Farbe bekennen ist das Motto der 92. Weinrallye, die heuer von Christin Jordan vom Blog Hauptsache Wein ausgerichtet wird. Bei ihr wird später eine Zusammenfassung erscheinen. Die anderen Beiträge finden Sie auch in der öffentlichen Facebook-Gruppe zur Weinrallye. Farbe bekennen bedeutet für mich sich einmal zu trauen, eine möglicherweise nicht mehrheitsfähige Meinung oder Haltung öffentlich zu machen. Andere Teilnehmer interpretieren es möglicherweise als Bekenntnis zu rotem Wein. Christin hat dankenswerterweise vorgegeben, dass es jeder handhaben möge, wie er mag.
Neulich bekam ich einen Wein geschenkt, von Nachbarn. Für unsereinen klingt sowas ja nach Drohung, aber meine Nachbarn und nicht so vinophilen Freunde haben sich angewöhnt Weingeschenke für mich bei Anja Schröder im Planet Wein zu kaufen und einfach zu sagen, dass der Wein für mich sei. So kommt immer was Gescheites heraus. Doch dieses mal war es anders. Die Nachbarn sind junge Eltern und wie viele Menschen, die ihre Kinder gerne gesund ernähren wollen, aber nicht die Zeit haben sich alles immer ganz genau anzuschauen, kaufen Sie Lebensmittel im Bio-Markt. Aus diesem Bio-Markt stammte auch der Wein mit dem schönen Namen ‚Kopfstand‘ und geschenkt bekam ich ihn, weil er eine so interessante Geschichte auf dem Rückenetikett erzählte. Und die geht so:
Die Weinwelt steht Kopf, die Reben wachsen völlig frei; sie werden im Winter nicht zurück geschnitten. Die Weintrauben danken es mit kleinen, hocharomatischen Beeren. Dies ist eine kleine Revolution und ein ganz großer Schritt zurück zu den Anfängen des Weinbaus.
Darunter stand dann noch ‚Rivaner, Cabernet Blanc aus Versuchsanbau & Riesling‘ sowie zwei Biosiegel. Da meine Nachbarn interessierte Menschen sind, wollten Sie wissen, ob ich davon schon mal gehört hätte und wie ich den Wein fände.
Mich interessierte im Gegenzug brennend, wie sie denn als Otto Normalverbraucher den Text auf dem Rückenetikett verstanden hatten. Sie gaben das Erwartete zu Protokoll: Früher hat man Reben nicht geschnitten, diese neue alte Art Wein zu erzeugen befindet sich noch im Versuchsstadium und das ganze ist eine Revolution in ökologischer Hinsicht beziehungsweise bringt die Natur wieder in Einklang. Zugegeben, bis auf die Geschichte mit dem Rebschnitt steht all das nicht auf dem Etikett, aber machen Sie den Hausfrauentest: zehn von zehn Kandidaten werden genau das denken.
Ein zwei Dinge musste ich erst recherchieren, doch instantan konnte ich ihnen erklären, dass sich der Versuchsanbau nicht auf die Erziehungsart ohne Rebschnitt, sondern auf den Cabernet Blanc bezieht, denn diese Sorte ist eine Neuzüchtung und noch nicht zugelassen, darf mithin nur im Versuchsanbau kultiviert werden. Da wurden die Augen groß und es kam die Frage: ‚Wieso darf man denn noch nicht zugelassene Sorten im Bio-Bereich einsetzen?‘ Habe ich schon erwähnt, dass meine Nachbarn kluge Fragen stellen? Auch wusste ich, dass es sich hier um eine Anlage im Minimalschnitt handeln müsse. Dass der Mensch früher Reben nicht geschnitten hätte, war mir hingegen neu. Aber ich machte mich an die Recherche.
