Wein Online Award 2014

Noch einmal Vinocamp 2014: die Wine Online Awards. Die Preise für den besten Text und das beste Foto, die oder das der Urheber in frei zugänglichen sozialen (also mit offener Kommentarfunktion und ‚Sharing‘-Möglichkeit versehenen) Medien veröffentlicht hat, erlebten ihre zweite Auflage. Neu hinzugekommen ist dieses Jahr der Preis für das beste ‚Projekt‘ mit gemeinnützigem Charakter. Wein Online Award 2014 weiterlesen

Warmer Wein mit Wilhelm Weil – Vinocamp 2014

Geisenheim: die etwas andere Uni
Geisenheim: die etwas andere Uni!

Ich war beim Vinocamp 2014 in Geisenheim an der Weinbau-Uni. Das Klassentreffen all derer, die mit Wein und sozialen Medien zu tun haben (oder sich sehr dafür interessieren) erlebte dieses Jahr seine vierte Auflage. Und es wird besser und besser, eine Steigerung beim nächsten Mal wird kaum möglich sein – allein: das dachten wir letztes Jahr auch schon. Warmer Wein mit Wilhelm Weil – Vinocamp 2014 weiterlesen

Die After-Show-Party

Das schönste an einer Weinprobe ist für viele das Bier danach. Da ich Bier nicht gut vertrage, bin ich nicht in Versuchung: Für mich ist das schönste an einer Weinprobe die Weine danach. Das liegt auch daran, dass die meisten von mir besuchten Weinproben keine professionellen Verkostungen, sondern Versammlungen von Enthusiasten sind. Und nach dem offiziellen Programm beginnt bei solchen das etwas planlose aber umso begeistertere Querbeet-Blind-Probieren. Nach der letzte Woche beschriebenen Lembergerprobe war es wieder soweit und diesmal oblag es mir, den Zeremonienmeister zu geben.

Diesem Zeremonienmeister kommt die besondere Rolle zu, die Stimmung seiner Gäste zu spüren und den dazu passenden nächsten Wein zu finden. Dabei sollte er Selbstbeherrschung an den Tag legen, der Versuchungen sind viele. Er ist der einzige, der weiß, was die Gäste im Glas haben und das gilt es, die anderen niemals spüren zu lassen. Idealerweise lenkt er sie behutsam in die richtige Richtung, stellt der Reihe nach Konsens über Rebsorte(n), Anbaugebiet, Jahrgang und weiteres mehr her, denn das größte Vergnügen bei der After-Show-Party ist das gemeinsame Erraten des Glasinhaltes. Jede hochgezogene Augenbraue bei weit am Glasinhalt vorbei zielenden Mutmaßungen gilt es zu unterdrücken. Überhebliche Moderatoren sind die schlimmste Form des Party Poopers. Also steuert er demütig und mit Pokerface den Dialog der Gäste bis er in der Hoffnung aufdeckt deren Geschmack getroffen zu haben.

Los geht das Ratespiel häufig mit einem Reparaturwein, nach Rotweinproben meist einem süßen Riesling. Letzte Woche startete ich meinen Job unter erschwerten Bedingungen, denn nur zwei Mitstreiter gelüstete es nach einer Auslese, der Großteil wollte noch ein wenig weiter die Reste aus den Rotweinflaschen nachverkosten. Also öffnete ich eine Halbflasche. Kaum war das Plopp des Korkens verklungen, änderten jedoch alle Teilnehmer ihre Meinung. Also folgte eine ganze Flasche einer weiteren Auslese – die After-Show-Party trägt auch den Beinamen ‚Stunde der Kühlmanschetten‘. (Kühlmanschetten sind sowieso das wichtigste Weinzubehör, wenn mehr als drei Weinfreaks in einem Raum sind).

