14 Landwirte hegen Groll

Ich habe letzte Woche mit einem Freund telefoniert, der in Diensten des Axel Springer Verlages Inhalte produziert. Er schreibt zwar noch gelegentlich für die gedruckten Erzeugnisse, in der Hauptsache arbeitet er aber für Internetseiten des Verlages. Beim Thema Web 2.0 angekommen, beichtete mir ausgerechnet der webverliebte Internetpionier, dass derzeit Zweifel an ihm nagten. Das „selbstreferenzierende Geschreibsel des Web 2.0“ wie er sich ausdrückte, erweise sich bei genauem Hinsehen als ziemlich dünn und sein Bauchgefühl wie auch einige Nutzungsstatistiken zeigten, dass immer mehr Nutzer dieses auch so sähen.

Wie um mir zu verdeutlichen, was er meinte, baute dann auch mein geliebtes Wein-Web-2.0 einen Leser-Rundparcour der sich im Kreis zitierenden Bedeutungslosigkeit. Die Welt (rein zufällig ein Springerblatt) hatte darüber berichtet, dass 14 Deutsche Winzer in einem offenen Brief dem Gault Millaut die Freundschaft aufkündigten. Als erstes hatte Weinmacher Dirk Würtz in seinem Blog darüber berichtet. Danach zog das ganze Web 2.0 nach. Der Weinkaiser hat seinen Artikel zwischenzeitlich mehrfach überarbeitet, hier findet sich eine gute Übersicht über weitere ‚Quellen‘.

Mit kritischer Brille gelesen, hatten aber alle Blogs eigentlich nur zu berichten, dass Dirk Würtz berichtet hat, dass Welt online berichtet hat. Dann wurden eine Menge Meinungen geäußert, manche so wichtig, dass sie mehrfach in verschiedenen Blogs als Kommentar und ggf. noch als Beitrag in Mario Scheuermanns Forum auftauchen.

Die Wiederbelebung des Themas kam durch einen mit einem Knipser-Zitat geschmückten Artikel der Süddeutschen Zeitung. Trotz persönlicher Bekannt- und Freundschaften manch Bloggers mit einem der Unterzeichner bekam kein Blog einen O-Ton freigegeben (sind die Freundschaften vielleicht doch nicht ganz so eng?).

Da frage ich mich ehrlich, wie das werden soll, wenn das Web die Zeitungen verdrängt hat? Wen zitieren Blogger dann? Zugegebenermaßen kam mit etwas Verzögerung auch eine journalistische Bearbeitung des Themas durch den drink tank. Aber ob das reicht?

Um nicht ebenfalls lediglich einen faktenfreien Aufguss des Geschehens in diesem Blog zu liefern, weise ich hiermit auf eine unerwähnte Tatsache hin. Der zentrale Satz des Aufrufs der 14…

Die Publikation einer Bewertung von Weingütern und Weinen, die durch einen, wie Sie schreiben, „freiwilligen Beitrag“ der am Wettbewerb teilnehmenden Weingüter mitfinanziert wird, halten wir für die positive Weiterentwicklung unserer Weinkultur abträglich.

…ist grammatikalisch ganz schön falsch.

0 Gedanken zu „14 Landwirte hegen Groll“

  1. Das Web als informationstechnisches Hamsterrad und die Printmedien als dessen lotrechte Antipoden, als Bastionen investigativen Journalismus gar?
    Wenn es doch nur so wäre.
    Was stellt denn die massenhafte und bloße Übernahme von Reuters- oder dpa-Meldungen in den Zeitungen anderes dar als das monierte “selbstreferenzierende Geschreibsel des Web 2.0″?
    Und der sicherlich nicht falsch beobachtete „Rundparcour der sich im Kreis zitierenden Bedeutungslosigkeit“ findet im Printbereich doch genau so statt.
    Nur lässt sich das nicht mit zwei, drei Mausklicks feststellen – wer kauft schon zwei Dutzend Zeitungen am Stück?
    Meinungsäußerung statt Faktenlage – auch das ist leider täglich Brot im Print. Auch „gut unterrichtete Quellen“ transportieren Meinungen und nur Ausschnitte von etwas, was dann gerne als Ganzes aufbereitet wird.
    Was will ich sagen? Vielleicht nur, dass es da die Geschichte mit dem Glashaus gab – und den Steinen …

  2. „…ist grammatikalisch ganz schön falsch“ -> dachte schon es fällt keinem ausser mir auf.

    Ich finde das Thema zwar spannend, bin jedoch der Meinung, dass sich hier jeder seine Meinung dazu bilden sollte und bringe dies zum Ausdruck. Meine Leser lesen überwiegend in meinem Blog, als „Service“ gibt es dann auch eine kleine Zusammenfassung zu solchen Themen, auch wenn ich in dieser Sache nicht im Detail diskutiere! Man kann und muss sich ja auch nicht immer kritiscch mit jeder Story auseinandersetzen, zumal man ab und an gar nicht die Zeit dazu hat.

    😉

    …und dass die „journalistische Bearbeitung des Themas“ durch einen Journalisten und nicht durch einen Blogger kam passt doch auch irgendwie, oder?

  3. Ich würde das nicht so vereinfachen. Es gibt mehrere Bezüge. Mein Ausgangspunkt für einen kurzen Bericht war der Offene Brief der 14 Winzer und nicht andere Blogs oder Seiten von Zeitungen. Zugleich sollte man auch berücksichtigen, dass es Reflektionen und Einordnungen des Sachverhalts gibt. Des Weiteren gibt es nicht wenige Blogger, die mit Winzern und Vertretern aus Verbänden im Kontakt stehen. Zudem kennen viele der Blogger so einige Debatten innerhalb und außerhalb des Internets.

    Auch das Schreiben aus dem Verlag des Gault Millau mit der Bitte um „finanzielle Beteiligung“ wurde bei Werner Elflein und Dirk Würtz im Blog ja schon wesentlich früher thematisiert als in der Welt. Beim Werner war es sogar abgebildet und dieser ist nun mal kein Winzer, was den Kontakt zwischen Bloggern und Winzern (und eben auch vielen anderen Menschen z.B. auch aus dem Weinhandel) beweist. Manche nennen solche Kontakte und Gespräche auch Recherche. Weinblogs a priori als selbstreferenziell zu bezeichnen ist daher nicht ganz richtig. Einige Referenzen sind damit hier genannt.

    Zudem sollte man auch erwähnen, dass es Weinblogs mit einer sehr eigenen Leserstruktur gibt. Wichtige Themen müssen da auch gebracht werden und in der dort üblichen Form aufbereitet werden, da bei einigen dieser Blogs viele Leser nur den einen Blog lesen und nicht alle gleichzeitig.

    1. Ja, das ist schon beeindruckend. Aber für Twitter fehlt mir die Begeisterung. Ich brüte lieber etwas länger. Und Vögel die brüten, zwitschern nicht…

      1. Bei uns nisten regelmäßig viele verschiedene Vögel, und die höre ich fast immer zwitschern 😉
        Aber mal ernsthaft: Länger nachdenken und dann twittern muß kein Widerspruch sein…

  4. Tja, wie vieles im realen Leben, so dreht sich auch im virtuellen einiges rund um die eigene Achse…
    Ich finde den letzten Abschnitt in diesem Blogbeitrag übrigens sehr gelungen nd erlaube mir das jetzt mal auf twitter zu tweeten. Natürlich mit dem passenden link hierher. Man muss ja Öffentlichkeit schaffen 🙂

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