Robert Wurm hat das Weingut Ottes übernommen, diese Information dürfte Ihnen in den nächsten Tagen noch öfter begegnen. Auch dass Wurm in einem früheren Leben Manager war, dass er eine innige Beziehung zu Korea pflegt, dem Kendo-Sport verfallen ist, sein Etikettendesign diesem Rechnung trägt und er die Hoffnung hat mit seinen Weinen in deutschen Großstädten und in Korea Fuß zu fassen. Wurm hat seinen Einstieg in die Weinwelt sauber geplant, also hat er eine PR-Agentur eingeschaltet und weil die ihr Handwerk versteht, erzählt sie eine Geschichte, obige Geschichte, genau die Art Geschichte, die Sie gelegentlich im Schnutentunker lesen.
Weil die Agentur ihr Handwerk versteht, streut sie die Geschichte aber und trägt sie zu möglichst vielen Medien. Das ist gut für Robert Wurm, andererseits wird sie damit für mich uninteressant, denn der Schnutentunker ist ein Weinblog, keine News-Seite und er dreht sich um meine eher persönlichen Anekdoten, nicht die von Spin-Doktoren, egal wie gut die sind.
Es gibt nur ein Problem: Die Weine sind so gut.
Diese Weine kann ich nicht unter den Tisch fallen lassen. Das weiß ich, weil ich mit Wurm und seinem – ebenfalls sehr netten – Spin-Doktor essen war. Keine dicke Einladung, ein Salat zur Mittagszeit, aber sieben Weine zur Probe und sechs sind großartig. (Handeln wir kurz den nicht so großartigen ab: Der Rosé aus Cabernet und Pinot ist nicht meiner, weil ich finde, dass der Cabernet etwas Laktisches beisteuert, was ich nicht mag. Aber das ist Geschmacksache, Frucht, Säure und Struktur sind ansonsten sehr schön.)
Zunächst sprechen wir über Wurm und seinen Traum vom eigenen Weingut. Die Korea-Geschichte erwähnt er nur am Rande, den Kendo-Sport gar nicht, er redet lieber über Wein und seine Ambitionen als Weingutsbesitzer. Winzer nennet er sich nicht, hat Respekt vor dem Beruf und tut nicht so, als reiche es, ein Weingut zu kaufen, um Winzer zu sein. Er arbeitet mit im Weinberg, hat aber ein Team für die 8 Hektar, das er von den Ottes’ übernommen hat. Und er hat Peter Barth als Kellermeister geholt. Wurm hat eine klare Vorstellung, wie Weine schmecken sollen, die seinen Namen tragen, aber Barth setzt es im Keller um. Wir probieren die Weine.
Den Anfang macht der ‚Seoulful Summerwine‘, ein leichter Durstlöscher, eine Cuvée aus Müller-Thurgau und Silvaner, die das Beste beider Rebsorten vereint und viel Trinkfluss bietet, was gefährlich ist, weil sie mit 12 % etwas mehr Alkohol mitbringt als ich bei einem leckeren Zechzischer vermuten würde. Man schmeckt den Alkohol nicht, aber perfekt wäre der Wein mit etwas weniger.
Als Wurm seine beiden Ortsrieslinge zeigt, stellt er mir die Frage, was ich denn glaubte, wie sich sein Riesling ‚trocken‘ vom Riesling ‚trocken +‘ unterscheide. ‚Der Plus wird vermutlich mehr Zucker haben?‘ schließe ich. Wurm schaut bedröppelt, der Spin-Doktor grinst. Ups, Mienenfeld. Der Plus ist besonders trocken, das Missverständnis programmiert, meint der Doktor, und ich glaube, er hat recht. Aber das wird die Frage, ob das Weingut Wurm ein Erfolg wird, nicht entscheiden. Die Weinqualität schon eher. Die ist bei beiden tadellos.
Robert Wurm (auf dem Rückenetikett noch Weingut Ottes), Lorcher Riesling trocken, 2015, Rheingau. In der Nase Grapefruit und Zitronenmelisse, am Gaumen viel Frucht: grüner Apfel, Banane und Litschi, kantige Säure, eher zitrisch. Das ganze wird fein vom Retzucker gepuffert. Im langen Abgang auch leicht mineralisch.
Bei dieser Art Riesling erfreue ich mich immer am Spiel, manchmal wird’s mir aber nach einem Glas zu süß. Doch dafür gibt es eine Alternative.
