Nachgetankt: Neumond

Unter den mittlerweile recht zahlreichen Kommentaren zu meinem Bericht über den neuesten Entdeckerwein befindet sich auch einer mit der Frage, wie es denn derzeit um den letztjährigen Tropfen der Deutschen Weinentdeckungsgesellschaft bestellt ist. Den nahm ich zum Anlass, den ohnehin bereitstehenden Riesling ‚Neumond‘ einer erneuten Prüfung zu unterziehen. Mein Fazit: Er entwickelt sich ähnlich wie andere gehaltvolle Rieslinge aus dem Jahrgang. Man kann ihn jetzt trinken, sollte ihn aber nicht zu lang belüften. Meine Empfehlung für alle, die jetzt einen Neumond aufziehen wollen, lautet nach drei Tagen der Beobachtung: gut kühlen, Korken raus und frisch eingeschenkt. Ein erstes Glas zum schwelgen, ein zweites Glas zum diskutieren – mehrere Mittrinker sind von Vorteil. Seinen Höhepunkt hat der Riesling aber noch lange nicht erreicht.

Riesling 'Neumond' von Keller und der DWEG
Entdecker-Riesling neu betrachtet

K. P. Keller (und Deutsche Wein-Entdeckungs-Gesellschaft), Riesling QbA ‚Neumond‘, 2009 (kein Jahrgang auf dem Etikett), Rheinhessen. In der Nase ist der Wein schwelgerisch und opulent, mit klassischen Rieslingaromen wie Aprikose und Aloe Vera, er zeigt aber auch eine feine Kräuterwürze mit Minze und Rosmarin. Am Gaumen ist der Neumond ebenfalls wuchtig mit Aprikose und Grapefruit, ordentlicher Säure aber auch einer gehörigen Portion Süße, dazu ist er ausgesprochen mineralisch und kommt mit einigen animierenden Gerbstoffen daher. Das ergibt einen reuelosen Genuss. Nach ungefähr 45 Minuten ändert sich das Bild: der Wein wird etwas kompakter, die Nase ist nicht mehr so üppig, am Gaumen wird er fester, mit weniger Frucht und dominanter Mineralik. Er schmeckt jetzt deutlich trockener – ein Wein zum Sinnieren. So bleibt er auch am zweiten Tag. Der Abgang ist zu jedem Zeitpunkt außerordentlich lang.

Der Neumond ist ein hervorragender Wein auf dem Niveau eines gelungenen ‚Grossen Gewächses‘ aus dem tollen Jahr 2009. Ich denke er wird sich auch analog diesen Entwickeln.


Prickelnde Weltreise

Ich bin manchmal etwas bemüht nonkonformistisch und tue Dinge bloß deswegen nicht, weil alle anderen es gerade tun. Das ist ziemlich albern, denn die rennen ja ins Kino (kaufen ein Buch, eine CD) weil das Dargebotene besonders gut ist. Meist bringe ich mich also lediglich selbst um ein Vergnügen. Mit zehn Jahren Verspätung stelle ich dann fest, dass ‚Nevermind‘ epochal ist und unbedingt in meine CD-Sammlung gehört, dass ‚Das Parfüm‘ wirklich lesenswert und Titanic tatsächlich großes Unterhaltungskino ist. Beim Wein habe ich auch solche Anwandlungen. Aber ich arbeite an mir. Dieser Tage bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es an der Zeit ist, sich mal wieder der Mehrheit zu ergeben. Ich gebe mit Demut zu: Das Sekthaus Raumland ist tatsächlich eine Klasse für sich und  unbestritten Deutschlands Sekterzeuger Nummer 1.

Raumland, Cuvée Katharina, Brut, degorgiert 01/2010, Rheinhessen. In der Nase Birne, Melone und Hefe. Am Gaumen cremig mit mittelfeiner Perlage, angenehmen Spiel von Süße und Säure, viel Frucht: Birne, Melone, Pfirsich, Anananas – der Wein ist wunderbar fruchtig, leicht süßlich und klingt mineralisch aus. Der Alkohol von 12,5% ist unauffällig. Hervorragender Sekt.