Eine weitere Versuchung, der es zu widerstehen gilt, ist der Wunsch möglichst teure Flaschen zur blauen Stunde zu öffnen. Schließlich haben die Gäste schon mehr als 20 Weine probiert, da geht es nicht mehr um die letzte Feinheit, sondern um ein paar Überraschungsmomente. In meinem Weinvorrat befinden sich Flaschen, die ausschließlich solchen Gelegenheiten vorbehalten sind – meist Restflaschen eines ehemals größeren Postens besonderer Weine. Die zweite Runde läutete genau so ein Wein ein: Kellers Neumond von der Weinentdeckungsgesellschaft. Und hier ging es mit mir durch, einer der Tipps zum Riesling war zu eindeutig (‚Dieser Wein ist ein Unikat‘). Der Neumond war rasch identifiziert. Trösten konnte mich der Glasinhalt: so gut wie letzte Woche hat sich der Keller bisher noch nicht präsentiert. Nach kurzer Erläuterung der Weinentdeckungsgesellschaft kam der nächste Wein offen ins Glas, meine letzte Flasche ‚Roter Baron‘ – Knipsers Beitrag zum Projekt. Aber Höhen und Tiefen liegen nah beieinander – der Rote Baron war uncharmant. Drei Tage später trank ich den Rest der Flasche und er hatte seine sehr kantige Art abgelegt, war ein angenehmer Rotwein; der Zauber der frühen Flaschen ist aber wohl dahin.

Einen letzten Wein hatte ich noch im Köcher. Es galt eine Scharte auszuwetzen. Knapp ein Jahr ist es her, dass ich mich mit der Hälfte meiner Gäste zu einer kleinen frugalen Probe mit dem Thema ‚Bordeaux unter 25 Euro‘ zusammengefunden hatte. Ich hatte – halb scherzhaft, halb größenwahnsinnig – angekündigt, den Siegerwein mitzubringen. Einen Abend vor dem Showdown feierte ich eine gelungene Generalprobe mit dem Wein um dann Tags darauf mit einer schwachen Flasche den letzten Platz zu belegen. Die allerletzte Flasche Rollan de By 2003 lag seitdem zur Ehrenrettung bereit. Und da war es, das versöhnliche Ende. Es war die perfekte Flasche eines perfekt gereiften Bordeaux. Einzig ein Luxusproblem tat sich auf: Wenn man für 15 Euro so gute, langlebige Rotweine aus Bordeaux kaufen kann, warum soll man dann überhaupt etwas anderes trinken, fragte einer der Gäste. Aber das war vermutlich eine Scherzfrage.

Und das gab es zu trinken:

Kerpen, Wehlener Sonnenuhr Auslese **, 2006, Mosel: Sehr gut aber jahrgangsbedingt auch sehr dick. Hält sicher noch eine Weile

Ludwig Thanisch & Sohn, Brauneberger Juffer Auslese **, 2005, Mosel: Schlanker als der Kerpen, mit angenehmen Gerbstoffen, die der Süße etwas entgegenstellen.

Keller, Neumond, Riesling, 2009, Rheinhessen: Derzeit in fantastischer Verfassung, wer einen hat, jetzt öffnen und nicht dekantieren.

Knipser, Der Rote Baron, o.J., Pfalz: Derzeit lieber nicht anfassen oder länger dekantieren.

Chateau Rollan de By, 2003, Bordeaux: Der Wein ist seit nunmehr 9 Jahren unverändert eine Granate.

Mineralik (1): Stein im Wein?

Seit einiger Zeit reift in mir ein gewisses Unbehagen. Ich entwickle ein Problem mit der Mineralik in Wein. Für die Webweinschule recherchierte ich dieser Tage noch einmal zum Thema und mein Unbehagen nahm konkretere Formen an. Dann schrieb Markus Budai einen Artikel über Mineralik bei Captain Cork, der eine Diskussion bei Facebook auslöste. Das war der endgültige Anlass, mich tiefer in Literatur und Internet zu stürzen um eigene Erkenntnisse zu erlangen. Lang ist die Ausführung geworden und trocken im Vergleich zu sonstigen Geschichtchen im Schnutentunker. Also präsentiere ich sie hier in zwei Teilen und warne schon vorher: komplizierter Stoff. Mineralik (1): Stein im Wein? weiterlesen

