Preis Genuss Verhältnis Wein

Blindflug 111: die Treppenfunktion

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Felix
will nicht schon wieder über Geld reden, tut es aber (ein bisschen).
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Flo
mag hübsche Etiketten und schenkt seine Weine ab 50:25 ein.

Die sind doch irre: Felix hält ein flammendes Plädoyer gegen das Preis-Leistungsverhältnis und Flo outet sich als Etiketten-Trinker. Fehlt nur noch Primitivo!

Matthias hat nach dem Sweet Spot gefragt, und damit Felix in eine tiefe Krise gestürzt. Alle wollen immer nur über Geld reden. Wo bleibt der Genuss, wo die Philosophie? Immer nur schnöder Mammon – vermutlich, weil der alte Mann den Nachwuchs vor teuren Fehlentscheidungen bewahren soll. Doch diesmal setzt Felix sich zur Wehr. Er redet erst mal eine halbe Stunde über Zeit und dann ein bisschen über Geld. Flo hingegen pfeift auf beides. Er ist sich sicher: wirklich wichtig sind hübsche Etiketten, am besten mit Tieren drauf.

Dr. Corvers Kauter – Rüdesheimer Ortsriesling

Schwab Corvers Kauter Ortsweine

Es gibt viel zu erzählen. Und Felix möchte den Worten Weine zur Seite stellen, also gibt es heute gleich zwei davon. Der erste ist ein herausragender Ortswein aus dem Rheingau, der zweite selbiges aus Franken, der erste kostet 60 Prozent mehr als der zweite und doch bieten beide ein herausragendes Preis-Genussverhältnis, was nur geht, weil dieses Preis-Genussverhältnis ziemlicher Quark ist. Aber das zu verstehen, muss man wohl dem Vortrag lauschen. Schreiben wir derweil hier von den Weinen: Dr. Corvers Kauter, Rüdesheimer Riesling 2021 ist Rheingau pur. Noch verspielt, aber auch schon mit noblem Nachdruck, ist der Wein deutlich zu jung, spielt noch die Grapefruit-Karte und gefällt Flo doch ausnehmend gut. Das hat jetzt jugendlichen Trinkfluss und deutet doch Potential an.

Beim zweiten Wein, dem Thüngersheimer Weißburgunder 2021 vom Weingut Schwab aus Franken, greift Felix der Entwicklung etwas vor, denn der Wein kommt sieben Stunden belüftet ins Glas. Da zeigt er sich schon leicht cremig, mit der Textur eines längeren Hefelagers und einer dezent bitteren Phenolik im Abgang. Flo ist angetan, zieht den Riesling indes vor. Felix findet den Wein ob seines Facettenreichtums und des deutlichen Potentials zum lachhaften Preis regelrecht grandios. Das ist definiv ein Sweet-Spot-Wein.

Timorasso – Strukturwunder von Vietti

Vietti Timorasso

Flo schenkt Felix einen unglaublich strukturierten Wein ein. Der Colli Tortonesi DOC Timorasso ‚Derthona‘ 2019 macht Felix unendlich glücklich. Er hat aber die Struktur eines wunderbaren, leichten Rotweines. Wer ein fruchtiges Leckerli erwartet, der wird hier enttäuscht. Felix findet eine Frucht im schwarzen Glas, die einerseits gelb, aber irgendwie auch rot anmutet, dann kommt ein tolles Spiel aus Schmelz und Gerbstoff, das ein bisschen nach Holzausbau schmeckt. Tatsächlich stand der Wein eine Nacht auf der Maische und lag zehn Monate auf der Feinhefe, neues Holz ist eher nicht im Spiel. Was für ein wunderbar komplexer Weißwein.

Zum Abschluss gibt es den Primitivo Doppio Passo 2020 aus der Halbflasche und der ist eine Enttäuschung. Wer die Bewertungen des Weines bei Vivino anschaut, der liest immer von samtigen Gerbstoffen. Doch das, was da im Abgang kommt, können weder Flo noch Felix irgendwie anders beschreiben als mit dem Wort ‚kratzen‘. Da ist gar nichts samtig und auch die dienende Restsüße kann das nicht überschminken.

Viel Spaß bei einer neuen Episode unseres Podcasts.

