Keine Sorge, es gibt keinen Früchtetee ins schwarze Glas. Wir trinken Bubbles aus der Champagne und dem Markgräflerland. Die Headline soll lediglich Sascha daran erinnern, wie er seine Muskatellerblockade lösen kann.
Dass Felix Sascha Bubbles einschenkt, kommt ständig vor, heuer zum dritten Mal innerhalb der letzten fünf Episoden. Umgekehrt allerdings ist es eine Premiere. Und so kommet es zu einem schrägen Vergleich. Ein Champagner und ein Schaumwein aus (teilweise?) historischer Rebsorte, wobei bei letzterem Fragen bleiben, aber der Reihe nach…
Drappier Brut Nature – 100 Prozent Pinot
Der ‚Brut Nature‘ NV von Drappier ist ein Champagner, der zu einhundert Prozent aus weiß gekeltertem Spätburgunder entsteht und nach dem Degorgieren nur mit Schwefel und dem gleichen Schaumwein und nicht mit Süßreserve oder süßem Wein aufgefüllt wird – das nennt sich Zero Dosage. Er zeigt am Gaumen aber eine solche Zitrusfrische, dass Felix ausschließt, hier könne es sich um reinsortigen Pinot handeln. Falsch geraten. Trotzdem findet Felix am Wein Gefallen, denn es kommt ja auf den Geschmack an.
Musketier 2014 – Sekt aus Muskat-Gutedel
Felix hat nicht separat recherchiert, weswegen er bezüglich der tatsächlichen Zusammensetzung seines Weines etwas nebulös bleibt. Der Sekt ‚Musketier‘ 2014 brut von Brenneisen aus Baden ist entweder reinsortig Muskat-Gutedel oder eine Cuvée aus Gutedel und Muskat-Gutedel. Muskat-Gutedel ist eine historische Rebsorte, die erst vor wenigen Jahren wiederentdeckt wurde. Seitdem rekultivieren einige wenige Winzer sie. Die exakte Abstammung ist unklar, doch es handelt sich vermutlich um eine wilde Kreuzung von Gutedel und einer Sorte der Muskateller-Familie. Geschmacklich ist sie genau das: eine Mischung aus Muskateller und Gutedel. Und jedes Mal, wenn Felix Sascha blind einen Muskateller serviert, gerät der komplett ins Schwimmen. Alsa, Sascha, aufgemerkt: Wenn Du an Früchtetee denken musst, dann ist irgendwie eine Aromasorte im Spiel und wenn keine Rosen dazu kommen, dann ist es Muskateller.
Viel Spaß bei einer neuen Episode unseres Podcasts.
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Lieber Felix,
vielen Dank, ich fand die letzten Folgen auch wieder großartig – sehr interessant und inspirierend.
Bezüglich Parker war das für mich eine Rehabilitation. Bisher hatte ich ihn auch dafür verantwortlich gemacht, dass die Weine dicker und stärker geworden sind. Jetzt ist er nach meinem Gefühl nur noch für manche Preisexplosionen verantwortlich.
Zum Glück hat er deutsche Rieslinge nicht wirklich beachtet. In diesem Sinne fühlte ich mich als Mitglied des gemäßigten Flügels der Rieslingfraktion auch gar nicht beschimpft. Nach meinem Eindruck werden trockene Rieslinge schon nicht zu niedrig bewertet und ich kann vor allem gut damit leben, wenn Chardonnay international mehr Renommee besitzt. Laut Wine-Searcher liegt der durchschnittliche Preis der 10 besten Chardonnays bei 2500,00 USD, und dabei sind die wirklichen Preise teilweise noch deutlich höher als in der Liste und es waren Schnäppchen wie The Judge und ein Chablis Grand Cru dabei. Jeder Wein auf der Liste ist teurer als zum Beispiel ein Clos St. Hune.
Ich kann also ganz gut damit leben, wenn diese Weine mit durchschnittlich 95 oder 96 Punkten etwas über einem schönen Großen Gewächs stehen. Wahrscheinlich ist es für mich trotz aller Weinbegeisterung sogar irrelevant, wie gut ein Wein im vierstelligen Bereich und darüber schmeckt.
Ernüchternd finde ich, dass es im Ergebnis eigentlich keine wirkliche Weinkritik (mehr) gibt, sondern sich das Allermeiste im Bereich von versteckten Advertorials oder Influencertum bewegt. Euch nehme ich da ausdrücklich und sehr positiv aus, da ihr euch immer wieder kritisch im wirklichen Sinne äußert. Aber Stuart Pigott und Stephan Reinhardt bewegen sich bei aller fachlichen Kompetenz in meinen Augen soviel im Graubereich zu Marketing, dass die Grenze für mich nicht mehr greifbar ist. Und bei Sam Hofschuster wird die Qualitäspyramide am Ende auch erstaunlich oft eingehalten.
Punkte finde ich trotzdem interessant. Aber weniger absolut, sondern relativ, also, um zu sehen, wie eine Person verschiedene Weine im Verhältnis zueinander sieht. Allerdings würde ich einen Wein, der durchgehend bei 89 Punkten liegt und den ich nicht schon kenne, eher nicht kaufen – ziemlich irrational, aber wahr.
