Wenn man in seiner eigenen kleinen Welt gefangen ist, sind Blicke über den Tellerrand äußerst erfrischend. Dabei finde ich es gleichgültig, ob die neue Perspektive durch ebenso verrückte Weinfreunde oder totale Laien ins Spiel gebracht wird.
In meiner Welt steht Frankreich für das Noble und Italien für die Breite (lassen wir Deutschland und Spanien mal für einen Moment beiseite). Hätte ich 5€ Budget und die Aufgabe einen roten Essensbegleiter zu besorgen, führte mich mein Weg beim Händler zum Italien-Regal, wären es 30 €, erfragte ich den Standort der Franzosen.
Ich hatte zum Gänse-Essen geladen und die liebe Verwandtschaft zu Besuch, keine Weinkenner, aber ein paar Gelegenheitsweintrinker und alles Menschen, die gutes Essen schätzen. Zwei Weine standen als Tischweine zur Auswahl, ein Bordeaux und ein Brunello. Da die Kenntnisse meiner Gäste nicht so weit reichen, kündigte ich lediglich einen ‚Franzosen‘ und einen ‚Italiener‘ an. Es hat mich schon erstaunt, dass unbesehen und ohne weitere Rückfrage ausschließlich nach dem Italiener verlangt wurde. So viel zum Image des französischen Weines bei Ottonormalverbraucher. Auf mein Nachfragen erhielt ich zur Antwort, französische Weine seien oftmals ‚irgendwie sperrig‘. Nachdem der Brunello leer war, probierten einige der Anwesenden noch den Bordeaux, nur um sich bestätigt zu fühlen, dass französische Weine ‚irgendwie sperrig‘ sind. Ich hatte beide Weine probiert und mich (um den anderen mehr zu lassen) für den Franzosen entschieden. Denn eigentlich hätte ich auch lieber den samtig-fruchtigen Brunello getrunken.
Und nun habe ich es wohl spannend genug gemacht, hier also die Auflösung. Es handelte sich um einen 1999er Chateau Pontet-Canet, Pauillac 5éme Cru Classé, der mit mäßiger Frucht (rote Beeren), mittlerem Körper, Leder und Zeder in der Nase und gut integriertem Alkohol ein mehr als ordentliches Bild abgab. Vom Mundgefühl und Druck am Gaumen eher auf der eleganten Seite angesiedelt, verfügt er auch über recht hartes Tannin und ein etwas austrocknendes Finish. Nach einigen Stunden trat etwas mehr Frucht zutage, ohne dass der Wein mit seinem Konkurrenten hätte gleichziehen können.
Dieser war ein Castello Banfi, Brunello di Montalcino DOCG, 1999, Toskana. Ein wundervoller Sangiovese mit viel Kirsche, der gaaanz viel Frucht mit Röstaromen und leicht ätherischen Noten vermählt. Diesem wuchtigen Aromenkanon verleiht eine rassige Säure die nötige Struktur und Ernsthaftigkeit (also nix da mit süßfruchtiger Konsenskitsch für die buckelige Verwandtschaft). Der Abgang ist standesgemäß lang und harmonisch.
Dagegen wirkte der Franzose… ähm, naja …irgendwie sperrig.
..und das, obwohl – ganz im Gegensatz zum Absatzland Österreich – sich die verkaufte Menge von italienischem und französischen Wein in D annähernd die Wage hält..
Verkehrte Welt 😉