Wein-Entdeckungsgesellschaft

‚Back to our Future‘ – Weinentdeckung Nummer 9

Die neunte Entdeckung der Deutschen Wein-Entdeckungsgesellschaft ist erschienen und wie immer habe ich mir eine erste Flasche gegönnt, kaum dass das Paket eintraf. Ein Weißwein ist es geworden, ein besonders schöner, aber auch einer der mir das Gefühl gab, dass die Zeit der WEG sich dem Ende zuneigt.

Wer tatsächlich immer noch nicht weiß, was es mit der WEG auf sich hat, der stöbere bitte einfach durch diese Liste von Artikeln zum Thema. Carsten Henn hat vor bald zehn Jahren ein Projekt ins Leben gerufen, mit Spitzenwinzern experimentelle Weine zu kreieren, wie sie so noch nicht in Deutschland auf die Flasche gezogen wurden. Einige großartige Weine sind entstanden, eine Jahrgangscuvée in einem Segment, in dem das nicht üblich ist, ein deutscher Pinot Noir mit 200 Prozent Neuholz (meiner Meinung nach der mutigste und im Kontext gelungenste Wurf von Henn), aber auch Me-Too-Weine, wie der Power-Rivaner, den es in sehr vergleichbarer Art schon einmal von Stuart Pigott gab. Einige der Weine bewegten sich dazu in sehr engen Nischen, wie auch der aktuelle Wein ‚Back to our Future‘.

‚Virtueller‘ Gemischter Satz

Der neueste Wein ist ein ‚virtueller Gemischter Satz‘, also ein Wein aus Trauben, die zwar nicht gemeinsam in einem Weinberg wachsen, aber am gleichen Tag geerntet und dann gemeinsam verarbeitet wurden. Allerdings entspringen alle Trauben – es handelt sich um Riesling, Weiß- und Spätburgunder – der gleichen Lage, dem Hattenheimer Hassel. Der Unterschied zu einem echten gemischten Satz ist also eher akademisch. Früher standen gemischte Sätze als Kraut und Rüben in einem Weinberg. Heute allerdings stehen insbesondere in Wien die Reben für den gemischten Satz auch in aneinander angrenzenden Blöcken innerhalb eines Weingartens, durchaus auch in großen Parzellen, in denen im unteren Teil ein anderes Kleinklima herrscht als im oberen, weswegen dann dort die jeweils optimalen Sorten stehen. Es gibt Regeln, dass diese Weingärten ununterbrochen sein müssen. Das gilt für den ‚Back to our Future‘ nicht – eigentlich ist das schon der ganze Unterschied zu einem echten gemischten Satz. Allerdings hat Henn gemeinsam mit dem für diesen Wein zuständigen Weingut Balthasar Ress unter Federführung von Betriebsleiter Dirk Würtz einen wirklich tollen Wein vorgelegt, den Mangel an Innovation also durch Spass im Glas ausgeglichen.

Weinentdeckungsgesellschaft Back to our Future
‚Back to our Future‘ im Praxistest

Deutsche Wein-Entdeckungsgesellschaft und Weingut Balthasar Ress, ‚Back to our Future‘, Weißweincuvée/Gemischter Satz, 2016, Rheingau. In der Nase sehr fruchtig, einerseits reife Birne, andererseits rote Beeren, kaum Holz – das riecht nach Weiß- und Spätburgunder, aber nicht nach Riesling. Am Gaumen zackige Säure, ohne biologischen Säureabbau wäre das ein bisschen viel geworden, leicht kalkig, brotig, ein bisschen Holz (vielleicht) und ganz viel Mandelsplitter (also nicht Bittermandel/Marzipan) ganz viel, ganz feine Phenolik, furztrocken, eher unfertig, es blitzt hier und da eine kräftige Portion Kuhstall durch – und trotzdem (mit drei Tagen Luft) extrem flüssig, fließend, süffig, Ihrlieblingsbegrifffür’esläuft’hier, meinetwegen auch ‚geiles Zeuch‘.

Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. ‚Back to our Future‘ wäre eine Gelegenheit. Die Weine der WEG stoßen in den letzten Jahren an Grenzen. Auch im vorletzten Jahr bei einem sehr leichten Spätburgunder war der Unterschied zu manchen real existierenden Weinen nur ein halbes Prozent Alkohol. Dazu kommt, das Entdeckerweine immer einen eher höheren Preis kosten, das liegt in der Natur der Sache, da eine Menge Einmalaufwand im Spiel ist.

Ploppster – Wein-Entdeckung 2.0

In den letzen Jahren sind die wirklichen Innovationen außerhalb der WEG entstanden: der erste deutsche Pet Nat, der erste deutsche ungeschwefelte Wein, Orange-Wein etc. alles Premieren (zumindest der Wein-Neuzeit) außerhalb des Projektes. Die Jugend ist häufig der Innovationstreiber und ein Vehikel wie die WEG nicht deren erste Anlaufstelle als Kooperationspartner. Ich glaube, die WEG ist ein Auslaufmodell.

PloppsterIch erlaube mir die harsche Prognose auch, weil die Nachfolge geregelt ist – wiederum unter der Regie von Carsten Henn. Sein Projekt ‚Ploppster‘ ist wenige Tage vor der Auslieferung des ‚Back to our Future‘ an den Start gegangen. Ploppster ist eine Crowdfundingplattform für Weingüter. Henn und seine Mitstreiter wählen die Weingüter aus, die sich mit einzelnen Projekten an die interessierte Ploppster-Gemeinde wenden. Das kann die Rekultivierung einer Steillage sein, der Ausbau der Kellerkapazität, oder eben ein Wein den es so noch nie gegeben hat. Die Community kann dann je nach Projekt richtig Kapital investieren oder einfach den Wein subskribieren und somit vorfinanzieren. Ich kann jedem Weinliebhaber nur empfehlen, sich die Seite einmal anzuschauen und sich für den Newsletter zu registrieren. Meine Prognose ist: das wird eine wesentliche Drehscheibe für innovative Weine werden. Damit hätte Henn dann die WEG erfolgreich in das Social-Media-Zeitalter überführt. Die WEG ist tot, es lebe die WEG.

Gebrauchsanweisung für Mit-Entdecker: Wer nur eine Flasche hat, der warte mindestens bis 2020, wer drei oder mehr hat und jetzt gerne eine aufreißen will: 24 Stunden vorher öffnen und doppelt dekantieren ist eine gute Idee.

Offenlegung: WEG-Gründer Carsten Henn ist Chefredakteur der Deutschen Vinum, für die ich seit diesem Jahr gelegentlich als Autor tätig bin. Es besteht also im weiteren Sinne eine Geschäftsbeziehung zwischen uns. Ich versichere, dass diese Tatsache diesen Artikel nicht beeinflusst hat.

3 Gedanken zu „‚Back to our Future‘ – Weinentdeckung Nummer 9“

  1. Haben Sie die nachfolgenden WEG-Weine dann gar nicht mehr verkostet oder nur nicht mehr drüber geschrieben? Wenn doch, würden mich Ihre Gedanken zum Muskateller Nunn sehr interessieren. Beste Grüße, Christian

  2. Gut, einen gemischten Satz im Rheinhau an- und auszubauen, hat zwar den Reiz, dass das sonst kaum noch in Deutschland gemacht wird (Franken), ist aber tatsächlich nicht so wahnsinnig innovativ, zumal es Premiumversionen davon ja beim Original auch gibt (z. B. Wieningers Nussberg). Die Idee, ein weinspezifisches Crodwfunding-Portal aufzumachen, klingt sehr interessant, vielen Dank für den Hinweis! Widerinstandsetzungen von alten Weinbergen (Niewodniczanskis Geisberg lässt grüßen) sind da ja nur eine von von vielen möglichen interessanten Geschichten. Ich bin sehr gespannt, was in den kommenden Monaten über Ploppster lanciert wird.

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