Die 101. Weinrallye widmet sich dem Thema Herzensweine und Veranstalter Drunkenmonday lässt den Teilnehmern dankenswerterweise Spielraum bei der Auslegung der Aufgabenstellung. Da ich den einen, großen und unschlagbaren Herzenswein schon vor Zeiten bei der Weinrallye zum Thema ‚Faszination Wein‘ ausgeschlachtet habe, muss ich es diesmal andersherum machen und die für mich faszinierendsten Weine zu Herzensweinen erklären. Um die geht es jetzt eh eine Woche lang – mit oder ohne Weinrallye. Denn es beginnt meine Lieblingswoche.
Ich schreibe dies im Zug nach Frankfurt, von wo es erst in den Rheingau zu den EGs und dann nach Wiesbaden zu den GGs geht. Am Montag und Dienstag darf ich wieder im exklusiven Club der GG-Vorpremiere mitmischen, der Vorstellung der Weine aus den ‚Großen Lagen‘ des VDP. Es geht um die Großen Gewächse (GGs) des VDP aus den Jahrgängen 2015 (weiß) und 2014 (rot) – Herzensweine für mich und dieses Blog! (Nicht nur für mich, denn neben mir wird wieder Paul von Rallyegastgeber Drunkenmonday sitzen.)
Ich gestehe, dass ich mir ein Loch in den Bauch gefreut habe, als ich vor drei Jahren in den Klub der Wiesbaden-Verkoster aufgenommen wurde. Seit bald fünfzehn Jahren genieße ich GGs. Viele der besten GGs, der bedeutendsten Spätburgunder und trockenen Rieslinge Deutschlands, konnte ich von Ihrer Erstausgabe bis heute in allen Jahrgängen und allen bisher aufgetretenen Reifestadien verkosten und trinken. Ich konnte live in meinem Glas verfolgen, wie Winzer mit sich, ihren Trauben und Lagen, Wetter und Klima, Kunden und Händlern, Freunden und Kollegen rangen um Herzensweine zu produzieren und den wahren echten Stil zu finden, der das GG definiert, die Lage interpretiert, den Preis rechtfertigt und vieles mehr. Durch die Akkreditierung für Wiesbaden habe ich auch Zugang zu vielen Erzeugern, bekomme die Geschichten zu den Weinen, die helfen das Geschmeckte einzuordnen. Natürlich gibt es eine Welt außerhalb des VDP und gute Weine ohne Adler, Trauben-Eins oder das Doppel-G. Aber so wie alle, die über Wein schreiben, nach Wiesbaden wollen, wünschen sich auch fast alle, die Wein machen (sogar Markus Molitor, wie wir nun wissen), beim VDP dabei sein zu dürfen.
Rings debütiert in Wiesbaden
Es war ein offenes Geheimnis (vielleicht war es auch gar kein Geheimnis), dass einer von den vielen Aspiranten sich die VDP-Mitgliedschaft sehnlicher wünschte, als alle anderen: Andreas Rings. Er machte auch nie einen Hehl daraus. Sein toller Chardonnay? Wird mal erwähnt. Sein überraschender Portugieser? Achselzucken. Sauvignon Blanc von einsamer Klasse? ‚Ja, okay‘. Seine grandiose Rotweincuvée ‚Das Kreuz‘? ‚Hat viel für uns getan, wird es immer geben.‘ Wer mit Andreas Rings redete, der merkte schnell: seine Herzensweine sind Riesling und – vor allem – Spätburgunder. Und er wünschte sich wenig sehnlicher, als Weilberg und Saumagen als GG füllen zu dürfen. Entsprechend war sein Jubelschrei über die Aufnahme in den VDP bis nach Berlin zu hören.
Letztes Jahr hatte mich Wiesbaden-Debütant Rudolf May gefragt, ob ich ein paar seiner Weine verkosten wolle und ich nahm das Angebot dankend an um mich auf die Vorpremiere einzustimmen. Dieses Jahr kam der Stoff zum eingrooven entsprechend von den Brüdern Rings. Ob er nervös sei, fragte ich Andreas Rings auf der ProWein und er flachste, er habe seine Top-Weine in genügend kleinen Gebinden im Keller liegen. Notfalls fülle er eben nur das beste Fass als GG. Denn Rings will nicht nur VDP-Mitglied sein, er will einer der besseren im an Spitzenbetrieben reichen Pfälzer Regionalverband werden.
Spätburgunder – nur kein Kompott!
