Meister der Herzen

Ich glaube nicht an Bestenlisten in Weinführern. Ein Probeschluck, ob nun 5 oder 10 Zentiliter, und 10 Minuten Zeit pro Wein, dazu 20 bis 50 ähnliche Weine in einer Reihe – meiner Meinung nach kommen dabei hübsche Augenblicksbetrachtungen heraus. Ich nehme gerne an Proben teil, auch an solchen, bei denen die Rahmenbedingungen den obigen ähneln, aber ich betrachte sie eher als Gesellschaftsspiel mit hohem Genussfaktor, bei dem man nebenbei Weine in drei Kategorien einteilen kann: eher gut, eher schwach und ‚polarisierend‘.

Aber bei aller kritischen Distanz lese ich gerne Probenberichte und nehme sie mir teilweise zu Herzen. Seit einigen Jahren verfolge ich jeden Herbst die diversen Berichte von den Vorstellungen der Großen Gewächse des VDP. Ich sauge aus allen Quellen: den Blogs einiger Profis und Amateure, den Deutschen Foren und sogar Zeitungen und Zeitschriften. Dabei versuche ich dann den einen Wein zu filtern, der irgendwie überall (naja, fast überall) als besonders dargestellt wird. Viele Weine polarisieren, etliche haben Fans, die kein böses Wort über ihren Lieblingswein oder Winzer sagen würden. Und es gibt die Weine, die jedes Jahr ganz vorne dabei sind. Deswegen ist dieser Vorgang nicht messbar sondern eine reine Gefühlssache. Aber irgendwie klappt es immer und irgendwann ist es soweit.

Nach langer Lektüre reift in mir der Eindruck: der ist es. Und den kaufe ich mir dann.

Ich kaufe auch andere, habe Stammwinzer, Emrich-Schönleber und Keller finden immer automatisch Einzug in meinen Keller. Aber in den letzten Jahren immer auch der gefühlte Primus, der ‚Meister der Herzen‘. 2004 war das der Uhlen R von Heymann-Löwenstein, 2005 der Kanzem Altenberg 1. Lage trocken von von Othegraven und 2006 das Dellchen von Dönnhoff. 2007 musste ich nicht extra einkaufen, denn es war Schönlebers Halenberg und in 2008 ist es Wittmanns Morstein.

Zu der Prozedur gehört auch das Ritual einer früh getrunkenen Flasche. Die größte Verschwendung war das beim Löwenstein, der größte Genuss beim Altenberg. Bis zu diesem Jahr. Die neue Bestmarke setzte dieser Tage der Morstein. Ich habe beschlossen, die restlichen 3 Flaschen dieses Zauberweins alle in der Jugendphase zu trinken.

Westhofen Morstein Riesling Großes Gewächs, 2008, Wittmann, Rheinhessen. In Nase und am Gaumen Aprikose und Bratapfel, Orangenschale, damit gar nicht so jugendlich, wie man es vielleicht erwarten würde. Sehr kompakt und straff mit einer knackigen Säure, die verhindert, dass der Wein bei aller Kraft (und 13% Alkohol) fett wirkt. Im sehr langen Abgang viel Mineralik und ein feiner Bitterton, den ich sehr animierend finde (während meine Frau ihn sehr bemängelte).

Füllwein (7)

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für erwähnenswert befunden habe.

Mörbisch Weiß, Weißwein Cuvée, 2006, Grenzhof Fiedler, Burgenland/Österreich. Die herrliche Cuvée aus Weissburgunder und Chardonnay duftet sehr intensiv nach grünem Apfel und schmeckt auch ein bisschen danach. Daneben gesellt sich in der Nase und am Gaumen ein kräftiger Holzton mit etwas Rauch und viel Vanille dazu. Vom Mundgefühl ist er eher schlank, der Nase nach zu urteilen hätte ich ihn molliger erwartet. Den ausgesprochen langen Abgang finde ich einen Tick alkoholisch. Es gibt in Deutschland zwei populäre Vertreter dieser Mischung von den Weingütern Knipser und Keller. Ich meine, da kann Bernhard Fiedlers Wein mithalten.

Ürziger Würzgarten Riesling Spätlese, 1998, Jos. Christoffel Jr., Mosel. Die Weine dieses Winzers haben eine große Fangemeinde im Internet und ich oute mich hiermit als Gruppenmitglied. Ich gehöre jedoch zum gemäßigten Flügel. Die 98er Spätlese schmeckt auch zehn Jahre nach Füllung noch ziemlich süß, was bei nur 7 Prozent Alkohol vielleicht nicht überrascht. Die Nase bietet alle Aspekte einer Raffinerie: Diesel, Kerosin und so weiter aber auch eine große Portion Granny Smith. Auch am Gaumen findet sich dieser markante Apfel gemeinsam mit etwas Birne. Schönes Mundgefühl und gutes Süße-Säure-Spiel sind die herausragenden Eigenschaften am Gaumen. Ein bisschen adstringierend im sehr langen Abgang und nur wenig Mineralik stehen auf der Soll-Seite aber die Bilanz ist sehr positiv.

Chateau Rollan de By 2003, Cru Bourgeois, Medoc, Bordeaux. Dieser fruchtige Bordeaux ist die perfekte Verbindung von Trinkspaß und Tiefgang. Seit der Auslieferung 2005 bietet er fast unverändert einen vollen Körper, satte Frucht, angenehme Röstaromen, gut integrierte Säure und kaum spürbaren Alkohol bei einem stabilen Rückgrat aus Tannin – Lieblingswein.

Verborgene Talente

Wenn vom Weingut Dönnhoff die Rede ist, dreht es sich immer um Riesling. Bevorzugte Diskussionspunkte sind die Großen Gewächse, die mancher in Deutschlands Spitze wähnt, während andere sie zu geschliffen finden (im Sinne von ‚ohne Ecken und Kanten‘), oder seine Edelsüßen über die man selten anderes hört als helle Begeisterung – insbesondere seine Eisweine sollen grandios sein (das Vergnügen hatte ich noch nicht, einige Auslesen kenne ich). Verborgene Talente weiterlesen

Auf der Lauer…

…liegt dieser Tage so manch meinungsstarker Forenteilnehmer und Bloggerkollege. Es ist Kritik(er)saison. Die erste Vinum nach dem Besitzerwechsel wurde bereits durch das Web 2.0 gedreht. Nach dem medialen Echo auf die GG-Vorstellungen Anfang September kam dazu eine recht deftige Metakritik. Und wenn demnächst die Riege diesjähriger Deutscher Weinführer erscheint, wird dazu das eine oder andere kritische Wort in Blogs und Foren geschrieben werden. Ein heißer Herbst ist garantiert. Auf der Lauer… weiterlesen