Ich war in Würzburg als Juror bei Best of Gold und in diesem Zuge auch auf der Jahrgangspräsentation des VDP-Franken. Dabei ist mir klar geworden: es ist leichter, eine eingeseifte Sau am Schwanz festzuhalten, als ein homogenes Urteil über den Jahrgang 2018 zu fällen.
Der Weinjahrgang 2018 hält mich weiter auf Trab. Ich hatte am ersten Mai-Wochenende wieder diverse Rieslinge im Glas, die meine Sensorik – sagen wir mal ‚leicht neben der Spur‘ erscheinen ließen. Stellvertretend sei meine erste Begegnung mit dem Riesling Erste Lage aus dem Julius-Echter-Berg von Hans Wirsching geschildert. Der gefiel mir zwar sehr gut, schmeckte aber vergleichsweise süß – für einen Frankenwein. Als ich das bemerkte, schaute die Dame, die ihn mir eingeschenkt hatte, kurz nach: ‚6 Gramm Restzucker‘ las sie vor. ‚Hmm, vielleicht eher mild in der Säure?‘ hakte ich nach. ‚7,8 Säure!‘ war die Antwort, die mich dem Grund des Geschmacksbildes nicht näherbrachte. ‚Vielleicht ist das alkoholische Süße?‘ sprang mein Nebenmann bei, der den Wein auch als eher süß wahrgenommen hatte. ‚11,8 Volumenprozent Alkohol‘.
Dass man so daneben liegt, passiert schon mal, schließlich hat der pH-Wert und das Extrakt bei der Frage, wie süß oder trocken ein Wein schmeckt, noch ein Wörtchen mitzureden. Viel wichtiger fand ich denn auch die darunter liegende Information: Auch im Hitzejahr 2018 konnte man vollständig physiologisch reife Rieslingtrauben ernten, deren Moste unter 90 Grad Oechsle bei rund 8 Promille Säure lagen. Zur maximalen Verwirrung gelang das auch in Weinbergen wenige Kilometer von solchen entfernt, deren Trauben ‚14 Alk und 5 Säure’ brachten. Es ging tatsächlich um viele Begleitumstände: natürliche oder vom Winzer besorgte Wasserversorgung, Rebalter, Nachttemperaturen – Terroir ist halt mehr als Wetter und Boden.
SchwaSchwa im Aufwind
Getreu dem Motto ‚Wenn man keine Ahnung hat …‘ werde ich mir also jegliche weitere Einordnung des Jahrgangs in seiner Gesamtheit verkneifen. Einzelne Weine, erfreuliche Beobachtung und gnadenlos subjektive Empfehlungen müssen aber natürlich sein. Und da gibt es zwei, die mit Schwa anfangen und mich aufhorchen ließen. Beim Weingut ‚Zur Schwane‘ finde ich mittlerweile immer etwas, was mir sehr gefällt. Bei den 2018ern ist es der Escherndorfer Lump Erste Lage, der mir mit seiner kargen Ernsthaftigkeit Freude machte. Gei Gregor Schwab konnte ich letztes Jahr beeindruckende Weine probieren (der Bericht steht noch aus) und war hellhörig geworden. Bei den 2018ern setzt sich der Aufwärtstrend fort. Der bis Dezember gegorene und dann bei 5,3 Restzucker stehengebliebene Ortsriesling schmeckt voll und kein bisschen süßlich, der Silvaner Ortswein (beide Thüngersheim) punktet mit feiner Phenolik. Auch Scheu und Weißburgunder sind Empfehlungen, nicht zuletzt, weil alle Ortsweine bei Schwab 7 Euro kosten!
Die beiden ‚Pur Mineral‘ von Fürst (Riesling, Weißburgunder) fand ich faszinierend wild, Rudolf May balanciert Kraft und Eleganz wie wenige andere, das Bürgerspital stürmt weiter nach oben, dieses Mal mit einem erstaunlich filigranen Würzburger Ortswein vom Silvaner. In Würzburg ging sowieso Einiges: Auch Ludwig Knolls Weine von dort sind besonders. Der Silvaner Ortswein trotz milder Säure blumig und leicht, die Erste Lage aus dem Stein mit tollem fruchtig-süßem Kern.