Biblische Verse legen den Schluss nahe, dass bereits in alttestamentarischen Zeiten die Reben geschnitten wurden, aber lassen wir die Bibel mal als Quelle beiseite. Plinius weiß zu berichten, dass Numa ein Gesetz erlassen habe, welches es verbot, den Göttern Wein von ungeschnittenen Reben zu opfern. Auch Numa ist möglicherweise nur eine Sagengestalt, aber Plinius ist real. Wir haben also eine knapp 2000 Jahre alte Quelle, die behauptet, bereits vor 2750 Jahren sei der Rebschnitt üblich gewesen, was mindestens belegt, dass zu Plinius Zeiten Rebkultivierung den Rebschnitt enthielt. Und das ist lediglich das Ergebnis oberflächlicher Recherche. Wahrscheinlich ist, dass mit der Kultivierung der Weinpflanze auch deren Schnitt einherging, dieser somit seit 4000 Jahren an der Tagesordnung ist.
Viel dramatischer war allerdings, was mir Winzer und das Internet über den Minimalschnitt erzählten. Bei dieser relativ neuen Erziehungsform reguliert sich der Ertrag tatsächlich selbst durch kleinere Beeren, jedoch erst im dritten Jahr nach der Umstellung. In den ersten beiden Jahren reduziert der Winzer den Ertrag – allerdings nicht mit der Schere, sondern mit dem Knüppel. Durch den starken Wuchs sind Minimalschnitt-Rebanlagen ausschließlich maschinell bearbeitbar. Den Ertrag reduziert der Winzer dann, indem er mit dem Vollernter vor der Reife durch die Reben fährt und mit starken Schlägen im unteren Bereich der Reben die noch unreifen Trauben zum Abfallen bringt.
Um zum Minimalschnitt zu kommen, schneidet der Winzer die Reben drei Jahre lang konventionell und stellt dann um. Nach zwei Jahren mit oben beschriebener Knüppeltechnik entfällt tatsächlich die gesamte Schneidearbeit. Allerdings muss die Bearbeitung der Reben sowie die Ernte fortan maschinell erfolgen, und wer weiß, wie wenig schonend Vollernter arbeiten, dem vergeht jedwede romantische Verklärung des Minimalschnitts. Bei der Umstellung bestehender Rebanlagen auf Minimalschnitt reduziert der Winzer die Anzahl der Stöcke und rodet jede zweite (kerngesunde) Pflanze. Der Reiz dieser Erziehungsform ist allein finanzieller Natur. Sie wird von den Dienstleistungszentren der Bundesländer nur für einfache und mittlere Qualitäten empfohlen.
Ich traute mich kaum meinen Nachbarn zu erklären, was es wirklich mit dem Kopfstand auf sich hat. Getrunken habe ich ihn natürlich trotzdem.
Lorenz (Abfüller), Kopfstand, Weißweincuvée, 2013, Rheinhessen. Zunächst tat mir der Wein den ‚Gefallen‘ richtig schwach zu sein. Er schmeckte extrem dünn. Aber mit ungefähr 2 Stunden Luft wurde er deutlich besser. Die Duftigkeit des Rivaners, die Fruchtigkeit aber auch der Schmelz des Cabernet Blanc und ein kleiner Kick vom Spritzer Riesling ergeben tatsächlich einen zwar einfachen aber harmonischen Sommerwein. Viele Früchte in der Nase, schöne, leicht schmelzige Struktur am Gaumen, ordentlicher Abgang. Doofes Produkt aber guter Wein.
Die meisten von uns haben den Bezug zu unseren Lebensmitteln verloren und das ist verständlich, denn die Welt wird immer komplizierter. Also haben wir die Überwachung ausgesourcet – leider an Organisationen wie Foodwatch, die von der Empörung leben und an den ‚Schwarm‘ auf Facebook, der für die Empörung lebt. Aber diese Empörung braucht die großen Gegner, die ‚böse Industrie‘. Da stellt einer seinen Weinberg auf 100% Maschine um und beim Verbraucher weckt er den Eindruck, er reaktiviere längst vergessene Techniken der frühen Menschheitsgeschichte und bringe die Natur wieder in Ordnung, was kein Dehnen der Wahrheit, sondern eine glatte Lüge ist. Da schwillt mir der Kamm. Das ist Greenwashing in Reinkultur. Aber keinen regt es auf, denn es ist ja ein Bio-Wein. Bio sind ja die Guten. Stattdessen starten wir einen Shitstorm dagegen, dass die bekanntermaßen seit 40 Jahren nur aus Zucker, Wasser und Aromen bestehende Capri-Sonne jetzt ein eigenes Schwimmabzeichen vergibt.