Feierwasser aus drei Nationen

Bei Champagner ist die Sache etwas leichter. Ich habe kaum Ahnung davon, verlasse mich also gerne auf andere. Zum Glück habe ich ein paar Freaks im Bekanntenkreis, die mich mit Geheimtipps versorgen. Mit denen habe ich vor Jahren nach einer Probe einiger seltener und in Deutschland nicht erhältlicher Weine in einer Hauruck-Aktion eine ganze Euro-Palette Barnaut-Blubber nach Deutschland importiert – wenn das nicht nonkonformistisch ist. So langsam gehen meine Vorräte zur Neige und es ist an der Zeit, eine Verkostungsnotiz anzufertigen.

Barnaut, Grand Cru á Bouzy, Millésime brut, 1999, Champagne. In der Nase nur wenig Brioche, stattdessen ein herrlicher, durchdringender Bratapfelgeruch. Da denkt man sofort an Weihnachten. Trotz des relativen Alters ist die Nase noch frisch. Am Gaumen setzt sich dieses Spiel fort, der Champagner schmeckt auch zu einem erheblichen Teil nach Bratapfel, dazu eine resche Säure, sehr feine Perlage und deutliche Mineralik. Der Abgang ist sehr lang. Ein großartiger Champagner, der zwar süffig aber auch straff, mineralisch und nicht zu cremig ist.

Apropos süffig: das ist ein Begriff, der von vielen zu Recht als sinnfrei und für eine Weinbeschreibung ungeeignet erachtet wird. Ich habe früher schon mal ausgeführt, dass solche Attribute meiner Meinung nach mehr über den Gemütszustand des Verkosters als über das Objekt der Begutachtung aussagen. Die Ausnahme stellt für mich Sekt/Champagner dar. Der sollte süffig sein, denn meist trinke ich ihn in größerer Runde mit Menschen, die nicht alle weinverrückt sind. Die wenigen Prickler, die nicht süffig waren – Dosage Zero Tropfen aus Frankreich, Sekte vom achtjährigen Hefelager und dergleichen – fand ich interessant aber nicht massenkompatibel. Das probiere ich gerne mal, bevorraten muss ich mich damit nicht. Zu diesen Einmal-Erfahrungen gehörte auch d’Arenbergs roter Sekt vom Syrah, meine bisher einzige Erfahrung mit Sekt aus Down Under. Diese Woche kam eine zweite dazu. Ob des niedrigen Alkohols und der exotischen Herkunft, musste der Nonkonformist in mir gleich ein paar Flaschen bunkern.

Banrock Station, Sparkling Chardonnay Pinot Noir Reserve, o.J., Southeastern Australia. In der Nase Birne, Pfirsich, Himbeere und nur wenig Hefe. Am Gaumen ist der Sekt cremig mit eher mauer Perlage (der einzige Makel), relativ trocken und mit milder Säure. Schöne Frucht von Pfirsich und Erdbeere machen den Wein leicht und süffig. Erstaunliche 12% Alkohol wiedersprechen dem Klischee, aus Australien kämen nur Alkoholbomben. Ein süffiger Crowd Pleaser wie man in seinem Heimatland wohl sagen würde. Genau das richtige für ein Glas Begrüßungssekt bei höheren Temperaturen.

Simple Genüsse (7)

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Notizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für besonders befunden habe.

Rudolf Sinß, Windesheimer Rosenberg, Spätburgunder trocken, 2005, Nahe. In der Nase ein wenig Vanille, Kirsche und die typisch deutsche Note, die ich so gerne in passenden Worte beschriebe (woran ich aber bekanntlich seit Jahren scheitere). Am Gaumen leicht, süffig, mit Himbeere, Erdbeere, noch etwas schmeckbarem Holzeinsatz, leichter Mineralik, kräftiger Säure und angenehm unauffälligen 13% Alkohol. Ziemlich schlank und genau in mein Beuteschema passend. Der Abgang könnte etwas länger sein aber sonst gibt es nichts zu meckern – leicht gekühlt auf der Terrasse zu trinken, wenn der Speisenplan Weißwein ausschließt.

