Einen Tag nach dem Treffen mit den Geschwistern aus Franken bot sich mir ein absolutes Kontrastprogramm. Moët Hennessy Deutschland hatte mich eingeladen, im Rahmen eines Dinners im Berliner Restaurant ,The Grand‘ die aktuellen Weine der Cloudy Bay Winery zu trinken (Spucknäpfe waren keine da, was bei dem edlen Essen auch unangebracht gewesen wäre). Grund für die Einladung war eine Bemerkung, die ich vor gut vier Jahren hier im Blog über den Sauvignon Blanc von Cloudy Bay machte. Ich geb‘s zu: ich fühle mich geschmeichelt, wenn jemand so gründlich in meinem Blog stöbert und konnte gar nicht anders als teilzunehmen – zumal mit Nick Lane auch der Kellermeister des Gutes anwesend war. In einer kleinen Runde von nur 8 Personen bot sich ausreichend Gelegenheit die Weine und ihre Entstehung zu diskutieren.
Es war mein erstes Gespräch mit einem Winemaker, der Angestellter eines börsennotierten Unternehmens ist (Cloudy Bay gehört dem Luxuskonzern LVMH) und die Besonderheiten einer solchen Konversation bekam ich gleich in den ersten Minuten serviert. Auf die Frage, wie viele Flaschen vom Cloudy Bay Sauvignon Blanc produziert würden, antwortete mir Lane, dass dürfe er leider nicht sagen. Etwas verlegen ergänzte die PR-Dame von Moët Henessy, dass alle Auskünfte zu umsatzrelevanten Kennzahlen ausschließlich über die Abteilung für Finanzmarktkommunikation im Mutterhaus liefen und außerhalb der offiziellen Börsenverlautbarungen keine Angaben zu den Flaschenzahlen bei Cloudy Bay, Moët, Krug, Newton, d‘Yquem etc. gemacht würden. Das kann ja heiter werden, dachte ich bei mir, doch es sollte die einzige merkwürdige Situation des Abends bleiben. Schon bei meiner nächsten Frage, welche Jahrgänge von Cloudy Bay er selber derzeit trinke, entgegnete mir Lane mit entwaffnender Offenheit, dass er immer entweder den aktuellen Jahrgang trinke oder sechs bis sieben Jahre alte Sauvignons, derzeit den 2006er. ,Zwei oder drei Jahre alter Cloudy Bay kann ein ziemlich sperriges Getränk sein, dass wenig Vergnügen bereitet‘, fügte er mit einem Augenzwinkern an. Schönreden geht anders.
Die Kellerei verfügt über 200 Hektar, zur Hälfte mit Sauvignon Blanc bestockt, sowie Lieferverträge mit externen Traubenerzeugern. Das Neuseeländische Weinrecht gestattet es, Trauben aus dem gesamten Anbaugebiet Marlborough zu verwenden, welches etwas kleiner als Schleswig-Holstein ist. Und vermutlich sind es eine Menge Trauben, die das Weingut zukauft: Der Cloudy Bay Sauvignon Blanc steht in jedem zweiten Duty Free Shop der Welt. Darüber kann man lästern, auch über den etwas uniformen Geschmack, denn wie die Basisprodukte der Schwesterunternehmen Moët & Chandon oder Veuve Clicquot stellt der Wein sein eigenes Geschmacksbild über Jahrgangseinflüsse. Ich mag aber nicht lästern, denn es ist ein sehr angenehmer Geschmack und den in solchen Mengen auf die Flasche zu bringen ist eine Leistung. Von Vorteil sei das konstante Klima, erklärt Lane, denn es sei kein wolkenverhangener Himmel, dem die Cloudy Bay ihren Namen verdankt, sondern die Tatsache, dass das Wasser in der Bucht trübe ist – sie bildet das Mündungsdelta des Wairau-Flusses.
Zu den Produkten des Weingutes zählt eine breite Palette von Weinen. Die Mehrzahl, etwa der Gewürztraminer, Riesling oder Grauburgunder vermarktet das Gut lokal, in den Export gehen zwei Sauvignon Blancs, der Chardonnay und der Pinot Noir. Diese gab es auch als Begleitung zum Menü.
