Als ich vor kurzem schrieb, dass es mir einerlei sei, wie ein Winzer seinen Wein vergärt, ob spontan oder mit selektierten Hefen, ging es allein um meine Präferenzen. Ich bin nicht der Meinung, dass es keinen Unterschied macht. Meine geschmacklichen Vorlieben tendieren nur nicht in eine Richtung. Beide Weinstile sind in meinem Keller gleichberechtigt vertreten und machen mir Freude.
Nicht allen Weinen merkt man Ihre Entstehung auf den ersten Schluck an, etliche Spontis kommen ohne Stinker und mit spritziger Zitrus-Fruchtigkeit daher, wie ich sie eher von Reinzuchtrieslingen gewohnt bin. Auch Malz, Karamell, Aprikose oder ein mineralisches Mundgefühl identifizieren nicht zwangsweise die Entstehungsgeschichte. Ich maße mir daher nicht an, unter allen Umständen einen ‚Sponti‘ zu erkennen, wenn er mir begegnet.
Einen Typ Wein meine ich bisher aber vor allem (vielleicht auch ausschließlich) unter den Rieslingen gefunden zu haben, die mit weinbergseigenen Hefen spontan vergoren wurden. Den geizigen Monolithen, wie ich ihn mal nennen will. Dieser ist fast immer trocken und kommt bei allen Qualitätsstufen vor. Er zeichnet sich dadurch aus, dass er reichlich Zeit braucht, bis er ‚einfach‘ zu trinken ist. In seiner Jugend ist der geizige Monolith genau das: geizig mit Aromen und monolithisch im Auftreten. Er ist also nicht flach oder dünn, sondern zeigt eine geschlossene Festigkeit am Gaumen – mehr aber auch nicht (präzisere Formulierungen suche ich seit Jahren).
Winzer wie Molitor, Kühn oder die Lochs vom Weinhof Herrenberg sind bekannte Produzenten solcher Weine. Eine trockene Auslese aus der Zeltinger Sonnenuhr mag ich zwar allein und zu Studienzwecken auch mal im zarten Alter von zwei Jahren antesten, einem Gelegenheitsweintrinker würde ich sie aber nicht zumuten wollen. Die genannten Produzenten sind für diesen Weinstil nicht nur bekannt, sondern auch geliebt. Wer sich in einem Forum oder Blog über die mangelnde Fruchtigkeit und den stockenden Trinkfluss ihrer Erzeugnisse beschwert, kann sich vor Kommentaren bald nicht retten, die alle dem Konsumenten die Schuld geben (‚So was trinkt man ja auch nicht so jung‘; ‚Der braucht Zeit‘; ‚Den musst Du belüften‘).
Durch Zufall begegnete mir letztes Jahr ein Wein des eher unbekannten Weinguts Lothar Kettern aus Piesport, der den Weinen genannter Erzeuger stilistisch ähnelt. Der Most wurde ohne Vorklärung und -behandlung sich selbst überlassen. Das Ergebnis fand ich interessant und ich legte mir 6 Flaschen in den Keller. Nun teste ich jedes Jahr eine Flasche, wie sich der Wein denn so entwickelt. Mit viel Luft kam heuer schon sehr Brauchbares. Dass sich ein eher unbekannter Winzer einen Gefallen mit der Erzeugung eines geizigen Monolithen macht, bezweifle ich. Eine normale trockene Spätlese von der Mosel von einem Feld-Wald-und-Wiesen-Erzeuger belüftet schließlich kaum jemand länger. Und nur für kurze Zeit nach ein paar Stunden am ersten sowie ab dem fünften Tag war der Wein ein Trinkspaß. Parallel dazu trank ich einen 2009er ‚Mineral‘ von Emrich-Schönleber, der sehr viel zugänglicher war. Der Vergleich zeigte auch das Potential des Kettern. Er wirkt sehr viel dichter als der alles andere als dünne Schönleber.
Lothar Kettern, Piesporter Goldtröpfchen, Riesling Spätlese trocken, 2009, Mosel. In der Nase zeigt sich nach dem Öffnen vor allem Hefe, nach einigen Stunden etwas tropische Frucht, Mango, Banane, die nach weiteren Stunden von Grapefruit abgelöst wird. Nach mehreren Tagen erscheint eine ziemlich typische leicht cremige Rieslingnase auch mit Aprikose und Aloe Vera. Am Gaumen ist der Riesling erst sehr karg, ehe er nach einigen Stunden etwas fruchtiger erscheint, dazu kräftige aber nicht zu stramme Säure, viel Mineralik sowie etwas Gerbstoff; nach etlichen Stunden übernimmt die Grapefruit. Der Wein ist fest und vielschichtig aber noch etwas anstrengend. 12,5% Alkohol sind zu jeder Zeit unauffällig, das Geschmacksbild immer stramm trocken. Am fünften Tag zeigt sich auch am Gaumen süße Frucht, etwas Malz, das Mundgefühl wird cremiger und der Wein runder. Der lange Abgang leidet zu jeder Zeit etwas unter den austrocknenden Gerbstoffen. Jetzt ein sehr guter Wein, der mir viel Potential zu haben scheint.