Manchmal fragen mich Freunde, ob ein exklusiver Rahmen oder bevorzugte Behandlung bei der Weinpräsentation es mir schwer machen würden distanziert und neutral über den präsentierten Wein zu urteilen. Der Reflex das vehement zu verneinen ist da. Ich habe mich aber eine Weile selbst beobachtet und wage jetzt das Urteil: Nein, Pomp und Exklusivität beeindrucken mich nicht – aber Emotionen. Menschen, die ihr Produkt mit Herzblut fertigen, spür- und sichtbar die Extrameile gehen, lösen in mir Emotionen aus, die sich bis in die Geschmacksknospen ausbreiten. Ich schiebe den folgenden Bericht schon eine Weile vor mir her, hoffend eines morgens aufzuwachen und totale Neutralität zu verspüren. Keine Chance: Hier also ein Loblied auf Menschen, denen zu begegnen ein besonderes Privileg ist: Nebenerwerbswinzer!
Gleich vier Menschen, die im Hauptberuf einer vergleichsweise profanen Beschäftigung nachgehen, nahmen dieses Jahr am Vinocamp teil und natürlich hatten sie Ihre Weine dabei. Die Art wie sie über diese reden ist besonders. Sie haben eben nicht tagein tagaus Kundschaft auf dem Hof und sagen zu jedem Wein ihr tausendfach geübtes Sprüchlein auf. Sie betrachten Kundenkontakt selten als notwendiges Übel, sondern meist als wichtiges Instrument der Rückmeldung aus einem Markt, in dem sie nicht ganztags fest verankert sind. Und sämtliche Nebenerwerbswinzer, denen ich bisher begegnet bin, haben einen glasklaren Blick auf Ihre Weine, wissen, welche gut und welche nur ordentlich sind, zeigen aber immer auch die schwachen. Es gibt so ein leicht verlegen-schiefes Nebenerwerbswinzerlächeln (keine Ahnung, ob es einen Lehrgang dafür gibt), mit dem diese einem einen Wein einschenken, von dem sie wissen, dass es nicht ihr bester ist, und niemals sonst ist es ein solches Vergnügen suboptimalen Wein zu probieren. Wer daraus schließt, dass es die Teilzeitler halt nicht so hart trifft, wenn einmal etwas daneben geht, der liegt falsch.
Nebenerwerbswinzer – Fehler verboten
Nebenerwerbswinzer träumen häufig davon ihrem Hauptjob Adieu zu sagen und nur noch Wein zu machen; einige als Vorruhestandsregelung, andere lieber heute als morgen. Und sie haben alle ungefähr den gleichen Plan: Im Nebenerwerb eine Vertriebsstruktur aufbauen, die den Abverkauf der Produktion in weniger als 12 Monaten gestattet, so dass Knappheit herrscht, zwei oder drei sehr gute Kollektionen vorlegen, die wirtschaftlich attraktive Preise rechtfertigen, dann zwei Hektar dazu pachten und auf Vollerwerb umstellen. Ein schlechter Jahrgang, ein einziger versemmelter Gutswein ist dabei wie der Rausschmiss beim Mensch-ärgere-Dich-nicht-Spiel – egal, wie weit Du warst, Du fängst wieder von vorne an. Denn es ist sehr leicht, den nicht so gelungenen Wein auf die mangelnde Praxis zu schieben, selbst wenn der betreffende Jahrgang auch berühmten Gütern vergleichsweise Unterdurchschnittliches entlockt.
Neben Rüdiger Ewert von der Mosel waren noch drei Rheingauer Teilzeitwinzer beim VinoCamp: Lars Dalgaard und Christin Jordan, die auch am Mittelrhein begütert sind, sowie Hans-Joachim ‚Jojo‘ Klose aus Hattenheim. Als Klose mir anbot, mir die nur oberflächlich verkosteten Weine zu schicken, willigte ich mit Freuden ein, denn etliches, was Klose unter dem Weingutsnamen werk2 im Angebot hat, gefiel mir auf den ersten Schluck richtig gut.
werk2 – Jojo Kloses zweiter Streich
Hans-Joachim Klose ist mit Wein aufgewachsen. Schon die Großeltern waren ‚5-Uhr-Winzer’ (wie die Teilzeitler im Rheingau auch genannt werden). Sein Großonkel war Kellermeister der Hattenheimer Winzergenossenschaft, bei der die Familie auch lange Jahre Trauben ablieferte. Als die Genossenschaft Mitte der 90er zusperrte, gründete Klose mit einem Freund ein Weingut, in dem er traditionellen Rheingau-Riesling in modernes Gewand kleiden wollte. Das ging lange gut, bis die beiden aus privaten Gründen getrennte Wege gingen. Klose fing wieder von vorne an und nannte sein neues Weingut ‚werk2‘ – die zweite Version seines Weinwerkes.