Robert Wurm, Lorcher Riesling ‚trocken +’, 2015, Rheingau. Er wolle nicht einfach den gleichen Wein nur mit weniger Zucker machen, erklärt Wurm und das merkt man. In der Nase zwar auch Grapefruit, aber reifer, dazu Aprikose. Am Gaumen nicht einfach trockener, sondern auch mit sehr viel reiferer (aber nicht unbedingt weniger) Säure. Vibriert nicht ganz so, ist aber ebenfalls knackig und eben sehr trocken (um 4 Gramm Restzucker). Der Abgang ist weniger fruchtig als beim ersten, dafür etwas mineralischer und vielleicht auch länger. Macht mir genauso viel Spaß.
Lorcher Berge – Top-Lagen im Glas
Es kommen die Lagenweine. Davon gibt es zwei und sie stammen aus privilegierten Lagen. Schlossberg und Kapellenberg bieten beste Vorraussetzungen für gute Rieslinge und Wurm und sein Team liefern. Decken die Ortsrieslinge die Themen Frucht und Spiel ab, steht bei den Lagen Wucht und Würze im Vordergrund. Beide Weine sind eher mächtig, bei unserer ersten Begegnung der Kapellenberg noch mehr als der Schlossberg, obwohl der Alkoholwert anderes vermuten lässt. Später beim Nachprobieren zuhause stellt es sich andersrum dar.
Robert Wurm, Lorcher Schlossberg, Riesling trocken, 2015, Rheingau. In der Nase extrem zurückhaltend: Hefe, etwas Aloe Vera, wenig Frucht. Am Gaumen sehr würzig, mürber Apfel, aber vor allem: was für eine Struktur! Reife Säure, wenig Zucker, viel Tiefgang, leicht rauchig, nussig, 13,5% Alkohol verstecken sich ziemlich gut, liefern aber einiges an Bumms. Nach hinten raus ist das dunkle Phenolik/Mineralik pur. Kraftpaket, dass zwar sicher satt macht, ein Glas lang aber Spektakel bietet.
Robert Wurm, Lorcher Kapellenberg, Riesling trocken, 2015, Rheingau. Manchmal helfen Farb-Assoziationen: Der Kapellenberg ist der Schlossberg in Hell. Eher Gelbfruchtig, leicht blumig, in der Säure etwas spitzer, was von einem Extra-Gramm Zucker prima gepuffert wird, im Abgang dann eher kreidig als rauchig. Könnte ich drin baden.
Und dann kommt der Top-Wein, der heißt ‚Schiefer‘. Ich kann mir die Frage nicht verkneifen, was Robert Wurm denn geritten hat, für seinen Top-Wein einen Namen zu wählen, den jeder zweite Moselwinzer für seinen Gutsriesling verwendet. Seine Liebeserklärung an den Lorcher Schiefer ist rührend aber unzureichend. Ich glaube, dieser Wein heißt in zwei Jahren anders. Großartig ist er jetzt schon.
Robert Wurm, ‚Schiefer‘, Riesling trocken, 2015, Rheingau. Keine ganz typische Rieslingnase, derzeit mich vom Bukett her eher an Silvaner erinnernd. Am Gaumen sehr verschlossen, auch am zweiten Tag noch, extrem tief, sehr phenolisch/mineralisch. Die Säure zunächst so zurückhaltend, dass ich denke, es ist zu wenig da, doch im wunderbaren Abgang zeigt sie sich dann. 13,5% Alkohol bleiben unauffällig, weil der Wein einfach so extraktreich ist. Sehr trockenes Geschmacksbild. Der ist viel zu jung, aber enorm komplex und vielversprechend.
Auch wenn Wurm und der Doktor noch weitere Termine haben, davon trinken wir jetzt ein halbes Glas. Und wir verabreden einen Termin in zwei Jahren. Ich will wissen, wie das ausgeht: asiatische Assoziationen zum Rheingau-Riesling, ‚Trocken-Plus‘, ‚Schiefer‘ an der Spitze und ein Auftritt, der betont, dass Wurm ein Quereinsteiger ist, ein alles umkrempelnder ‚Weingutsbesitzer‘ und nicht Winzer in siebter Generation, der bei der Übernahme des elterlichen Betriebes marginal die Etiketten modernisiert (oder die Medienagenten damit beauftragt seinen Namen zu tanzen (Verzeihung, Insiderwitz)). Dafür muss man sich in Deutschland normalerweise entschuldigen. Ich hoffe er nicht. Tolle Weine, tolle Story, toller Typ. Ich bin gespannt.