Wir verblöden!
Da ist ja einiges – sind einige – auf den Kopf gestanden. Du hast mit Deinem Beitrag eine ordentliche Diskussion ausgelöst. Danke. Danke auch, dass Du diese im Rahmen der Weinrallye eingelöst hast. Solche pointierten Meinungen würden uns gut tun, sehr gut. Es wäre schön, wenn Du ab und zu Deine präzisen Beobachtungen und guten Recherchen auch der Rallye zur Verfügung stellen würdest. Und zum Thema: Was und wie unter dem Label „Bio“, „Naturnah“ so alles verkauft wird – und wie – kann ich recht gut beurteilen, da ich in einem „Biodörfli“ lebe, das wir vor bald vierzig Jahren als Pioniersiedlung mit Pionier-Bio-Denkenden (biologisches Bauen) erstellt haben und noch heute da leben, so quasi „bio-like“, obwohl wir längst von den „wahren“ Biomenschen – zumindest verbal – überholt wurden. Herzlich. Peter
Lieber Felix Bodmann,
wenn ich Sie in meinen Kommentaren aufgrund Ihres Artikels persönlich verletzt habe, tut mir das sehr leid und ich möchte mich in aller Form entschuldigen.
Offensichtlich muss ich hier noch etwas mehr an Aufklärungsarbeit leisten, wie gedacht.
Ich werde im Laufe des nächsten Jahres deshalb auf unserer Facebook-Seite https://www.facebook.com/pages/Bioweingut-Lorenz/234560799910612 sehr intensiv unsere Arbeit im Weinberg darstellen und lade Sie ein, sich ein Bild davon zu machen.
Vielleicht werden Sie dann merken, warum ich etwas dünnhäutig auf Ihre Kritik reagiert habe, denn wir suchen den engen Schulterschluss mit der Natur und machen dadurch sehr vieles anders, brechen mit aus meiner Sicht überflüssig gewordenen Weinbautraditonen und stellen vieles auf den Kopf.
Einen schönen Sonntag Ihnen,
Johannes Lorenz
Na das nenne ich jetzt mal eine feine Freitagabendlektüre, vor allem im Hinblick auf den tatsächlichen Gehalt an Wahrheit, Halbwahrheit, gedanklichen Verknüpfungen, Spekulation und gedanklich, wie fachlichen Irrwegen.
Zunächst zu meinem wunderbaren Verschnittpartner Cabernet Blanc. Diese Rebsorte war bis letztes Jahr im sogenannten Versuchsanbau. Was das bedeutet, wurde in den Kommentaren bereits richtig dargestellt. Falsch und wirklich tragisch finde ich allerdings die vom Verfasser als klug dargestellte Frage des Nachbarn, wieso man eine noch nicht zugelassene Sorte im Bio-Bereich einsetzen dürfe. Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen, will meinen, das das eine mit dem anderen rein gar nichts zu tun hat. Der Versuchsanbau einer neuen Rebsorte kann in einem biologisch wirtschaftenden Betrieb durchaus biologisch erfolgen, allerdings hat die Auslobung der Rebsorte Cabernet Blanc auf einem Weinetikett zumindest bis Ende 2014 (ab 2015 kann die Rebsorte ohne den Begleittext auf dem Etikett erscheinen) immer in Verbindung mit dem zugegebenermaßen durchaus irreführenden Begleittext „ aus Versuchsanbau“ zu erfolgen.