Harte Zahlen – weiche Zahlen

Die folgende Erläuterung hat nichts mit Wein zu tun. Sie bezieht sich auf Dirk Würtz’ Artikel über die aktuellen Auflagenzahlen der Weinpresse und eine lebhafte Diskussion, die sich darum auf den verschiedenen sozialen Kanälen entwickelt hat. Da ich beruflich mit Absatzförderung befasst bin, wurde ich gebeten, einige klärende Anmerkungen zum Thema, wie läuft der Entscheidungsprozess in der Anzeigenschaltung, welche Reichweitendaten sind relevant und wie werden sie erhoben und ausgewertet, zu liefern. Da Facebook mangelhafte Such- und Archivfunktionen bietet, publiziere ich hier, wo der Text auch später leicht gefunden wird. Wer den Schnutentunker liest, weil er sich für Wein interessiert, der komme bitte nächste Woche wieder.

Die Zahl der gedruckten, verkauften, abonnierten und verschenkten Hefte deutscher Print-Medien wird von der Interessengemeinschaft für die Verbreitung von Werbeträgern (kurz IVW) gemessen. Die Zahlen der Weinmedien sind seit Jahren rückläufig. Die tatsächlich verkaufte Auflage einiger Medien nähert sich dem vierstelligen Bereich. Daraus lässt sich auf einen Niedergang schließen, trotzdem sollte man die richtigen Zahlen für die Analyse heranziehen.

Anzeigenkampagnen werden in Deutschland meist von zwei Dienstleistern für den Werbetreibenden erarbeitet. Die Werbeagentur (auch Kreativagentur genannt) konzipiert den Inhalt und die Gestaltung, die Media-Agentur sucht die idealen Umfelder für die Schaltung der Motive, verhandelt die Preise und übernimmt die Auswertung der Ergebnisse. Media-Agenturen haben einige Parameter, mit denen sie planen: Reichweite, Relevanz und Preis. Gehen wir sie einmal der Reihe nach durch.

Die Reichweite ist die Zahl der Menschen, die ein Anzeigenmotiv tatsächlich zu sehen bekommen, beziehungsweise die beste Näherung daran. Sie wird aufgrund von Daten einer Media-Analyse, der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse (AG MA, die Studie heißt MA) berechnet. Die AG MA führt jedes Quartal Interviews mit einer Zahl von Menschen, die mindestens den Anforderungen an einen Zensus entspricht. Dabei werden Fragen zur Mediennutzung gestellt. Tuen wir für die Sekunde mal so, als gehörte ich zu den Interviewten.

Ich habe keine Weinzeitschrift abonniert und kaufe auch keine. Meine letzte Vinum habe ich bei einer Messe geschenkt bekommen, einen Falstaff besitze ich nicht. Wenn ich aber Donnerstags einen Absacker im Rutz nehme, an ‚unserem‘ Tisch hinten in der Ecke, und meine Frau geht sich kurz die Nase pudern, dann drehe ich mich um und greife in die Obstschale auf dem Tresen – da liegt die Vinum. Und wenn ich zum Plausch bei Planet Wein am Gendarmenmarkt weile und die freundliche Inhaberin Anja muss einen Kunden verarzten, dann liegt in der rechten Ecke der mittleren Fensterbank der Falstaff.

Während meines MA-Interviews werden mir Kärtchen mit den Logos von Medien gezeigt und Fragen zu meinem Nutzungsverhalten gestellt. Also sehe ich die Karte mit dem Vinum Logo und erkläre wahrheitsgemäß, wann ich das letzte Mal in dieser Zeitschrift gelesen habe. Je nachdem wie es sich damit verhält, lande ich entweder im sogenannten Weitesten Leserkreis (WLK), der Zahl von Menschen, die mindestens einmal in den letzten zwölf Monaten das Magazin gelesen haben oder gar in den Lesern der letzten Ausgabe. Auf diese Art werden der LWK und die Leser pro Ausgabe (LpA) ermittelt und ergeben zusammen die Reichweite des Mediums. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Exemplar gekauft, geliehen oder geklaut war und das ist auch gut so. Ich nehme an, dass sowohl die Vinum im Rutz als auch der Falstaff bei Planet Wein entweder ein Freiabo oder ein sogenannter Sonderverkauf sind. Das ist für den Mediaplaner irrelevant.