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Hier ein paar ausgewählte Inhaltsmarken dieser Episode für die Suche nach Inhalten:

00:01:52

Matthias Frage nach dem preislichen Sweetspot von Weinen

00:02:36

Geizoasen

00:03:36

Was wir in Folge 57 und 86 schon gesagt haben und warum sich Matthias nicht immer angesprochen fühlen soll, obwohl er immer angesprochen wird

00:04:50

Warum müssen wir immer über Geld reden? Ich würde viel lieber über Zeit philosophieren, ich würde viel lieber über Genuss philosophieren und immer wenn ich denke jetzt müssen wir mal wieder sowas machen weil wir so viel über Geld gesprochen haben, dann kommt direkt wieder einer wie Matthias und will über Geld reden.

00:06:09

Matthias‘ Generation hat die sharing economy erfunden aber beim Wein suche ich immer noch die disruptiven Geschäftsmodelle.Beim Wein wollt Ihr eigentlich alles so machen wie eure Eltern. Das Konzept ist: ich kaufe einen unfertigen Wein dann lege ich den zehn Jahre auf eigene Kosten in irgendeinen Keller oder so dann hole ich ihn raus, mache ihn auf trinke ein Glas mit dem ich die Erkenntnis und die Erfahrungen mache, die ich mir gewünscht habe und dann muss ich noch vier Gläser trinken, weil in einer Flasche 0,75 Liter drin sind. Das Konzept feiert ungefähr dieser Tage seinen hundertsten Geburtstag. Erfunden wurde das von Baron ich weiß nicht welcher Rothschild für Mouton, die waren nämlich die ersten, die den Schlossabzug eingeführt haben. In diesen 100 Jahren haben sich die Lagerpreise verzehnfacht, der Konsum hat sich gedrittelt. Technologisch wäre es überhaupt kein Problem durch Mikro-Oxidation, längeren Fass-Ausbau, bisschen Technologie hier und da – zu sagen, wir machen eine Partie so wie immer und für die anderen die keinen Keller haben machen wir zwei Jahre später Late-Release in der 0,25 l Flasche mit Schraubverschluss zum sofortigen Genuss Ich wäre sofort dabei, aber Matthias’ Generation fordert das nicht ein 

00:09:09

… der alte Sack Johann Wolfgang von Goethe der diesen wirklich blöden Spruch geprägt hat: das Leben ist zu kurz um schlechten Wein zu trinken – und dieser Spruch gehört auf den Müllhaufen der Geschichte er sollte ersetzt werden durch den Spruch eines Junggebliebenen erfolgreichen dynamischen freundlichen deutschen Podcasters, der immer sagt Erkenntnis schmeckt lecker

00:09:37

als Goethe gesagt hat Leben ist zu kurz um schlechten Wein zu trinken bedeutete schlechter Wein ja im besten Fall ein Tag Verlust der Geschmacksnerven, der schlechte schlechte Wein wäre eine Woche lang Brechdurchfall

00:10:01

Goethe hatte auf seinem Schreibtisch ein Tintenfass und ein Blatt Papier aber nicht den Lobenbergschen Katalog der dicker war als das Berliner Telefonbuch und Goethe hatte auch nicht 25 gut sortierte Händler in seinem Browserverlauf.

Wenn Goethe heute leben würde dann wäre es bei Faust 1 geblieben…

… wäre natürlich ein Feingeist der wahrscheinlich Podcast hören würde und sagen würde: das Leben ist zu kurz um zweimal den gleichen Wein zu trinken

00:12:00

Restaurant-Tipp Grüner Gaul Bochum und was wir da trinken würden

00:16:01

…bedeutet auch immer ein bisschen mit dem Strom zu schwimmen und jetzt muss ich mal über jemanden erzählen … in meinen Anfangszeiten war ich in einem Weinforum unterwegs 

… totaler Fokus auf PLV führt in die Opposition und zu Vereinsamung…

00:18:18

natürlich sind die meisten der großen Namen keine Sweetspot Winzer aber große Namen provozieren mehr Austausch

00:19:18

Flo schildert seinen Eindruck des Rüdesheimer Ortsweins vonCorvers Kauter, Auflösung etc.

00:24:00

Wechsel zu Wein zwei, Weißburgunder Ortswein von Schwab

00:24:16

Kleiner Tipp für einen Abstecher in den Rheingau. Wohnen bei F.B. Schönleber, Abendessen bei Corvers Kauter

00:27:16

sehr modernes Weingut, haben auch begriffen, dass für viele viele Weingüter die Zukunft nicht mehr nur darin liegt, Weine zu produzieren, sondern du musst deine Weise erlebbar machen für diejenigen z.b. die keine Keller haben.