Peter Lingen, Neuenahrer Schieferlay, Spätburgunder trocken, 2006, Ahr. In der Nase sehr fruchtig mit Himbeere, gekochter Erdbeere und etwas Kirsche, dazu eine leichte grüne Note, die ich so gerne mit Tomatenpflanze umschreibe (wer im eigenen Garten Tomatenpflanzen hat und nach der Arbeit an selbigen an seinen Fingern schnüffelt, weiß, was ich meine). Am Gaumen ist der Spätburgunder sehr voll und fruchtig, cremig bei nur wenig Tannin, schmeichlerisch und süß. Die vergleichsweise bescheidenen 13,5 Prozent Alkohol stechen etwas hervor, der Abgang ist mittellang. Mit 3,7 Gramm pro Liter hat der Wein viel Restzucker für einen Spätburgunder, mit 4,8 Promill verhältnismäßig wenig Säure. Trotzdem wirkt er nicht pummelig. Der Abgang ist mittellang, der Wein ein schöner Alltags-Spätburgunder.

Markus Molitor, Bernkasteler Lay, Riesling Spätlese trocken, 2005, Mosel. Ein großer Wurf von Molitor: die Nase, noch leicht von einem Spontistinker gestreift, ist herrlich würzig mit Muskat und sehr cremig mit Banane, Mango, Aloe Vera und Vanille. Am Gaumen ist der Wein ebenfalls cremig aber mit einigen Bittertönen und einer so heftigen Mineralik ausgestattet, dass sich ein spannender Kontrast ergibt. Die Säure ist Mild und in Würde gereift, der Wein nicht ganz trocken aber auch nicht aufgesetzt süß – da sind wiederum die Bitterstoffe vor. Aprikose Malz, bittere Orangenmarmelade und ein Hauch Karamell: mollig dunkle Aromen treffen auf belebende Mineralik und ergeben einen sehr langen Abgang, der von sehr gut eingebundenen 12,5% Alkohol nicht weiter gestört wird.

Die Entdeckung der Arbeit

Dieser Tage brachte mir die Post den dritten Entdeckerwein ins Haus. Wer noch nicht weiß, was es mit Carsten Henns Weinentdeckungsgesellschaft auf sich hat, der findet hier und hier Erklärungen.

Ein Rosé sollte es dieses Jahr werden, verkürzt gesagt der anspruchsvollste Rosé, den je ein deutsches Weingut produziert hat. Die Beckers aus Schweigen stellten das Rohmaterial: Cabernet, Portugieser sowie allerlei Spätburgunder, darunter ein Saftabzug (was das ist, findet man hier) vom Kammerberg GG. Die Partien wurden einzeln vergoren, teils im Stahltank, teils in Barriques und nach der Cuvéetierung unfiltriert gefüllt, was eine Trübung solchen Ausmaßes hervorrief, dass der Wein gar nicht erst zur Qualitätsweinprüfung angestellt wurde (er hätte sie nicht bestanden). Er ist jetzt also kein QbA oder Prädikatswein, sondern schlicht ein ‚Deutscher Wein‘. Sein Name lautet ‚ein Rosé ist ein Rosé ist ein Rosé ist ein Rosé‘ – eine Anspielung auf eine Zeile aus einem Gedicht von Gertrude Stein.