Für die detaillierte Mediaplanung möchte die Agentur aber noch etwas über mich persönlich (abstrakt) wissen. Also gibt es drei sogenannte Markt-Media-Studien, die die MA-Zahlen in Bezug zu Leserprofilen setzen: die Typologie der Wünsche (TdW) von Burda, die Verbraucheranalyse (VA) von Springer und Bauer sowie die Allensbacher Werbeträger Analyse (AWA) vom gleichnamigen Institut. Sollte ich als Studienobjekt von einer dieser Organisationen ausgewählt werden, so stellen sie mir Fragen über meine Soziodemographie, meine Interessen und mein aktuelles und geplantes Konsumverhalten. So ergeben sich für die Leserschaft der einzelnen Medien Interessenwerte, der sogenannte Affinitätsindex. Dieser sagt aus, wie sich das Interesse der Leserschaft über alle Leser gemittelt im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung darstellt. Ein Affinitätsindex von 400 beim Thema Wein bedeutet also, dass die Leserschaft des untersuchten Mediums eine viermal so große Liebe zu Wein pflegt wie der Durchschnittsdeutsche.

Aus diesen Daten lassen sich die entscheidenden Reichweiten- und Preisinformationen ableiten. Machen wir mal eine Beispielrechnung. Alle Annahmen sind erfunden. Gesetzt den Fall, der Spiegel hat 2 Millionen LpA und eine ganzseitige Anzeige kostet 100.000 Euro. Dann beträgt die Kenngröße Tausend-Kontakt-Preis (TKP) 50 Euro (100 TEUR/2 MM Kontakte = 50 pro Tausend). nehmen wir ferner an, die Auto Motor & Sport (AMS) hat eine Leserzahl von 500.000, ruft für die Anzeige aber 50.000 Euro auf, so verlangt sie einen TKP von 100 Euro. Da wäre ja zu heiß gebadet, wer in der AMS eine Anzeige schaltet? Jein. Es kommt der Effektiv-TKP ins Spiel: Die Leser der AMS haben eine sehr viel höhere Affinität zu Autos. Angenommen, die AWA ergibt, jeder fünfte Spiegel-Leser plant in den nächsten 18 Monaten einen Autokauf, bei der AMS sei es jeder zweite. Dann beläuft sich der Effektiv-TKP in der Zielgruppe der ‚Auto-Kaufentscheider Zeithorizont 18 Monate‘ beim Spiegel auf 250 Euro (100 TEUR geteilt durch 500.000 autointeressierte Leser), bei der AMS nur auf 200 Euro, denn hier sind die sogenannten Streuverluste niedriger, also Kontakte mit Menschen, die sich nicht für das beworbene Produkt interessieren. Deswegen bewirbt man Nutella nicht in der Men’s Health und Chanel nicht im Kicker.

Die Markt-Media-Studien fördern übrigens nicht nur Offensichtliches zutage, sondern auch vieles auf den ersten Blick nicht selbstverständliche. Wer Single Highland Malt Whiskey bewerben will, der geht in die P.M. – warum weiß nur die Software. Denn eine solche nutzen die meisten Media-Agenturen. Sie bietet den Vorteil, dass sie auch komplexe Zusammenhänge berechnen kann und die Frage beantwortet, die noch offen ist: Wenn die AMS für Mercedes doch so viel günstiger ist, als der Spiegel, wieso buchen die nicht nur AMS? Und hier geht es um den Werbedruck, die Kontaktzahl insgesamt und die absolute Reichweite. In Deutschland sind zu jeder Zeit 5 Millionen Menschen mit der Frage beschäftigt, welches Auto sie sich denn in den nächsten 18 Monaten kaufen sollen. Da hilft die AMS mit 250.000 relevanten Lesern nur bedingt. Mercedes muss breiter streuen, um schnell in der gesamten Zielgruppe anzukommen. Dabei bildet die Software dann Rangreihen und berechnet auch die Überschneidungen in der Leserzahl einzelner Medien.

Online funktioniert das Ganze analog: Die MA heißt hier AGOF und ist Mitglied in der AG MA, der WLK heißt WNK (Weitester Nutzerkreis) und die Daten werden mit der technischen Messung verknüpft, die ebenfalls von der IVW kommen.