Bei den Spätburgundern wird es noch ein Jahr dauern, bis wir die ersten Rings-GGs sehen. Das wird noch spannender als die diesjährige Riesling-Premiere, denn die Rings-Brüder mögen Spätburgunder gerne kantig. Überreife Frucht ist ihre Sache gar nicht. Die Weine des Jahrgangs 2014 die ich trinken durfte, machen das deutlich. Sie sind vermutlich nicht jedermanns Sache, denn wenn man sich Zeit mit ihnen nimmt, dann schmeckt man den Ritt auf der Rasierklinge. Zwischendrin denke ich bei beiden immer mal, ‚Sind das unreife, grüne Noten?‘ Sind es nicht, aber es ist halt näher am Grün als an der satten, ins gekochte driftenden Frucht spät gelesener Trauben. Die Spätburgunder der Brüder sind nichts für Menschen, die meinen, Rotwein müsse Sonne in Flaschen sein. Nicht weil sie das nicht können (‚Das Kreuz‘ geht schließlich in diese Richtung), sondern weil sie finden, dass das für Spätburgunder der falsche Ansatz ist.
Rings, Freinsheimer Spätburgunder, 2014, Pfalz. Die junge Nase ist noch zurückhaltend: etwas Holz, etwas Himbeere und Kirsche, ein paar Röstaromen, eher dezent. Am Gaumen mit mittlerem Körper, einer schönen Säure und feinem Tannin – tolle Struktur für einen Ortswein. Die Frucht geht in Richtung Kirsche und Himbeere, nichts breites oder gekochtes, dezente Röstaromen kommen dazu, ab und zu wirkt die Aromatik etwas grün, aber nicht wirklich greifbar (oder aggressiv). Sehr mineralisch/phenolischer Abgang, spannender Wein.
Rings, Kallstadter Steinacker, Spätburgunder Erste Lage, 2014, Pfalz. Die Nase wirkt ein wenig cremig, diffus, mit typischen Spätburgundereindrücken plus etwas Schuhcreme, ungewöhnlich aber schön. Am Gaumen ist der Steinacker voller und gehaltvoller als der Freinsheimer, ist etwas weniger von der Säure geprägt und entwickelt dadurch nicht den gleichen Zug zum Tor. Auch ist er ernsthafter, hat mehr Tannin, mehr Potential und will noch nicht getrunken werden (ich probiere ihn über vier Tage, aber alles zeigen will er einfach nicht). Auch hier kommen gelegentlich Assoziationen von Grün ins Spiel, aber auch hier ohne Aggression. 12,5% Alkohol sind unauffällig, der Abgang lang. So wenig er jetzt zeigt, so zuversichtlich bin ich für seine Zukunft, auch wenn ich nicht mein letztes Hemd auf den Steinacker verwetten würde.
Beide Weine rufen noch einmal in Erinnerung, dass es 2014 schwieriger als 2015 war guten Wein zu erzeugen. Bei den Riesling GGs, es werden Weilberg und Saumagen 2015 in Wiesbaden zu probieren sein, bin ich zuversichtlich großen Stoff zu sehen. Der mir zugesandte Nussriegel (Erste Lage) ist ein Wohlfühlwein. Da wird die Verkostungsnotiz zum Schlagertext, reimt sich Sonne auf Wonne. In anderen Jahren (oder bei anderen Betrieben) geht so etwas als ordentliches GG durch.
Rings Ungsteiner Nussriegel, Riesling Erste Lage, 2015, Pfalz. Typische Nase eines Rieslings aus warmen Jahr mit satter Aprikose und etwas tropischer Frucht. Am Gaumen jung, dicht, mollig, nur moderate Säure, aber auch nicht zu viel Zucker. Das ergibt feines Spiel in einem vollen Wein, dessen 12,5% Alkohol fein wirken. Die Frucht ist sehr klar (also nicht marmeladig), Aprikose, Pfirsich, Maracuja, dazu leichter Gerbstoff, ordentliche Frische, große Tiefe und Dichte. Lang und mineralisch/phenolisch im Abgang. Zeigt Potential ohne kompliziert zu sein – und macht jetzt richtig viel Spaß. In der Kategorie ‚Erste Lage‘ ganz weit vorne. Ein Wein für die Kategorie ‚Herzenswein‘.
Disclaimer (1): Die Weine waren Verkostungsmuster des Weingutes.
Disclaimer (2): Ein Riesling Erste Lage Steinacker 2015 gehörte ebenfalls zum Paket und verzückte mich dermaßen, dass ich prompt den Notizzettel verlegt habe. Ich weiß nur noch, dass er dem Nussriegel in nichts nachstand.