Die Frage, ob Informationen den Genuss erhöhen können, finde ich spannend. Objektiv werden Wein und Musik dadurch natürlich nicht besser, wenn ich mehr über sie weiß, aber objektiv ist bei Genuss auch egal. Subjektiv führen Informationen definitiv zu einer anderen Wahrnehmung. Teurer Wein schmeckt besser als billiger, wenn man den Studien dazu glauben darf. Außerdem kann ich Wein und Musik vielschichtiger wahrnehmen, wenn ich etwas über sie weiß. Wahrscheinlich kann mir derselbe Wein also besser schmecken, wenn ich mehr über ihn weiß.
Einen Vergleich zu Musik kann man nach meiner Meinung auch bei dem Thema heimlich süßer Rotwein ziehen. Nach eurer Folge zu Primitivo habe ich von einer beabsichtigten Bestellung abgesehen, denke aber mittlerweile, dass es auch ein wenig der Snobismus von Free Jazz-Liebhabern gegenüber Loungejazz sein könnte. Außerdem ist es ein Beispiel, wie sich Informationen auch mal negativ auf den Genuss auswirken können.
Viele Grüße
Tobias
Hallo Tobias,
Danke für Deinen Kommentar und Deine Gedanken zur Beeinflussung des Geschmacks durch Wissen. Sie helfen mir, noch genauer zu formulieren, was ich meine, wenn ich sage: Erkenntnis schmeckt lecker.
Die Geschichte mit den Studien zu ‚teurer Wein schmeckt besser als billiger‘ ist eine, die dadurch entstanden ist, dass einer vom anderen abschreibt und die Wahrheit immer mehr verschwimmt. Wir haben in Folge 11 mal kurz (damals habe ich mich noch nicht getraut einfach 40 Minuten dampfzuplaudern) über das tolle Buch ‚Gastrologik‘ von Charles Spence gesprochen und ich weiß nicht, wie sehr wir ins Detail gegangen sind. Spence schildert das Originalexperiment. Menschen wurden in ein MRT geschoben und dann wurde ihnen Wein zu probieren gegeben. Es gab identischen Wein bei verschiedenen Gelegenheiten. Wenn die Info war, der Wein sei teuer, wurde (im Gegensatz zur Reaktion beim vermeintlich billigen Wein) deutliche Hirnaktivität im ‚Belohnungszentrum‘ gemessen. Spence erklärt, dass da von Geschmack keine Rede sein könne: der Wein wurde durch einen Plastikschlauch zugeführt und über einen zweiten Schlauch wurde zum Spülen zwischen den Weinen ein medizinischer Speichelersatzstoff zugeführt. Er schreibt, Genuss wäre dabei definitiv kein großer entstanden. Der Wein schmeckte nicht besser. Das kann man ganz gut in meine Theorie aus der Episode einbauen. Der Wein schmeckt nicht besser (das Theaterstück wird nicht lustiger), aber es werden zusätzliche Impulse freigesetzt, zum Beispiel im Belohnungszentrum. Man kann sich auch daran berauschen, dass man etwas schmeckt (wie etwa Mineralik, Potential, Entwicklungsaromen), was man früher nicht schmecken konnte. Ich erinnere mich gut daran, dass ich immer ziemlich stolz war, wenn ich das Gefühl hatte, ich hätte eine weitere Stufe auf dem langen Weg zum Weinkenner erklommen 😉
cheers
Felix
P.S. Ich habe noch mal bei Spence nachgelesen: doch, die Probanden wurden befragt und sagten, der teure Wein schmecke Ihnen besser, allerdings waren die Durchblutungsströme im ‚primären gustatorischen Kortex‘ identisch. Der Wein wurde geschmacklich identisch verarbeitet, die Aktivitäten im Belohnungszentrum machten den Unterschied.
Mal wieder eine hammer Folge (so wie die letzten auch schon). Manchmal weine ich ja darum, dass der Podcast nur eine Stunde geht, da ich euch beiden wirklich ewig zuhören könnte.
Das zum Klugscheißern gefällt mir ganz gut (also was >90 Punkte definiert), aber wie siehst du das, Felix, dann wenn es um Kontext zu Wein geht; das macht ja, wenn eine gewisse Grundaffinität vorausgesetzt wird, für viele den Wein dann auch „schöner“ „netter“ oder „interessanter“ ist dann aber dann doch auch ein wenig klugscheißern… zumindest konnte ich mit viel Zusatzwissen dann auch meinen Freund dafür begeistern auch was anderen als 4 € Grünen Veltliner beim Supermarkt zu kaufen und gut & interessant zu finden. Oder geht es dir da mehr darum, dass nicht einfach unaufgefordert viel Information dargeboten wird?
Freu mich schon auf die nächste Folge (& vll. auf den 29.10., je nach Zeitmanagement)!
Ich habe noch keinen 90-Punkte Veltliner für vier Euro getrunken (was nicht heißt, dass es das gar nicht gibt). Wenn Du Deine Freunde verführen willst, musst Du Ihnen vielleicht mal einen Kamptal DAC von Jurtschitsch, oder deren Gneis und Glimmer oder die Terrassen von Bründlmayer einflößen. Das sind Weine aus der Liga, die relativ regelmäßig das 90 Punkte-Niveau erreichen. Um jemand dazu zu bekehren, muss man, glaube ich, gar nicht lang erzählen. Ob die Leute dann weiter mitgehen, das kann man mMn auch mit langen Vorträgen nicht groß beeinflussen. Der Funke springt über, oder eben nicht.