Das Geisenheimer werk2 verfügt über einen halben Hektar eigene Weinberge in Hattenheimer Schützenhaus und Hassel, kauft aber mittlerweile auch Trauben zu. So kommt ein klassisches Rheingauer Rieslingsortiment inklusive (exzellentem) Sekt zustande. Bei meiner ersten Begegnung mit den Weinen begeisterte mich vor allem der ‚große‘ trockene 2012er Riesling mit dem schönen Namen ‚dreamweaver‘. Der hielt auch der genaueren Betrachtung zuhause stand:
werk2, Hattenheimer Riesling ‚dreamweaver‘, 2012, Rheingau. Obwohl er noch zu warm war, als ich ihn öffnete, nahm er mich sofort gefangen, und das hat einen Grund: es ist die Pikanz eines klassischen Rheingauers. In der Nase präsentiert er schon klassischen Riesling: schöne Frucht (eher reife Aprikose als Exotik) und ganz leichte, erste Reifenoten. Am Gaumen dann Boskop, Melone, Pistazie, eine eher ‚warme‘ Aromatik, aber weder mollig noch malzig, sondern spürbar mineralisch/phenolisch. Das Mundgefühl ist saftig, pikant, tolles Spiel, eher voll, aber von der Säure schön strukturiert, dabei durchaus ‚deutsch trocken‘ also mit leichtem Zuckerschwänzchen, was mich immer dann nicht stört, wenn die Spritzigkeit stimmt – und die stimmt. Sehr lang, macht süchtig.
‚dreamweaver‘, ‚smalltalk‘, ‚pearl‘ – die Namen der Weine von Kloses werk2 entstammen der Welt seines Haupterwerbs: Klose hat eine IT Beratungsfirma und es sind die Namen von Software, Programmiersprachen etc.. Das ist ziemlich lässig, ebenso wie das moderne Etiketten-Design von werk2 und die diversen Wortspiele: die Ferienwohnung auf dem Klose’schen Hof ist die ‚werkswohnung‘, der Ab-hof-Verkauf der Weine ist der ‚werksverkauf‘ und zu kaufen gibt es entsprechend ‚werksstoff‘. Nebenerwerbswinzer sind keine Amateure, sie sind nur keine hauptberuflichen Kellermeister. Gerade in Sachen Marketing sind einige geschickter als der Durchschnittswinzer, der in achter Generation das Familienwappen auf dem Etikett trägt, obwohl kaum ein Mensch mehr Fraktur lesen kann. Dieses Jahr hat Klose noch ein Kaninchen aus dem Hut gezaubert, das ihm vermutlich in den nächsten Monaten mehr Aufmerksamkeit verschaffen wird, als alle aktuellen Rieslinge zusammen. Er hat einen Sauvignon Blanc auf die Flasche gebracht, der die einzig positive Antwort auf die Frage ‚brauchen wir Sauvignon Blanc aus den nördlichen Anbaugebieten?‘ gibt. Es ist ein 2014er Sauvignon Blanc, der die Typizität des Jahrgangs, der Rebsorte und seiner Herkunft vereint (Klose hat die Trauben in Rheinhessen gekauft und darf den Wein daher nur als Landwein füllen). Das schafft nicht jeder – egal ob haupt- oder nebenberuflich.
werk2, Sauvignon Blanc ‚coldfusion‘, 2014, Deutscher Landwein Rhein. Der Wein braucht derzeit Luft, am besten mehrere Stunden, sonst wirkt er arg Bonbon-bunt. Mit Luft wird er dann in der Nase sehr typisch: Stachelbeere, Johannisbeere, grüne Paprika und (nur sehr wenig) Katzenpisse. Am Gaumen präsentiert er sich, wie ich mir so einen Wein wünsche: Viel Johannisbeere, ein Hauch Zitrus, ein bisschen Paprika, nur wenig Gerbstoff (am zweiten Tag mehr). Mittlerer Körper und nur 11 Prozent Alkohol, viel Frische aber keine beißend unreifen Noten, schnittige Säure und ein Hauch Süße, langer, vom Gerbstoff geprägter Abgang. Sehr balanciert zwischen Ernsthaftigkeit und Schoppen-Trinkfluss.
Den sollten Sie unbedingt mal probieren – nennen Sie es doch werksspionage…