumen erwacht der Wein am dritten Tag zu voller Schönheit: mittlerer Körper, ordentliche Säure, Brombeere und Pflaume, Lakritz und etwas Holz, sehr feines Tannin, ‚südfranzösische Kräuterwürze‘ (um nicht Garigue zu sagen), verpackt/versteckt seine 14% Alkohol gut und zeigt sich im sehr langen Abgang wirklich elegant.

Corbières – Leuchtturm gesucht

Der Schock ist offensichtlich verdaut, eine mit Sorgfalt neu aufgebaute Rebanlage liefert bestes Material für einen sehr guten Wein, der zu einem Preis von 20 Euro eine echte Empfehlung ist. Mehr Geld kann auch ein Rothschild nicht in diesem Teil Frankreichs aufrufen. Eiförmiger Tank‚Es fehlt ein Icon-Wein aus dieser Ecke, um das Gebiet auf die nächste Stufe der Wertschätzung und -schöpfung zu heben‘, meint Olivier Trégoat, technischer Direktor für alles, was Lafite außerhalb Bordeaux’s macht, während wir uns anhand einer 2008er Magnum des Chateau d’Aussieres davon überzeugen, dass der Wein reifen und bestens mit dem Mittagessen harmonieren kann. Das Alter der Rebanlage reicht für so einen Wein vermutlich noch nicht. Aber da waren diese lustigen Spielzeuge, die uns bei der Kellerbesichtigung aufgefallen waren. Ob denn die kleinen fabrikneuen eiförmigen Tanks etwas mit der Suche nach dem Icon-Wein zu tun hätten, will ein Kollege wissen. Da lächeln und schweigen Trégoat und Izard.

Wir bohren nicht weiter, sonst machen wir noch die Überraschung kaputt.

 

Offenlegung: Ich habe das Weingut auf Einladung der Rothschild-Gruppe im Rahmen einer Pressereise besucht und anschließend von DBRs deutschem Importeur Hawesko Kostmuster für die Nachverkostung erhalten.

Den Bericht vom Besuch auf Lafite finden Sie hier.

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