Bei Schmitt’s Kinder gab es eine fantastische Fassprobe vom Weißburgunder aus dem Marsberg. In die Schublade ‚Tadellos‘ stecke ich die Kollektionen von Juliusspital, Staatl. Hofkeller, Wirsching, Wilhelm Arnold, Schloss Sommerhausen, Horst Sauer, Egon Schäffer, Glaser Himmelstoss und Castell.
Rainer Sauer und Paul Weltner – größte Klasse
Bickel-Stumpf zeigt große Unterschiede zwischen Thüngersheim und Frickenhausen, da ist für jeden was dabei. Die beiden Sulzfelder Orts-Silvaner von Luckert sind eine Wucht, wobei die Alten Reben noch ein bisschen mehr strahlen. Da stört es nicht weiter, dass die Erste Lage ziemlich mächtig geraten ist. Der Escherndorfer Silvaner von Horst Sauer ist auch voll, aber toll. Silvaner und Riesling aus Erster Lage sollte man noch ein bisschen Zeit geben. Riesling, Sauvignon Blanc, Scheu und Silvaner (die beiden letzteren als Alte Reben) als Fassprobe hatte Johann Ruck im Gepäck und für die ganze Kollektion gibt es ein Wort: frisch! Das zischt, wie man es aus 2018 nicht unbedingt erwarten würde und ist ausnahmslos als Kompliment gemeint. Der Sauvignon Blanc ist allerdings etwas parfümiert – muss man mögen.
Die absoluten Lieblinge zum Schluss: da wäre zum einen die schönste Kollektion (ich hatte weitere Weine auf der Mainzer Weinbörse probiert). Daniel Sauer hat nach eigener Aussage viel Glück gehabt, denn seine gesamten Weine sind total unaufgeregt in einem Rutsch durchgegoren. Im Dezember war alles durch. Das mag ein Grund sein, warum die Weine vom Weingut Rainer Sauer so expressiv geraten sind: da haben wir einen leicht kalkigen Silvaner Ortswein, den angenehm würzigen Silvaner Erste Lage aus dem Lump samt dessen sehr knackigem Bruder vom Riesling. Zum anderen ist da noch mein Lieblingswein des Nachmittags: Paul Weltners Küchenmeister Silvaner Erste Lage fällt unter das Betäubungsmittelgesetz, weil nach dem ersten Schluck zu Abhängigkeit führend – kräftige Frucht, fester Kern mit ewig langem, herrlich phenolischem Abgang.
Nicht erwähnte Güter hatten meist keinen oder nur einen trockenen18er dabei.
Best of Gold – Spaß bei der Arbeit
Am nächsten Tag ging es dann an die Jury-Arbeit. Mehr über den Wettbewerb finden Sie hier. Zur Verkostung standen vor allem Weine aus den Jahrgang 2017 und der präsentierte sich großartig. Bei vielen Weinen des 18er-Jahrgangs werden wir eines Tages Frische vermissen (aber eben nicht pauschal bei allen, siehe oben). Etliche 17er werden mit Reife vermutlich noch deutlicher strahlen, als sie das jetzt schon tun. Die Verkostung war das pure Vergnügen.
Dieses Jahr stand ich Pate für die Kategorie Rotwein, was alles außer Pinot umfasst. Nachdem ich letztes Jahr lernen durfte, wie eine großartige Domina schmeckt, definierte Max Markert das mit seiner Mönchsleite dieses Jahr noch einmal neu: der Wein ist wirklich knapp am Sieg vorbeigeschlittert. Den holte sich völlig verdient das Weingut Roth mit einer Cuvée aus Cabernet Dorsa, Cabernet Mitos mit etwas Blaufränkisch. Volle Frucht, Sonne in Flaschen, Null Paprika, nichts von der manchmal lätscherten Bonbon-Art der Cabernet-Neuzüchtungen. Das ist ein hochseriöser Rotwein mit tollem Holzeinsatz und einigem Tiefgang.
