Würzburg Franken

Weltpokalsiegerbesieger

Mein Juroren-Einsatz beim fränkischen Weinwettbewerb Best of Gold brachte mich in eine einmalige Lage: Ich konnte alle Jury-Entscheidungen, an denen ich nicht beteiligt war, am Abend unter quasi gleichen Bedingungen nachvollziehen, denn im Anschluss an die Siegerehrung gab es die drei Bestplatzierten jeder Kategorie in der freien Verkostung, sogar in den gleichen Räumen, in denen am Tage die Jury getagt hatte. Und es gab dieses eine Urteil, dass nachzuvollziehen mich brennend interessierte: Spätburgunder. Ich schreibe bewusst nachvollziehen und nicht überprüfen, denn ich bin der Meinung, dass ein Jury-Urteil in jedem Fall präziser als eine Einzelmeinung ist. 

Das Ergebnis beim Spätburgunder war spektakulär, die ‚Spätlese im Barrique gereift‘ aus dem Hause Popp verweist den Hundsrück von Fürst auf den zweiten Platz. Als ich das twitterte/instagramte kam sofort die naheliegenden Frage, ob der Popp denn gefälliger und die Jury dem Hundsrück vielleicht geschmacklich nicht so zugeneigt gewesen wäre. Das ist ein gängiges Vorurteil: je größer die Jury, desto mehr Chancen hat der Mainstream, oder Alternativ: desto größer die Chancen für vordergründig beeindruckende ‚Verkostungsweine‘. Das sind solche, die auf den ersten Schluck alles zeigen, schnell beeindrucken, bei Konsum von mehr als einem halben Glas (was im Wettbewerb nicht vorkommt) satt machen und mangels Trinkfluss gar nicht wirklich großartig sind.

Fürst Hundsrück GGMeine Erfahrung aus einigen Gruppenverkostungen ist, dass Verkostungsweine vor allem bei Weißweinen aus dem Holz sowie bei Rotweinen aus internationalen Rebsorten erfolgreich sind. Bei Riesling und Spätburgunder halte ich sie für ein ganz seltenes Phänomen. Da ich mich das Siegertreppchen hinauf probierte, stand vor der Begegnung mit dem Popp für mich schon fest, dass der Hundsrück sich vor allem selbst geschlagen hatte. In meiner Exceltabelle mit den Eindrücken aus der letztjährigen Wiesbadener Vorpremiere ist das Fürst’sche GG als einer von wenigen Kandidaten mit einer ‚Eins mit Sternchen‘ markiert. In der Kurznotiz steht unter anderem ‚Gänsehaut‘. Davon war an diesem Abend in Würzburg nichts zu spüren. Der Hundsrück war aber nicht einfach nur aromatisch verschlossen, ich fand auch, dass er seine unglaublich filigrane Struktur bestens verbarg. Ich zog innerlich den Hut vor der Jury, die in diesem undefinierbar verschlossenen Wein das Potential erkannt hatte, das ihn auf Platz zwei brachte. In meinem Urteil hätte der Fürst in dieser Verfassung vermutlich nicht mal das Finale erreicht.

Popp Spätburgunder – so sehen Sieger aus

Als ich dann den Popp probierte, dachte ich spontan ‚Hui, der ist aber ganz schön gut‘. Eine Dame neben mir fing an zu kichern und sagte: ‚Stimmt‘. Es dauerte eine Weile, bis mir klar wurde, dass ich nicht gedacht, sondern laut vor mich hin geredet hatte, so überrascht war ich von meinem ersten Schluck Popp. Ich trank im Verlauf des Abends ein ganzes Glas und probierte später den Hundsrück noch aus einer Konterflasche. Der Fürst wurde nicht besser, der Popp zeigte irgendwann ein bisschen zu viel Holz und Vanille. Also fragte ich den Winzer, ob er mir ein Kostmuster schicken würde, was dieser freundlicherweise tat.

Popp Spätburgunder R BarriqueErnst Popp, Spätburgunder -R-, Spätlese ‚im Barrique gereift‘, Franken, 2013. Über fünf Tage habe ich ihn probiert (sieben Tage waren geplant). Frisch aus der Flasche ein voller Rotwein mit Kraft und Holz, das aber nicht aufdringlich wirkt. Mit viel Luft dann etwas zu viel Holz, der Wein driftet ins süßlich-vanillige ab, verändert sich dann aber wieder zum besseren. Am fünften Tag großartig: ganz klassisch ‚deutsche‘ Nase mit Beerenkompott, Röstnoten und etwas Holz. Am Gaumen einerseits voll, im Abgang aber deutlich von einer feinen Säure strukturiert; ein bisschen cremig, Kirsche und Pflaume, Graphit, Lavendel, der Alkohol spürbar aber im Rahmen – speicheltreibend, hat den Wow-Faktor. Sehr langer Abgang. Das wird jetzt ausgetrunken!

Zu meinen schönsten Sporterlebnissen gehört der Besuch des Millerntorstadions bei jenem Spiel am 6. Februar 2002, in dem der FC St. Pauli Bayern München besiegte und zum ‚Weltpokalsiegerbesieger’ wurde. Niemand glaubte an jenem Abend, dass Ottmar Hitzfeld ein schlechter Trainer wäre oder Stefan Effenberg das Fußballspielen verlernt hätte. Auch war allen klar, dass eine Wiederholung des Spiels an jedem beliebigen Tag der näheren Zukunft wohl einen anderen Sieger hervorgebracht hätte. Aber es galt auch anzuerkennen, dass bei den Braunweißen alles gepasst und alle übermenschliches geleistet hatten. Trotzdem hatte Pauli nicht die Ausstrahlung und auch nicht den Spielstil der Bayern an den Tag gelegt. Irgendwie erinnerte mich mein Langzeittest an jenen Abend. Der Popp ist ein ausgezeichneter Spätburgunder, der derzeit definitiv ein größeres Vergnügen bereitet als der Fürst. Das wird sich aber ändern, wenn der Hundsrück sein Champions-League-Niveau wieder erreicht. Das zeigt der Popp ansatzweise an einem von 5 Tagen, was aber für diese Lage, diesen Winzer und diesen Preis (20 Euro) eine herausragende Leistung ist, die zu recht mit einer wichtigen Auszeichnung belohnt wurde.

Einen Unterschied zu Pauli gilt es herauszustreichen: Die Hamburger stiegen am Ende der Saison ab, die mitgeschickten weiteren Weine, zuvorderst die trockene Riesling Spätlese und der im Holzfass und teils auf der Maische vergorene Silvaner, zeigen deutlich, dass Popp ein Aufsteiger ist.

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