Die Aufgabe von PR ist es, Zusammenhänge, Situationen oder Ereignisse möglichst positiv darzustellen und Themen in den Medien zu platzieren, die ohne PR dort nicht auftauchen würden. Die Aufgabe des Journalismus ist es darauf nicht hereinzufallen. So einfach wäre die Welt, wenn zwischen Schwarz und Weiß nicht noch dieses merkwürdige Grau existierte. Besonders grau wird die Situation, wenn es sich beim Journalismus um solchen zu den Themen Reise, Kochen oder Wein dreht. Denn wo beim politischen Journalismus die Maxime gilt ‚Only bad news are good news‘, der Nutzwert der Berichterstattung also im Aufdecken negativer Tendenzen und dem damit verbundenen Erhalt des Gemeinwohls, der Übernahme der Wächterfunktion und dem Verbraucherschutz liegt, definiert sich Nutzwert bei Genussmagazinen viel profaner: Was sollte man gesehen, gegessen oder getrunken haben und wo kann man dies besonders gut, günstig oder stilvoll tun?
Man stelle sich ein Weinjournal voller Berichte über misslungene Rieslinge, eine Reise-illustrierte mit einer Fotostrecke der skandalösesten Hotelbadezimmer oder einen Hygiene-Report im Feinschmeckermagazin mit dem Titel ‚Die Kakerlakenkatastrophe‘ vor – wer will das lesen, wer würde das kaufen? Nichts gegen gelegentliche Warnungen oder einen wohlgesetzten Verriss, doch gerade beim Wein, der durch und durch Geschmacksache ist, sind Verrisse meiner bescheidenen Erfahrung nach oft durch verletzte Eitelkeit, Neid oder persönliche Ressentiments zwischen Autor und Winzer motiviert, die dem Leser verborgen bleiben. Also schreibe ich im Schnutentunker nur über Weine, die mir gefallen haben und mit denen ich eine Anekdote oder Erkenntnis verbinde, die ich mitteilenswert finde. Dem Investigativen fröne ich nicht. Allerdings vertrete ich auch entschieden die Ansicht, dass man schreiben und veröffentlichen darf, ohne sich Journalist zu nennen oder sein Blog ein Weinmedium.
Nachdem ich und eine Reihe anderer Teilnehmer unsere Reise ins Elsass mit Fotos auf Facebook begleitet hatten, erschien ein für mich befremdlicher Artikel über Blogger bei der VieVinum und Millesimes Alsace beim geschätzten Michael Pleitgen, in dem dieser unter anderem schrieb:
Im Netz hauen überwiegend „Bürger-Reporter“ in die Tasten oder drücken auf den Auslöser. Deren Beiträge sind für kleines Geld zu bekommen: oft reicht eine Einladung – man fühlt sich geehrt, dabei sein zu dürfen. Als Maximal-Investition tut es ein Ticket oder eine Gratis-Übernachtung. Dafür gibt es dann reichlich Coverage – meist in schnelllebigen Kanälen wie Facebook oder Twitter. Inhalte: man freut sich, bekannte Namen und Etiketten wieder zu sehen, gut zu essen und zu trinken, zu feiern oder einfach wichtig zu sein. Alles menschliche, all zu menschliche Eigenschaften, die dort im Hintergrund wirken.
Das machte mich nachdenklich. Schließlich waren nicht besonders viele Blogger bei der Millesimes Alsace, genau genommen nur zwei und einer davon war ich. Ich tendiere bei Kritik dazu, mich erst mal an die eigene Nase zu fassen. Doch als ich weiter las
Trennung von PR / Werbung und Inhalt? So gut wie bei keinem Weinblogger oder Facebook-Autor findet sich ein Hinweis, von wem er unentgeltlich Waren oder Dienstleistungen zur Verfügung gestellt bekommt.
entstand so etwas wie eine Trotzreaktion. Leider mahnt da einer den Verfall der Sitten ab, ohne ein einziges konkretes Beispiel zu nennen, was den Niedergang des Journalismus treffend dokumentiert, freilich auf eine etwas andere Art als vom Autoren beabsichtigt. Gibt es die vom Berliner Weinakademiker behaupteten Verstöße gegen das Gebot der Offenlegung in Weinblogs? Ich bat um ein Beispiel. Ich warte bis heute.
Dass ich im Elsass war und wer das bezahlt hat, schilderte ich bereits im letzten Artikel. Für den zweiten Teil hatte ich ein paar Tipps angekündigt. Solche Auflistungen von kommenden Stars leiten wir Bürger-Reporter meist mit Phrasen wie ‚Es herrscht Aufbruchstimmung‘ oder ‚Das Gebiet erwacht aus dem Dornröschenschlaf‘ ein. Allein, das ist eine Binse. Winzer sind Menschen, Menschen werden alt, gehen in Rente oder sterben. Dann kommt die nächste Generation, übernimmt und macht oftmals Dinge anders. Also ist überall wo Winzer werkeln auch Aufbruch. Im Elsass existieren allerdings viele Nachwuchswinzer, die gar nichts ändern. Das Gebiet könnte innovativer sein. Das ergab ein Rundgang über die Messe, ein investigativer Rundgang sozusagen. Die anschließenden Exkursionen führten zu Innovationstreibern. Das hatte die PR-Agentur eingefädelt. Aber eine Reise zu den Schnarchnasen des Gebietes will keiner machen – und niemand drüber lesen.