00:28:16

Sweet Spot oder Treppenfunktion, Global, national, regional? … um das noch mal kurz zu konkretisieren wenn ich mich hinstelle und sage ich möchte die zehn preisgünstigsten Weine mit 90 Parker Punkten haben, sagen wir mal rot in Europa zu verschiedenen Ländern dann kriege ich die in Spanien sage und schreibe für 6,50 € in Italien kriege ich sie für 8 in Frankreich kriege ich für 9, deutschen kriege ich für 15 €. In Spanien kannst Du nicht mal die Etiketten lesen, denn die sind auf Baskisch oder Catalan.

00:29:16

bleiben wir also mal innerhalb Deutschlands und nehmen mal kurz mein Bewertungssystem als Beispiel und die grobe Version 

… in Deutschland kriegst du diese 84 Punkte tatsächlich ab 3 € im Supermarkt, die 86 Punkte gibt es im Schnitt ab 6 €, die 88 Punkte gibt es tatsächlich schon ab 8 Euro und die 90 Punkte gibt es ab 12

00:33:22

Zwei Proben, eine mit den Großen aus der zweiten Reihe, eine mit den Zweitweinen der großen Namen und wie sie sich unterscheiden werden, insbesondere in der Resonanz Deiner Gäste

00:35:22

Ihr wollt ja eigentlich von meinen Fehlern lernen deswegen 

12 Flaschen Kassner-Simon Freinsheimer Oschelskopf Kabinett trocken, Porzelt Klingenmünsterer Maria Magdalenen Kabinett trocken 4,60 € damals 12 Flaschen rein damit u

… war 2006 das Aktivkohle Desaster…

…wenn du dann einen Erzeuger hast und so eine Lage von der du noch nie gehört hast und du hörst auch nie wieder was davon weil das so ein One-Hit-Wonder war …

00:38:22

 es gibt natürlich auch Ausnahmen auf der Mauer von Bassermann Jordan 

… heute gibt’s 500 Winzer die probierenswert sind … Sechser Probierpakete reicht für 30 Jahre

00:40:13

wenn du so einkaufst dann fütterst du einen Patchwork Keller, weil du solche Weine auch nicht automatisch im nächsten Jahr wieder kaufen kannst, weil dann können die ganz woanders auf deiner S-Kurve oder in dieser Treppenfunktion sein

00:40:35

Flo erklärt den Decoy Effekt

00:42:35,000 –> 00:43:26,000

Flo schildert seine Sicht auf den zweiten Wein, Felix löst auf

00:45:35

Felix Historie mit dem Weingut Schwab und warum sowas mehr Spaß macht, als Sprungpunkte zu suchen

00:48:34

Mathias, du hast jetzt eine eigene Folge. Du wärst natürlich wirklich bescheuert wenn du dir diese beiden Weine nicht kaufen würdest die probieren würdest und dazu noch mal die Folge hörst da gehe ich jetzt mal fest von aus vielleicht ein paar Freunden oder mit deiner besseren Hälfte 

meine Empfehlung für dich ist eben jetzt nicht viel Schwab Weißburgunder trocken für 8 € kaufen … immer so viel kaufen dass man bisschen weniger im Keller hat als man gerne hätte damit man wenn man dann auf den Mittwoch Abend runter geht sich nicht zu sehr in der Comfort Zone ausbreitet das sage ich dir deswegen weil ich das gemacht habe und ich habe es bereut ich habe diese zwölf Flaschen Klingenmünster Maria Magdalenen das war Zeitverschwendung und damit das nicht passiert immer ein bisschen weniger Schwab und corvers-kauter im Keller haben als du eigentlich hättest … habe ich doch noch ein bisschen Neugierde … vergiss die Treppenfunktion. mit der Treppenfunktion lernst du nichts über Wein, mit der treppenfunktionen lernst du 7 baskische Dialekte und trinkst den ganzen Tag Navarra

00:50:23

Flo ist dran

00:50:42

Du musst mir die Frage beantworten wann hast du das letzte mal Wein gekauft nur nach dem Etikett