Das eine Maschine wie der Weinvollerneter allerdings als „Knüppeltechnig“ und wenig schonend dargestellt wird bläst genau in die gleiche oben beschriebene Richtung. Im Übringen macht es auch in meinen Augen wenig Sinn, jede zweite (kerngesunde) Rebe zu roden. Deshalb erfreuen sich diese Rebstöcke nach wie vor bester Gesundheit. Dies aber als allgemein üblich in den Raum zu stellen…
Ausschlaggebend für den unterlassenen händischen Rebschnitt waren für mich die im Vergleich wesentlich kleineren Traubenbeeren, die mich geschmacklich voll und ganz überzeugen konnten. Das das manchem Winzerkollegen nicht schmeckt, tja, wie soll ich sagen? Ich sags besser nicht…
Entscheident für den Geschmack der Traube und des späteren Weines sind die wertgebenden Weininhaltsstoffe und die Aromen, die während des Jahres Tag für Tag in jeder Beere gebildet und gespeichert werden. Diese werden zu über 90 % (hier gibt es von Rebsorte zu Rebsorte leichte Unterschiede) in den Beerenschalen gespeichert. Das Verhältnis von Fruchtschale zu Fruchtfleisch ist bei kleinen Beeren wesentlich interessanter, und geschmacklich wahrnehmbar, als dicke, mit Wasser gefüllte Beeren. Deswegen will ich, wie die meisten Winzer eben jene kleinen Beeren. Denn nur so kann man anschließend etwas spannendes in Füllen.
Wenig schlüssig finde ich allerdings auch die (vorsichtige) Argumentation der DLR-Mitarbeiter, die von mir praktizierte Erziehungsform eigene sich nur für einfache und mittlere Qualitäten. Immerhin gilt nach wie vor die Maxime, dass der Ertrag die Qualität zumindest grundlegend bestimmt.
Mein lieber Schnutentunker, ein Produkt nur deswegen als doof zu bezeichnen, weil man einige Zusammenhänge nicht richtig kombinieren, geschweige denn gescheit rezitieren kann, ist ziemlich geschmacklos. Ich frage mich die ganze Zeit, ob ich jemanden wie Dich auf meinem Betreib willkommen heißen will, um zu zeigen, was wir in unseren Weinbergen machen und was nicht. Irgendwo habe ich allerdings das Gefühl, dass hier Hopfen und Malz verloren ist, schaue ich mir den von Vorurteilen zum platzen gefüllten finalen letzte Absatz an.
Ich gönne mir jetzt einen schönen Abend und trinke ein Glas vom neuen 2015er,
Johannes Lorenz
Lieber Johannes Lorenz, viele Worte aber where is the beef? Wenn Du einen Kommentar mit dem Vorwurf von Halbwahrheiten sowie gedanklichen und fachlichen Irrwegen beginnst, dann bleiben Dir zwei Möglichkeiten. Die erste: eine simple Auflistung von Tatsachenbehauptungen meinerseits, denen Du seriöse Quellen oder belegbare Fakten Deinerseits gegenüber stellst, die mein unterstelltes Fehlverhalten dokumentieren. Die zweite: eine Menge allgemeines Gerede und Polemik. Da ich ja eigentlich wenig behauptet, sondern vielmehr Quellen wie das DLR zusammengefasst (und die Quelle gleich verlinkt) habe, hast Du Dich für Variante 2 entschieden. Da kann und will ich dann nichts entgegnen. Aber wo wir hier gerade sprechen: Mein Artikel handelt ja eigentlich nicht vom Minimalschnitt, sondern von den Behauptungen auf dem Rückenetikett Deines Weines. Wollen wir nicht darüber noch mal reden? Vielleicht so eine kleine Quelle Deinerseits, die den Schluss nahelegt, der Minimalschnitt sei eine uralte menschliche Weinkultivierungstechnik (oder geeignet besonders hochwertige Weine hervorzubringen)?
Lieber Schnutentunker,
ich habe überhaupt kein Problem mit Kritik, sei es positive oder negative. Ernst gemeinte negative schätze ich sogar über alles.
Problematisch wird es allerdings wenn man im öffentlichen Raum Dinge in den Welt setzt, die nach gründlicher Reflexion, sei es im allgemeinen oder im Einzelfall schlichtweg nicht zutreffen.