Die erste Station war das Weingut Leon Boesch. Die Domaine wird von Sohn Matthieu Boesch und seiner Frau geführt, die Eltern sind noch unterstützend an Bord. Die Boeschs haben sich ganz der Biodynamik verschrieben, ein neues Kelterhaus mit biodynamischem Grundriss gebaut und für dieses eigenhändig Strohtüren geflochten. Die Weine sind von großer Klarheit, straffe Rieslinge und vor allem ausnahmslos trocken. Der Haken an den Boeschs: Sie haben keinen Vertrieb in Deutschland. Das ändert sich hoffentlich bald, denn mit Preisen zwischen 12 und 20 Euro repräsentieren sie das bezahlbare Elsass. Zwei Pinots haben die Boeschs ebenfalls im Programm, einen kräftigen Spätburgunder ohne Holzeinsatz namens ‚Luss‘, der seine kantige Art der Tatsache verdankt, dass er teils mit Rappen vergoren ist und einen ‚Vogel‘ genannten, unfiltriert und ungeschwefelt abgefüllten Spätburgunder der Extraklasse, der vollkommen aus Frucht zu bestehen scheint.
Boesch liefert damit auch die beiden wichtigsten Stichworte, über die der elsassreisende Bürger-Reporter sprechen muss, wenn er einen guten Job machen will: Die aufstrebenden Ausnahmen gruppieren sich um die beiden weltweit trendigen Themen: Umstellung auf Biodynamik – das Elsass hat mit die höchste Dichte an Biodyn-Betrieben und ständig werden es mehr – und Experimente mit ungeschwefelten Weinen – ob Cremant (beispielsweise ein hervorragender Clos Liebenberg Rosé von Valentin Zusslin) oder Spätburgunder (von Clement Lissner oder der Rittersberg von Jean-Paul Schmitt, der eine tolle Kollektion auf der Messe zeigte).
Das zweite besuchte Weingut war die Domaine Barmès-Buecher, ebenfalls ein biodynamischer Betrieb. Parallelen zum Weingut Franzen drängen sich auf, wurde die nächste Generation doch durch den plötzlichen Tod des Winzers in extrem jungen Jahren in die Verantwortung geholt. Mutter Geneviève führte uns durch die Gewölbe und nahm kein Blatt vor den Mund. Das Elsass sei out, Barmès-Buecher habe das Äquivalent von zwei kompletten Jahrgängen im Lager liegen. Man müsse dringend in die Kommunikation investieren. Recht hat sie, denn an der Weinqualität oder den Preisen kann es nicht liegen. Die vollen Lager zu sehen tat mir in der Seele weh, denn wer Wein und das Winzerdasein so lebt, der hätte Erfolg verdient.
16 Weine bekamen wir zu kosten, darunter auch der ein oder andere halbtrockene Grauburgunder, mit dem ich, wie in Teil 1 erwähnt, nichts anfangen kann. Der Start war grandios: ein Zero Dosage Cremant der leckersten Art. Dann kam ein Sylvaner von alten Reben traditioneller Machart, den ich blind vermutlich in Franken verortet hätte und der mit 10 Euro in die Kategorie Schnäppchen fiel. Die Lagenrieslinge Clos Sand (18€) Rosenberg (15€), Leimental (17€) und Grand Cru Steingrubler (25€) unterschieden sich aromatisch und strukturell sehr, zeigten nach Aussage unserer Gastgeberin deutlich ihre Herkunft. Das kann ich nicht beurteilen. Beurteilen kann ich, dass sie ausnahmslos Klasse waren und mit Restzuckerwerten zwischen 2 und 5 Gramm richtig trocken. – vier preiswerte Rieslinge der gehobenen Kategorie. Der Grand Cru Hengst (25€) war kurz gesagt eine Granate, den ich sehr gerne mal blind in eine GG Probe schmuggeln würde. Mit 5,2 Gramm Restzucker und 13,5% Alkohol war das ein opulenter Brummer. In vernünftigen Dosen genossen mag ich das sehr.
Da alle obigen nur in homöopathischen Dosen in mein Glas kamen, verzichte ich auf eine ausführliche Verkostungsnotiz eines der Weine. Stattdessen greife ich auf einen zurück über den wir Bürger-Reporter uns doch so freuen: bekannter Name und bekanntes Etikett. Fünf mal hatte ich ihn während der Reise im Glas, mit und ohne (gutes) Essen und zweimal auch mehr als nur einen Probeschluck.
Zind-Humbrecht, Riesling ‚Clos St. Urbain’, Grand Cru Rangen de Thann, 2012, Elsass, Frankreich. Intensive, süßliche Nase mit viel überreifer Aprikose, etwas Melone und noch einer Spur Hefe. Am Gaumen voll und wuchtig, sehr lebendige Säure, die angenehm mit der Süße der Frucht, des spürbaren Alkohols (14,1%) und knapp 6 Gramm Restzucker spielt. Noten von Malz machen den Wein am Gaumen etwas mollig, der sehr lange, enorm mineralisch/phenolische Abgang wirkt dann aber so speicheltreibend, dass ich Lust auf den nächsten Schluck bekomme. Die Tiefe des Weines ist beeindruckend, die Jugend deutlich – ich bin sicher, dass der Wein in vielen Jahren seine ganze Klasse zeigen wird.
Damit ich das überprüfen kann, bekam ich am Ende der Reise sogar noch eine Flasche davon geschenkt. Ich hoffe, dass ich in zehn Jahren, wenn ich vielleicht an dieser Stelle wieder darüber berichte, nicht vergesse das zu erwähnen.
Sehr geehrter „Schnutentunker“ Bodmann,
auch ich war zur Elsass-Reise eingeladen, konnte aber leider aus Zeitgründen nicht teilnehmen. Schade, wenn ich Ihren Beitrag lese.
Zum Artikel von „Weinakademist“ Michael Pleitgen: Ich habe am 25. Juni 2014 auf seinen Artikel in ähnlicher Weise wie Sie reagiert. (siehe Kommentare). Auch ich warte bis heute auf eine Antwort.