00:52:49

unsere Bubble und wie sich die Weinetiketten in unserer Bubble entwickeln und verändern und was wir dann ansprechend finden und wie das auf dem allgemeinen großen Weinmarkt ist weil ich glaube das ist sehr unterschiedlich bei uns jetzt so wenn es naturnah geht oder auch bei einem VDP Weingut dann vielleicht nicht so unbedingt aber viele andere Winzer verändern ihre Weinetiketten ja eher so minimalistisch, weniger überbordend sehr einfach gestaltete klassische Sachen und die großen Studien dazu sagen eherl das Gegenteil. es gibt eine große Studie von der Stanford California Institute of Technology … das ist die die am meisten zitiert wird die ist daher so auf der anderen Schiene also Gold und 3D Prägung und sowas dann wird der Wein verkauft der sieht der edler aus als er eigentlich ist … bei uns ist es eher ansprechend ein bisschen minimalistischer ist oder halt was sehr abgefahrenes

00:54:18

Weine mit Tieren auf den Etiketten

00:56:18

Wir messen mit zweierlei Maß, alt ist nur gut, wenn es wirklich alt ist

00:57:18

Aldingers Sine und die überforderte Weinfachverkäuferin

00:59:18

Etiketten können uns sogar beeinflussen, wenn wir den Wein und den Winzer gut kennen

01:00:18

Felix schildert seine Eindrücke zum Vietti, Flo löst auf

01:04:18

Flo schenkt einen zweiten Wein ein: Doppio Passo Primitivo der meistverkaufte Rotweine in Deutschland

01:05:18

Verkostung, Auflösung und Einordnung des Primitivo

4 Gedanken zu „Blindflug 111: die Treppenfunktion“

  1. Felix magst du noch den Namen des erwähnten Restaurants in Freiburg teilen? Ist halt näher aus der Schweiz als Bochum 🙂 Schöne Grüsse Manu

  2. Sehr spannende Themen.

    Ich als recht junger Student würde mal folgende These aufstellen: Ich höre den Blindflug, weil ihr entweder sehr unterhaltsam über Themen rund um Wein redet, weil ihr spannende Aspekte beleuchtet und teilweise ein wenig „entmystifiziert“ Stichwort „Naturwein“, „Biodynamie“, usw., und, weil ihr von eigenen Erfahrungen berichtet und man diese doch auch mal nutzen sollte (Eleanor Roosevelt „learn from the mistakes of others …“). Natürlich geht damit auch eine gewisse „Einführung in das Hamsterrad“ einher, aber ich bin mir nicht so sicher, in wie weit sich das dann vermeiden lässt. Darüber hinaus ist das, glaube ich, auch nicht unbedingt der Hauptgrund warum man hier ist. Denn trotz gewissen kommerziellen Verbindungen zur Weinwelt (Podcast-Sponsorings, professionelle Verkostertätigkeit, usw.) ist es einfach sehr erfrischend Menschen zuzuhören, die manche Aussagen eben mal nicht an ihre eigenen geschäftlichen Interessen binden müssen. Solche Podcasts höre ich zwar auch gern mal, aber nur diese Art von content ist auf Dauer echt ermüdend.

    Die Forderung nach mehr Winzern und Winzerinnen, die late releases anbieten, ist definitiv gerechtfertigt und da sollte auch ich wahrscheinlich aktiver sein. Ich versuche meistens irgendwie die Winzer zu verstehen, wenn von deren Seite argumentiert wird, dass sie dafür nicht zuständig sind, aber trotzdem bin ich immer happy, wenn mal ältere Jahrgänge zu fairen Preisen im Erstmarkt auftauchen.

    Viettis Timorasso muss ich noch probieren, aber insgesamt mag ich die Rebsorte echt gern. Ich kann auch absolut nachvollziehen, dass das erstmal rot geschmeckt hat. Ging mir mit Massa auch schon mal ähnlich.
    By the way, ich hatte letztens aus eigenem Interesse mal die Analysewerte von Doppio Passo gegoogelt. 5,9 g Säure und 17 g Restzucker.

    1. Danke für die tröstenden Wort zu meiner Midlife-Crisis 😉
      JA, die Analysewerte hatte ich so auch im Kopf, allerdings hatte ich einen höheren Alkoholwert abgespeichert. Da müsste man mal schauen, ob das vor zehn Jahren auch schon so war.

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