Einen Traubenvollernter der neuesten Generation ersetzt die beste Lesemannschaft, wenn der Weinberg perfekt vorbereitet wurde, bspw. durch eine Negativselektion der nicht ganz optimalen Trauben. Früher war das anders, das Wissen und die Technik war nicht so weit. Die Vollreifer waren wirklich sehr strapaziös. Das alles ist aber mehr als 10/15 Jahre her. Schau Dir so ein Gerät mal an. Glaube mir, Du wirst überrascht sein.
Der von Dir aufgegriffenen Kopfstand hat nicht den Anspruch, ein großes Gewächs zu sein.
Dann, glaube mir, hätte ich ein der gesamten Weinbereitung einiges falsch gemacht.
Der Wein soll schmecken und Freude bereiten und dazu auch noch bezahlbar sein. Mehr nicht.
Umso spannender finde ich die Tatsache, dass der von Dir beschrieben Wein aus dem Jahrgang 2013 (welcher Händler führt denn noch einen 2013er?) noch immer Zeit und Zukunft hat, auch wenn er stilistisch nicht für ein langes Lebensfinale gedacht ist. Die Frucht ist noch immer präsent. Bei vielen anderen deutschen Weißweinen im gleichen VK-Bereich ist das leider nicht immer so.
Im Weinbau haben wir es seit vielen Jahren mit vielen Problemen zu tun, die gerade durch den Rebschnitt verursacht werden. Esca nur mal so als Beispiel.
Unbestritten ist es, dass die Reben seit langer Zeit kultiviert werden, ähnlich wie die Obstbäume. Mit dem Ziel, im nächsten Jahr optisch schöne, reife Trauben mit einem ordentlichen Ertrag zu liefern.
Umso spannender ist doch, wenn wir jetzt mit dieser Jahrtausende alte Tradition brechen und trotzdem guten Wein erzeugen. Seit langer Zeit wird diese Rebe jeden Winter zurechtgestutzt, es entstehen zum Teil große Wunden. Ist das spannend? Ich finde nicht. Sieht man doch anhand neuester Untersuchungsmethoden, dass durch die Wunden allerhand unerwünschtes in die Rebe eindringt.
Wie die Winzer vor 2000, 3000 oder mehr Jahren mit ihren Reben umgingen kann heutzutage sicherlich keiner mehr exakt im Detail wiedergeben, derart intensiv wie heute war der Weinbau aber sicherlich nicht. Aber das wäre ein anderes Thema. Ursprünglich war die Rebe nicht durch den Willen des Menschen gebeutelt und lebte frei in der damals noch intakten Umwelt.
So far,
Johannes Lorenz
Lieber Johannes Lorenz,
der Vollernter ist doch eine Petitesse. Das ist kein Artikel über Minimalschnitt. Das ist ein Artikel über einen Winzer, der einen Weinberg auf 100% Maschinenarbeit umstellt und dann auf sein Etikett einen Text druckt, der nur eine Absicht hat: beim Verbraucher den Eindruck zu erwecken, es handele sich um ein handwerkliches Produkt, denn egal wie vor 2000 oder 3000 Jahren Wein erzeugt wurde – auf jeden Fall nicht mit Maschinen. Meine Ausführungen zum Minimalschnitt, die wohl doch nicht von Halbwissen und gedanklichen Irrwegen durchsetzt sind, dienen lediglich der Erläuterung für Otto Normalverbraucher, damit dieser die Schere zwischen Etikett und Wirklichkeit vernünftig einschätzen kann. Dass Du versuchst, die Diskussion auf technische Details zu lenken, ist zwar eine kluge Reaktion, ändert aber nichts an der Tatsache, dass dieses Etikett an Dreistigkeit kaum zu überbieten ist.