Der einfache Sauvignon Blanc ist ein faszinierendes Produkt. Er ist Neuseelands berühmtester Wein, hat das Land fast im Alleingang auf die Landkarte der wichtigen Weinnationen gehievt, ist vermutlich der einzige Icon-Wine der Welt, den es für weniger als 20 Euro zu kaufen gibt und hat ein Geschmacksbild, das sich auch dem absoluten Weinanfänger erschließt. Damit erweist er der ,Sache‘ Wein einen wichtigen Dienst. Auch wenn Profis zurecht anmerken, dass man bessere Sauvignon Blancs aus Neuseeland für weniger Geld findet, wenn man sich nur ein bisschen Mühe gibt: das kann nicht das einzige Kriterium für ein Urteil sein. Auch einfacher Veuve Clicquot ist vielen halb so teuren Winzerchampagnern unterlegen, bleibt aber ein leckeres Getränk, dass den Weltruf des Champagner eher prägt als das exzellente Erzeugnis eines kleinen Zwei-Hektar-Betriebes.
Wie die erwähnten Champagner ist der Sauvignon Blanc ein technisches Produkt. ,Wir ernten mit dem Vollernter, meist nachts und frühmorgens, vergären im Stahltank mit Reinzuchthefen und Temperaturkontrolle‘, beschreibt Lane den Entstehungsprozess. ,Wir haben mit Maischestandzeit experimentiert aber der Sauvignon hat nicht so viele Gerbstoffe, dass es einen großen Unterschied macht. Der etwas ruppige Umgang, den der Vollernter mit den Trauben pflegt, bringt genau so viel Gerbstoffe in den Most, wie wir sehen wollen‘. Das klingt nach Winzerlatein, doch durfte ich in den letzten Tagen anlässlich der katastrophalen Lage in Deutschlands Weinbaugebieten auf Facebook Diskussionen um den Vollernter verfolgen, die ein differenziertes Bild dieser ,Teufelsmaschine‘ gezeichnet haben. Vielleicht ist es also einfach die Wahrheit, zumal die empfindlicheren Rebsorten auf dem Gut allesamt von Hand geerntet werden.
Das Bessere ist der Feind des Guten und so war es mit meiner Begeisterung für den Sauvignon Blanc vorbei, als der zweite Wein des Abends ins Glas kam: der ,Te Koko‘ entsteht aus dem gleichen Most wie der Cloudy Bay, reift aber rund zwei Jahre in gebrauchten Barriques, wobei bis zu zehn Prozent neue Fässer dabei sein können. Das Mundgefühl dieses Weines ist unglaublich charmant, die Kräuter des Cloudy Bay sind hier mit zartem Schmelz überzogen, dass es eine Wonne ist. Ich bin – wie erst letzte Woche beschrieben – kein Fan von Sauvignon Blanc im Barrique, aber so, wie das ganze hier zusammenfindet, ist es Kunst.
Die nächsten beiden Weine, der Chardonnay und der Pinot Noir, sind eigenständige Interpretationen der Rebsorten, die nicht versuchen, burgundisch zu sein. Der Chardonnay kommt mit deutlichem Holz und viel Schmelz ins Glas, zeigt aber die Eleganz des kühlen Klimas. Letzteres gilt auch für den im Holzeinsatz zurückhaltenderen Pinot, den ich gerne mal in eine Probe Deutscher Spätburgunder schmuggeln würde. Ich denke, er würde nicht als Exot identifiziert. Zum Dessert gab es einen Wein, der noch einmal die Sonne aufgehen ließ. Die Noble Late Harvest 2007 vom Riesling ist eine Beerenauslese mit einer Aromatik, die vermuten ließe, die Cloudy Bay wäre keine Meeresbucht, sondern eine Moselschleife: Edelsüßer Riesling mit vibrierender Säure und ohne das Neue-Welt-Aroma von verbranntem Gummi.
Im vornehmen ,The Grand‘ traute ich mich nicht eine angebrochene Flasche zu schnorren. Das Fazit dieses mal also ohne detaillierte Verkostungsnotiz: Cloudy Bay macht sehr gute bis großartige Weine. Der berühmteste, der einfache Sauvignon Blanc, ist dabei der schwächste, was aber Jammern auf hohem Niveau ist, denn für Preise zwischen 20 und 26,50 Euro bietet das Weingut eine hervorragende Qualität. Der Te Koko ist für mich was Genuss und Preis-Leistungsverhältnis angeht ein grandioser Wein.
Deine Texte lese ich normalerweise mit viel Genuss. heute habe ich wegen langeweile bald abgebrochen. Der Anlass hat offensichtlich das Ergebnis stark beeinflusst.
Nee Heinz, wat dem eenen sin Uhl… Du verfügst halt über das Wissen schon, welches dieser Artikel zu vermitteln versucht, folglich interessiert er Dich nicht. Für den, der eh das meiste weiß, ist sicherlich die Blödelei das attraktive am Schnutentunker. Heuer gab’s halt mal nur Infos. Das hatte mit dem Anlass nix zu tun.