Ein spannender aber divenhafter Rosé

Wie in den Vorjahren, probierte ich den Wein, bevor ich den Beipackzettel las und beobachtete dann die folgenden Tage seine Entwicklung. Der erste, unwissende Schluck war einfach nur grausam. ‚Au weia, das wird der erste Flop der Entdeckungsgesellschaft‘, war mein spontaner Gedanke. Soviel Säure war nie in einem deutschen Rosé, da bin ich mir sicher. Doch Carsten und Stefanie Henn warnen ausdrücklich, der Rosé brauche derzeit Luft. Und deren Einfluss veränderte den Wein sehr positiv. Zehn Stunden in der Karaffe sollten Probierwillige den Wein mindestens belüften.

Friedrich Becker (und Deutsche Wein-Entdeckungs-Gesellschaft), ‚EinRosé ist ein Rosé ist ein Rosé ist ein Rosé‘, 2010, Deutscher Wein (Pfalz). In der Nase Hefe, Säure, etwas Holz, verhalten kräutrig und mit etwas Himbeere. Am Gaumen dominieren heftige 9,6 Promill Säure, etwas aufgefangen von einem dezenten Holzton, cremiger Konsistenz und 6,9 Gramm Restzucker pro Liter. Die hefige Fülle steht dem Rosé gut zu Gesicht, geschmacklich überrascht er mit einer Mischung aus Speck und Rauch, Pink Grapefruit und Zitrus sowie einer leichten Brausebonbon-Note. Unter der Hefe und der enormen Säure scheint etwas Mineralik durch, der Alkohol von 12,5% tritt nicht weiter in Erscheinung. Der Abgang ist sehr lang, der Wein fordert die Sinne, ist ob seiner kantigen Säure aber derzeit kein Trinkwein, sondern eher ein interessantes Studienobjekt.

Der Wein will mit viel Liebe und Aufwand entdeckt und erarbeitet werden. Er ist eine Diva wie Brigitte Bardot. Als Gunter Sachs die Französin einst erobern wollte, kreiste er im Hubschrauber über ihrem Anwesen und ließ Blumen regnen. Es waren Rosen, Rosen, Rosen, Rosen. Sie schmolz dahin, beide flogen nach Las Vegas und heirateten. Die Ehe hielt drei Jahre. Dieser Rosé hält länger.

Eine Frage der Bezeichnung

Vor einigen Jahren kam ich eher zufällig in den Genuss einer außergewöhnlichen Verkostung. Ich war bei einem Spitzenerzeuger an der Saar zu Probe und Einkauf angemeldet. Der Winzer verspätete sich, da er noch mit dem Einkäufer einer Rebschule in seinen Weinbergen auf der Suche nach Rebmaterial für dessen Zucht war. Als er schließlich kam, verband er meinen Termin mit der noch ausstehenden Verkostung für seinen Geschäftspartner. Das hatte den angenehmen Effekt, dass ich in den Genuss einiger nicht mehr im Verkauf befindlicher, gereifter Weine kam. Zusätzlich wurde ich eingeladen, auch dem zweiten Teil der Degustation beizuwohnen, als der Rebenzüchter ausgewählte Weine aus Klonen seines Sortiments vorstellte. Dabei präsentierte er einen Pfälzer Merlot, der besonders italienisch schmecken sollte, einen Sauvignon Blanc aus Rheinhessen mit kräftigem Loire-Touch sowie – unvermeidlich – diverse Pinots aus mehreren deutschen Anbaugebieten, die allesamt besonders ‚burgundisch‘ anmuteten.

Die Rebenzüchter haben aus Marketingsicht alles richtig gemacht. Sie haben den am positivsten klingenden Arbeitsschritt ihres Tätigkeitsbildes zur Berufsbezeichnung erhoben und nennen sich ‚Rebveredler‘. Man stelle sich vor, sie hätten sich ‚Pflanzmaterialkloner‘ getauft oder gar ‚Traubengeschmacks- und Ertrags-Optimierer‘.