Bei den Pinots holte sich Martin Schmitt den zweiten Sieg hintereinander und dritten in fünf Jahren mit seinem fabelhaften GG aus dem Randersacker Sonnenstuhl. Das ist kein Zufall mehr!
Wenn die Genossen auftrumpfen
In der Siegerliste finden sich Überraschungen. So gewann in der Kategorie Premium Silvaner die Divino Nordheim mit einer Silvaner Spätlese Alte Reben vor dem wundervollen 16er GG aus dem Kronsberg von Wirsching und – nächste Überraschung – einem ebenfalls großartigen Wein der Bayrischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau und glauben Sie mir, das war nicht unverdient. Es geht bei dieser Prämierung auch um die aktuelle Form. Es ist zudem eine Blindverkostung. Was sich dann leicht verschlossen oder noch sehr holzdominiert zeigt, kriegt nicht automatisch einen Potentialbonus, denn manchmal sind Weine einfach dauerhaft unterkomplex oder überholzt, was für den Wirsching aber definitiv nicht gilt.
Der letzte Paukenschlag war dann das Ergebnis bei den Premium-Rieslingen. Die 2018er Erste Lage aus dem Würzburger Stein vom Bürgerspital schlägt das 2017er Große Gewächs von Horst Sauer aus dem Lumpen. Wasser auf die Mühlen derer, die sagen, man brauche diese ganzen GGs nicht? Oder blinde Juroren? Weder noch. Das ist eine Erste Lage der absoluten Extraklasse, die auf ein GG trifft, das im Moment fast alles zeigt, aber eben nur fast. In sechs Jahren hat das GG vermutlich die Nase vorn, wenngleich nicht unbedingt meilenweit. Beiden Weinen ist gemein, dass sie Fränkischen Riesling in seiner ganzen Eigenständigkeit präsentieren.
Und hier alle nominierten und prämierten (Fettdruck) der diesjährigen Ausgabe von Best of Gold
Kategorie I – Rotwein
Andere Rebsorten und Cuvées
2015 Frickenhäuser Kapellenberg Blaufränkisch Spätlese Weingut Kreglinger, Segnitz
2016 Eibelstadter Mönchsleite Domina Qualitätswein Weingut Max Markert, Eibelstadt
2016 Cuvée rot „G“ Qualitätswein, Weingut Roth, Wiesenbronn
Burgunder
2016 Eußenheimer First Frühburgunder Qualitätswein Weingut Höfling, Eußenheim
2012 Bürgstadter Centgrafenberg Spätburgunder „S“ Qualitätswein Weingut Josef Walter, Bürgstadt
2016 Randersackerer Sonnenstuhl VDP.GROSSES GEWÄCHS Spätburgunder Qualitätswein Weingut Schmitt’s Kinder, Randersacker
Kategorie II – Kabinett- und Qualitätsweine
trockene Weißweine, max. 12,5 % vol. vorhandener Alkohol
Silvaner
2017 Stammheimer Eselsberg Silvaner Kabinett Weingut Hermann Dereser, Stammheim
2017 Thüngersheimer Scharlachberg Silvaner TRADITION Qualitätswein
LWG – Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau, Veitshöchheim
2017 Thüngersheimer Scharlachberg Silvaner Qualitätswein Weingut Christine Pröstler, Retzbach
Andere Rebsorten
2017 Riesling Qualitätswein Weingut Max Müller I, Volkach
2018 Riesling VDP.GUTSWEIN Qualitätswein Weingut Rainer Sauer, Escherndorf
2017 Weißer Burgunder Qualitätswein Weingut Ernst Popp, Iphofen
Kategorie III – Premium Weißweine
Silvaner
2017 Thüngersheimer Johannisberg Silvaner Spätlese „Alte Reben“ DIVINO Nordheim Thüngersheim eG, Nordheim
