Ich habe eine Einladung erhalten, zu einer Pressereise, ins Burgund, nicht von irgendeiner Genossenschaft oder einem großen Negociant, vom BIVB direkt, dem Weinbauverband der Region. Ich könnte mich geschmeichelt fühlen. Doch die Einladung hatte wenige Tage Vorlaufzeit, damit war klar: Du bist Ersatzmann, da hat jemand kurzfristig abgesagt.
Mir ist das Wumpe. Auch geht es bei dieser Reise nicht um die Filetstücke der Côte de Nuits, sondern um Regionen die ‚need some love‘, wie unser Fahrer, Führer und Übersetzer Stevie es ausdrückt. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. ‚Deserve more love‘ kommt auch hin, deswegen bin ich hier. Schließlich habe ich mich vorher vergewissert: ‚Unbekanntes Burgund‘ (so das offizielle Motto) heißt nicht Gamay und Aligoté. Es stehen Givry, Rully, Viré-Clessé oder Monthélie auf dem Programm – und Pouilly-Fuissé, wo ich jetzt stehe. An einem Hang vor atemberaubenden Panorama, das ich fotografiere und filme, während hinter mir mein erster Gastgeber wartet.
Zwei Generationen auf elf Hektar
Thierry Drouin entspricht ziemlich genau meinem Klischee eines Winzers aus dem Burgund. Tiefenentspannt, verschmitztes Lächeln, fröhliches Zwinkern, gemütliche Figur, keine Fremdsprache, aber wir haben Stevie, unseren Dolmetscher. Und der übersetzt uns die gar nicht so harmonische Entstehungsgeschichte der Domain, während wir den überschaubaren Keller besichtigen. Thierry war 17, als er von der Schule abging und in den elterlichen Betrieb einstieg. Das Problem war, sein Vater war erst 45 und dachte nicht nur nicht an Ruhestand, er hatte auch keinerlei Interesse irgendwelche Entscheidungen aus der Hand zu geben. Nach kurzer Zeit schmiss Thierry das Handtuch und gründete 1980 seine eigene Domain, in der er 1982 die erste Ernte einfuhr. Er selbst will heute erkennbar anders ein als seine Eltern. Sein Sohn Charles-Edouard sei seit einigen Jahren mit an Bord und er habe ihm von Anfang an viel Verantwortung übertragen. Der habe es ihm auch prompt zurückgezahlt, als er für den Jahrgang 2014 den regionalen Titel des ‚Jungwinzers des Jahres‘ in die Familie holte.
Fasswein vom Besten
Thierry nennt kein fixes Datum für seinen Ruhestand. Er nennt einen Meilenstein. ‚Wir bewirtschaften elf Hektar und verkaufen die Hälfte unserer Weine im Fass an Negociants. Ich will noch mithelfen, dass wir alles selbst in Flaschen vermarkten, dann gehe ich in Rente‘, beschreibt er seinen Fahrplan. Wie sein Sohn und er denn entscheiden, was sie füllen und was sie im Fass verkaufen, will ich von ihm wissen. Stevie lacht. ‚Das beste bleibt natürlich hier‘, greift er Thierrys Antwort vor, doch der korrigiert ihn. Die Domain verfügt über satte 7,5 Hektar Spitzenlagen, die als Pouilly-Fuissé klassifiziert sind, dazu etwas Saint-Véran, eine andere Gemeinde-Apellation des Mâcon und nur 3 Hektar Basis Mâcon. Und auch im Burgund gibt es Erzeuger, die vor allem ab Hof verkaufen. Und auch bei denen nimmt die Kundschaft 4 Kisten Basis und eine Kiste vom Guten für den Sonntag mit. ‚Deswegen verkaufen wir quasi ausschließlich Pouilly-Fuissé als Fasswein an Negociants‘ erklärt Thierry sein Luxusproblem, schließlich hören wir im Laufe unserer Reise noch von Fassweinpreisen von 8 Euro für den Liter Gemeindewein.