Best
Felix Bodmann
Ganz so schlimm ist das aber auch nicht. Es gibt ein paar Dinge auf die ich hinweisen will: Cabernet blanc ist eine Piwi Sorte, die man weniger oft mit Pflanzenschutzmitteln behandeln muss. Das ist doch schonmal ganz gut. Schade, dass das nicht auf dem Etikett steht. Ich vermute mal, dass Deine schlauen Nachbarn fragen würden wie das denn mit Riesling und Rivaner ist, ob die denn dann gespritzt werden :-). Dass eine Sorte erstmal eine Zeit lang im Versuchsanbau gepflanzt wird heißt nicht, dass sie potenziell giftig ist oder sowas. Es wird eigentlich nur die „Anbauwürdigkeit“ getestet … also ob die Sorte überhaupt reif wird, ob ein „sinnvoller“ Ertrag auf Dauer möglich ist und ob sie den hiesigen Witterungsverhältnissen Stand hält etc. Also auch halb so wild. Schmunzeln musste bei der Behauptung, dass Reben schon immer geschnitten wurden … Als Menschen noch Jäger und Sammler waren, wurden sie bestimmt nicht geschnitten …. aber – Klugscheissmodus aus – ich verstehe auch nicht den Sinn mit einer Minimalschnittanlage Werbung zu betreiben. Übrigens muss auch so eine Anlage geschnitten werden. Allerdings darf das nur in der vegetationsfreien Zeit (Winter) geschehen, da die „Selbstregulierung“ des Ertrages sonst nicht funktioniert. Es wird im Grunde das alte Holz, was unten auf den Boden hängt abgeschnitten, so dass die „Buschform“ erhalten bleibt und man noch zwischen den Reihen durchfahren kann. A pro pos: Es wird nur rein rechnerisch jeder zweite Stock entfernt, denn eine Minimalschnittanlage braucht viel Platz (wegen der buschigen Reihen) und wenn man einen alten Weinberg umstellt, rodet man einfach jede zweite Reihe um überhaupt noch durchfahren zu können. Natürlich will ich noch ein gutes Wort für den Vollernter einlegen. Die sind heutzutage so schonend, das glaubt man garnicht. Viel schmlimmer für bzw gegen die Traubenqualität ist meistens der Transport der Trauben nach dem Ernten (pumpen, nochmal pumpen, zu stark mahlen, bis auf den letzten Tropfen ausquetschen und andere Grausamkeiten schaden dem späteren Wein viel mehr als eine Vollernterlese (bei der man vorher die „schlechetn“ Trauben ausgeschnitten hat)). Und ganz zum Schluss noch ein Hinweis auf das Weingut Odinstal, die haben nämlich einen Wein aus einer Minimalschnittanlage, bei dem die Trauben von Hand geerntet werden und auch kein „Ausdünnen“ per Maschine stattfindet. Mir fällt nur gerade nicht ein welcher. Eine Minimlaschnittanlage ist – so glaube ich – per se nichts schlechtes. Mir persönlich immernoch lieber als ein Gammelwein aus Gammeltrauben aus einer „normalen“ Erziehung. Dass aus einer „normalen“ Minimlaschnittanlage niemals ein Premiumwein entstehen kann, darüber ist sich die Weinwelt aber ziemlich einig. Viele Grüße und weiter so, ich lese gerne hier mit!
Danke für den ausführlichen Kommentar. Das mit dem PiWi habe ich bewusst nicht thematisiert, auch das Thema Abfüller, Müller Thurgau etc. Man muss ein bisschen auf die Länge achten. PiWi heißt ja auch nur Pilz, konkret Pero und Oidium. Im Versuchsanbau wird dann herausgefunden, ob es evtl. erhöhte Anfälligkeiten auf was anderes gibt, zum Beispiel Botrytis. Beim Johanniter hat sich zum Beispiel herausgestellt, dass Du einerseits weniger Fungizide brauchst, im Herbst aber an manchen Standorten mehr Botrytizide. Dazu kommt, dass der Minimalschnitt eine Reifeverzögerung bewirkt, die u.U. einen zusätzlichen Spritzdurchgang nötig macht. Dieses Weinblog ist sicher nicht die ideale Platform, um diese Diskussion zu vertiefen.
Da steht nicht, dass Reben schon immer geschnitten wurden, sondern seitdem der Mensch sie kultiviert. In der Menschheitsgeschichte endet die Zeit der Jäger und Sammler mit dem Beginn der Kultivierung von Nahrungspflanzen. Da hast Du ein bisschen schnell gelesen. 😉
Was den Winterschnitt angeht, sagt sowohl der Winzer als auch das verlinkte Dokument des DLR RP etwas anderes. Hast Du eine Quelle?