2016 Thüngersheimer Scharlachberg Silvaner EXPLORE S2 Qualitätswein LWG – Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau, Veitshöchheim
2016 Iphöfer Kronsberg Silvaner VDP.GROSSES GEWÄCHS Qualitätswein Weingut Hans Wirsching, Iphofen
Andere „neutrale“ Rebsorten
2017 Randersackerer Ewig Leben Weißer Burgunder ROCK ROOTS Randersacker Qualitätswein Weingut Martin Göbel, Randersacker
2017 Randersackerer Marsberg Weißer Burgunder VDP.ERSTE LAGE TRIAS Qualitätswein Weingut Störrlein-Krenig, Randersacker
2018 Iphöfer Weißer Burgunder VDP.Ortswein Qualitätswein Weingut Hans Wirsching, Iphofen
Frucht
2018 Würzburger Stein Riesling VDP.ERSTE LAGE Qualitätswein Weingut Bürgerspital zum Hl. Geist, Würzburg
2017 Escherndorf am Lumpen 1655 Riesling VDP.GROSSES GEWÄCHS Qualitätswein Weingut Horst Sauer, Escherndorf
2018 Würzburger Abtsleite Riesling VDP.ERSTE LAGE Qualitätswein Weingut Juliusspital Würzburg
Aroma
2016 Thüngersheimer Scharlachberg Traminer EXPLORE Qualitätswein
LWG – Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau, Veitshöchheim
2018 Würzburger Kirchberg „Aus dem Paradies“ Sauvignon Blanc Qualitätswein Weingut Meier Schmidt, Ulsenheim
2018 Volkacher Kirchberg Scheurebe Spätlese Weingut Zehnthof – Familie Weickert, Sommerach
Cuvée / Holz /Barrique
2017 Weißer Burgunder Spätlese Weingut Uwe Geßner, Garstadt
2017 Escherndorfer Lump „Altfränkischer Satz“ VDP.ERSTE LAGE Qualitätswein Weingut Rainer Sauer, Escherndorf
2016 Iphöfer-Julius-Echter-Berg Silvaner VDP.GROSSES GEWÄCHS Qualitätswein Weingut Hans Wirsching, Iphofen
Kategorie IV – edelsüße Weißweine
2018 Seinsheimer Hohenbühl Traminer Beerenauslese Winzergemeinschaft Franken eG, Kitzingen
2015 Stettener Stein Silvaner Beerenauslese Weingut Höfling, Eußenheim
2017 Escherndorfer Lump Silvaner Beerenauslese VDP.ERSTE LAGE Weingut Horst Sauer, Escherndorf
Das Weingut am Stein in Würzburg ist sehr spannend, hab die weiße cuvee helle Freude (gutswein) probiert. Glaub der muschelkalk riesling und weisburgunder macht auch Spaß.
Franken war und ist für mich ein Preisleistungswunder – sowohl auf der weißen als auch auf der roten Seite.
Ausgezeichnete Erste Lagen mit hohem Alterungspotential von Top Weingütern (R. und H. Sauer, Schmitts Kinder, Weltner, …) gibt es bereits unter 15 EUR! In Niederösterreich gibt es für diesen Preis häufig nicht einmal den Einstiegs-Lagenwein.
Eine Frage noch zur Verkostung: Wie schätzt Du den Einfluss der Aufsäuerung auf die Qualität des Jahrgangs 2018 ein?
Es wurde vorwiegend Silvaner aufgesäuert, häufig nur Basis und Mittelbau. Anders als 2003, als die zugesetzte Säure fast überall während der Gärung komplett wieder ausgefallen ist, hat sie sich dieses mal gehalten und ich fand das harmonisch. Ist auch nicht so, dass man das schmecken würde (wenngleich viele das behaupten). Aber ich muss mich wiederholen , die Qualität des Jahrgangs kann man dieses Jahr gar nicht pauschal einschätzen.
Interessanter bericht, vielen Dank. der Domina von markiert war das die Barrique Variante oder der ohne Holz?
Also das schmeckte schon sehr nach Holz 😉 Ich habe aber nicht aufs Etikett geschaut.