Die neuste Entdeckung ist da. Sie erkundet Spätburgunder aus besonderer Machart.
Seit vielen Jahren beziehe ich die Weine der Weinentdeckungsgesellschaft und über viele der Neuentdeckungen habe ich hier geschrieben. Zuletzt hatten wir auch einige im Podcast, einen sogar auf Wiedervorlage nach fast einem Jahrzehnt. Ich finde die Idee sehr erfrischend, einen Wein zu machen, wie es ihn in Deutschland noch nie gegeben hat und dafür notfalls Kompromisse bei der Zugänglichkeit zu machen oder etablierte Vorstellungen über Bord zu werfen.
Dieses Jahr stammt die Entdeckung vom Weingut Serman aus Altenahr. Chefentdecker Carsten Henn hatte die Idee einmal einen deutschen Beaujolais zu kreieren, mangels Gamay-Reben hierzulande entsprechend aus Spätburgunder, aber nach der im Beaujolais traditionellen Methode der Macération carbonique. Die zu erklären spare ich mir, hier findet sich eine Definition. Der Wein heißt entsprechend Beaujolais, aus weinrechtlichen Gründen allerdings in Lautschrift geschrieben.
Das Ergebnis schmeckt frisch
Zum ersten Mal in all den Jahren bin ich vollständig enttäuscht von einer Entdeckung. Auch in der Vergangenheit gab es schon Situationen, bei denen ich mir eine konsequentere Umsetzung des Ausgangsgedankens gewünscht hätte, etwa als ein Schluck Muskateller im Keschde unn Monnlä für frühe Zugänglichkeit, aber auch unpassende Aromatik sorgte. Aber was damals dominant war, ist heute kaum noch zu erschmecken und die Ursprungsidee in einem Sekt Riesling und Burgunder zu vermählen ist mit etwas Wartezeit noch gut aufgegangen. Dieses Mal ist das Problem ein anderes: der Wein löst sein Versprechen schon in der Machart nicht ein.
Ich hatte den Wein zunächst blind probiert und mein erster Eindruck war: das ist ein Pinot aus sehr früher Lese mit Ganztraubenverarbeitung, der sicher nicht jedem gefällt, aber die Harschheit auch nicht auf die Spitze treibt. Genau genommen entstand der folgende Eindruck:
Deutsche-Weinentdeckungsgesellschaft & Weingut Serman, Spätburgunder [boʒoˈlɛː], 2022, Ahr. In der Nase etwas blumig, etwas Tomatengrün, Efeu und viel Kirsche. Am Gaumen startet der Wein ziemlich streng, grüne Noten, sehr frisch, kräftige Säure, feine Phenolik – sowohl kreidig schmirgelnd als auch holzig-röstig, etwas Blaubeere und wieder viel Kirsche, zu der sich mit Luft reichlich Rhabarber gesellt. Belebend, vibrierend, angenehm zu trinken, mit anspruchsvoller Säurestruktur und Phenolik, aber ohne viel Tiefgang. Der dürfte sich mit Flaschenreife noch einstellen, die Anlagen sind da.
Idee nicht umgesetzt
Das Problem ist nicht, dass mir der Wein nicht gefallen würde. Ich finde ihn gut. Er schmeckt halt nur wie ungefähr drei Dutzend Spätburgunder progressiver Betriebe (Steintal, Bertram-Baltes, der hier federführende Serman uwm.) die schon seit Jahren mit Ganztraubenverarbeitung, (teilweiser) Kohlensäuremaischung und sehr frühem Lesezeitpunkt arbeiten. Denn das ist der Wein am Ende geworden, ein Verschnitt aus drei Fässern, von denen nur eines aus echter Kohlensäuremaischung stammt. Die anderen Partien des Weines entstammen einer Semi-Carbonique und einer eher traditionellen Machart.
Ich hätte mir mehr Konsequenz gewünscht. Denn am Ende dieser Episode Wein-Entdeckungsgesellschaft ist zum erstem Mal das Thema nicht abgearbeitet. Noch immer hat niemand in Deutschland einen Wein produziert, der vollständig wie ein Beaujolais (wir reden über Primeur, nicht über Cru) produziert wurde mit dem einzigen Unterschied, dass Spätburgunder statt Gamay als Rebsorte zum Einsatz kam. Dabei interessiert es mich brennend, wie das wohl schmecken würde.
Ich teile gerne meinen Eindruck von dem Wein. Zunächst: Ich bin neu bei der Weinentdeckungsgesellschaft, das ist mein erster Wein aus dieser spannenden Initiative, daher fehlt mir der Vergleich mit früheren Entdeckungen.
Mein erster Eindruck aus dem beiliegenden Erklärbrief war genau der gleiche, wie bei dir. Ein deutlicher Widersprich zwischen Idee und Umsetzung… Das dürfte sicher vielen Weinentdeckern so gegangen sein. Da denkt man merkwürdig, schade, komisch. Aber sicher wird’s dafür Gründe geben. Hast du da inzwischen vielleicht mehr zu erfahren?
Mein Eindruck vom Wein: Ich bin sehr angetan von diesem Wein! Frisch geöffnet und am ganzen ersten Abend hat er mich sehr an einen Blaufränkisch von Claus Preisinger erinnert, dieser Kirschsaft, die präsente Säure (die ich nicht ganz so kräftig empfand, wie es bei dir klingt), insgesamt diese sehr frisch-forsche Anmutung fand bei mir viel Wohlwollen. Nach ein paar Stunden kam noch eine deutliche Rauch/Speck-Note dazu, das hat ihn etwas seriöser gemacht und geerdet. Auch an den beiden Folgeabenden war das ein feiner Trinkgenuss, so dass ich mich jetzt schon auf die beiden weiteren Flaschen in ein paar Jahren freue…