Eine Minimalschnittanlage ist per se nichts schlechtes und ich hoffe, dass im Text nicht der Eindruck entsteht, dass das meine Meinung sei. Eine Minimalschnittanlage ist eine für einfache und mittlere Qualitäten geeignete Erziehungsmethode, die vor allem der Ertragsoptimierung dient, allerdings der des finanziellen Ertrags. Sie ist aber eben definitv keine ‚Zurück-zur-Natur’-Maßnahme.
Und Odinstal, ja, klar. Man findet natürlich immer irgendwo Leute, die nicht die Extrameile gehen, sondern gleich hundert Extrameilen. Im Elsass bin ich auch einem Winzer begegnet, der Nullschnitt mit reiner Handarbeit verbindet. Aber das macht man dann in alten Rieslinganlagen, die schon altersbedingt niedrigste Erträge bringen, nicht in einer neuen Cabernet-Blanc-Anlage.
Es laß sich für mich zwischendruch etwas hart. Aber im Grundtenor ist es wirklich ärgerlich, wenn der Minimalschnitt als „zurück zur Natur“ verkauft wird. Aber warum passiert so etwas? Weil man wohl zu jedem Wein ein „Geschichtchen“ braucht um ihn besser zu verkaufen. Das nimmt dann auch solche seltsamen Forman an (leider!). Die Minimalschnittanlagen die ich kenne (hier in der Pfalz) werden im Winter immer zurückgeschnitten … Im Querschnitt sehen die aus wie ein Eis am Stiel (ein BumBum). Aber die Triebe hängen ja in der Pampa herum und irgendwann hängen sie auf dem Boden. Man könnte jetzt das alles per Hand nach oben „wickeln“ oder mit einem umgebauten Laubschneider unten einkürzen. Das ist dann ein Messerbalken, der unten schräg in Richtung des Rebstammes zeigt und das gefranzel kürzt. Das ist aber auch schon alles was geschnitten wird. Aber ob sich das großflächig durchsetzen wird? In kühlen Jahren (10,13), sogar in 2014 war es wirklich schwer (fast unmöglich) die Trauben reif zu bekommen. Da gibt man einfach zuviel Kontrolle darüber ab. Zumindest bei uns in D. wo es eher kühl ist.
Lieber Felix, bevor hier der Eindruck entsteht, mein Text sei an dieser Stelle unrichtig oder halbrichtig: Beim Minimalschnitt entfällt der Winterschnitt. Die Anlagen, die Du beobachtest sind offensichtlich keine Minimalschnittanlagen, wenn sie im Winter geschnitten werden und Deine Anmerkung, die Selbstregulierung des Ertrags funktioniere nur über einen Winterschnitt ist nicht korrekt.
Ach ja, was ich noch sagen wollte: Danke für die Recherche!
Ich glaube, in diesem Fall regt es keinen auf, weil es keiner verstanden hat. Das ist ja schon clever formuliert. Und ich finde auch nicht, dass Bio immer als die Guten wahrgenommen werden, auch wenn viel dafür getan wird, dass es so ist. Das wir uns gegen die Großen mehr empören als gegen die Kleinen finde ich auch nachvollziehbar. Das, was die Großen anrichten hat halt stärkere Auswirkungen und abgesehen davon, funktioniert unser System halt auch nur so: Große Kamapgnen kann man nur gegen große Gegner starten.
Jein, die Kampagnen von Foodwatch finde ich teils arg inszeniert. Schwimmabzeichen von Capri-Sonne? Actimels Heilversprechen (und dann haben sie noch vor Gericht verloren)? Das sind keine wirklichen Probleme. Die ‚großen Kampagnen‘ sind eigentlich sehr kleine Kampagnen.
Wir verblöden wirklich, aber nichts hält uns – in der etwas breiteren Masse – auf. Sehr interessanter Text übrigens.