Charles-Edouard kommt aus dem Weinberg wieder, wo er mit ein paar Freunden irgendetwas zu erledigen hatte. Es war matschig, also verteilt Charles-Edouard ein bisschen Terroir im Verkostungsraum. Er sagt kurz Hallo, schnappt sich zwei Flaschen Wein und einen Korkenzieher und verschwindet wieder nach draußen. Er ist sichtbar erleichtert, dass Papa noch ein paar Jahre an Bord bleibt und ihm die Journalisten vom Hals hält. ‚Die Freunde kriegen jetzt ihren flüssigen Lohn, das duldet keinen Aufschub‘ entschuldigt Thierry seinen Sohn. Hier bin ich richtig, mein Einstieg ins Burgund ist ein uriger. Zeit sich den Weinen zu widmen.
Bezahlbare Burgunder – es geht
Der einfachste Chardonnay auf der Weinliste kostet 8,20 Euro. Es ist der sehr ordentliche 2017er Mâcon-Bussières aus der Lage Le Vieux Puits. Blumig in der Nase startet der Wein ganz klar am Gaumen, bevor sich der Biologische Säureabbau noch etwas bemerkbar macht. Alle Weine im Hause Drouin durchlaufen die malolaktische Gärung und alle Weine liegen mindestens ein halbes Jahr auf der Hefe, die regelmäßig aufgerührt wird. Das ist Stil des Hauses, ebenso wie eine sehr rudimentäre Filtration und Füllung nach Mondphasen. Beim zweiten Wein in unserem Glas springt der Funke über, der 2017er Mâcon-Vergisson aus der Lage La Roche lag zu 15 Prozent in neuem Holz. Der eher lehmige Boden erbringt einen kräftigen Wein, sehr fokussiert und klar, der das Holz prima verdaut – und das zu 9,30 Euro. Der 2017er Saint-Véran darf seine Lage nicht auf dem Etikett führen, denn die trägt allen Ernstes den Namen Côte-Rôtie. Da hatte die berühmte Weinbauregion an der Rhone etwas gegen. Mir fehlt es an Struktur, was der Winzer damit erklärt, dass die Reben extrem jung seien.
Abschiedscuvée aus dem Stahltank
Thierry kommt noch einmal auf meine Frage nach den Auswahlkriterien für den Fassweinverkauf zurück. Die Weine der besten Parzellen in Ihrem Portfolio würden Sie schon selbst auf die Flasche ziehen. In ihrem Bemühen, mehr Flaschen zu vermarkten, seien sie aber dieses Jahr auch vor dem Verkauf noch einmal ‚naschen‘ gegangen und hätten von fast allen Fassweinpartien, die sie grundsätzlich im Stahltank ausbauen, einen Teil abgezogen und eine eigene Stahltank-Cuvée kreiert. Die trägt den Namen Pouilly-Fuissé Plaisance 2017 und kommt jetzt ins Glas. In der Nase sehr blumig, am Gaumen rund und traubig, saftiges Vergnügen für 14,50 Euro. Dann kommen zwei Pouilly-Fuissé aus Einzellagen. Der 2016er En Buland kommt aus 400 Metern Höhe. Er steht auf einer dickeren Kalksteinschicht, bevor in der Tiefe der Lehm das Wasser hält. Schöne Säure, fester Kern, darüber noch die Jugend mit viel Hefe und deutlich mehr neuem Holz – wir sehen uns in fünf Jahren wieder, mit Vergnügen. Als letztes dann das Prunkstück der Kollektion. La Maréchaude 2016 ist ein ganz fester, zitrusfruchtiger Chardonnay mit toller Struktur, feinem Holz und einem wahrhaft mineralischem Abgang, kostet neunzehn, schmeckt nach vierzig Euro.
Im Rausgehen probieren wir noch den Rotwein. Der Mâcon-Rouge Les Bruyères 2017 ist, wie die meisten roten Mâcon, aus Gamay gekeltert. Gamay mag ich nur, wenn er untypisch nach Pinot schmeckt. Deswegen ist Drouins Wein für mich ein Volltreffer für bescheidene 6,60 Euro! Der erste Winzerbesuch im Burgund legt die Latte für den Rest der Reise durch das ‚unbekannte Burgund’ ziemlich hoch.
Anmerkung: Es gibt die Weine noch nicht in Deutschland, interessierte Händler wenden sich einfach an das Weingut: www.domaine-drouin.com