Die Hersteller eines anderen Weinrohstoffes haben ein weit weniger glückliches Händchen beim Marketing gehabt. Jene Unternehmen, die von besonders geeigneten, gärenden Mosten die Hefestämme einsammeln und vermehren, tun dies ohne Kreuzung oder Veredelung, was in der Fachsprache ‚Reinzucht‘ heißt. Also nennen sie ihr Produkt – ehrlich aber dämlich – Reinzuchthefen. Diesen Umstand haben die Hefeproduzenten selbst zu verantworten. Eine Laune der Natur hingegen ist die Tatsache, dass sich Hefen prima gefriertrocknen und in Tüten aufbewahren und verkaufen lassen. Dies führte zur gängigen Verunglimpfung als ‚Tütenhefe‘, was sicher nicht zufällig an Tütensuppe erinnert.

So ist es denn möglich aus einer ursprünglich hunderte Kilometer entfernt beheimateten Spielart einer Rebe einen Terroirwein zu zaubern, aus einem im eigenen Anbaugebiet isolierten – aber im Labor vermehrten – Hefestamm aber nicht. Welche Seite hat da wohl das bessere Marketing gemacht?

Wenn ich Marketingleiter in der Hefeindustrie wäre, würde ich zunächst mal das Produkt umbenennen. Dann würde ich den Winzerkunden beibringen, Sätze zu schreiben wie: ‚Nach sorgfältigster Weinbergsarbeit haben wir uns während der Lese entschieden, die hocharomatischen Moste mit unserer wertvollsten Hefeselektion zu komplexen Spitzenweinen zu vergären‘. Dazu gezielte Anti-PR und Schockwerbung mit Elektronenmikroskop-Vergrößerungen von Mikroorganismen, die bei der Spontanvergärung mitmischen (Slogan: ‚Diese Spore ist kein Lebensmittelproduzent‘) und wenn das nicht hilft, griffe ich zu Guerilla-PR: Ein Rollkommando in Strahlenschutzanzügen, das bei einem bekannten Spontanwinzer einfach mal den Keller kärchert.

Nein, das soll keine Anstiftung zum Hausfriedensbruch sein. All das sind nur kleine Bosheiten, die mir über die Jahre einfielen, während ich Winzern bei langen Vorträgen über die Wunder der ‚weinbergseigenen Hefen‘ vorgaukelte, ich würde ihnen jedes Wort glauben und gerade  ganz viel lernen. Denn sich beim Winzer zu outen (‚Wie Sie vergären ist mir wumpe‘) kann arg nach hinten los gehen. Manch Über-Sponti betrachtet jede Unterbrechung seines Vortrags als Majestätsbeleidigung.

Über die Weine in meinem Keller weiß ich in der Regel einiges. Nur die Frage, wie ihre Ausgangsmoste vergoren wurden, kann ich selten beantworten, weil ich schon vor langer Zeit aufgehört habe, die Winzer danach zu fragen. Bei einigen Winzern weiß ich natürlich, dass sie mit Leib und Seele der Spontanfraktion angehören. Hier also ein paar klassische Spontis von der Mosel, die ich dieser Tage getrunken habe.

Josef Rosch, ‚Selection J.R.‘, Riesling Spätlese *** trocken, 2006, Mosel. In der Nase ein leichter Stinker, sonst eher cremige Eindrücke aber später auch ein firner Ton, nicht sehr attraktiv. Am Gaumen mit Mandarine und Grapefruit; für das Jahr sehr klar und mit lebendiger Säure, ab dem dritten Tag ein deutlicher Alterston, vorher sehr erfreulich, ziemlich voll, trocken, mineralisch, der Alkohol sehr gut eingebunden. Der Wein vereint Anspruch mit Pfiff und ist einer der besten trockenen 2006er Rieslinge, die ich kenne.

Heymann-Löwenstein Röttgen 2005 und 2007
Der doppelte Röttgen

Heymann-Löwenstein, Riesling ‚Röttgen Alte Reben‘, 2005, Mosel. Ich kenne kaum einen Löwenstein-Riesling, der mit einem richtigen Spontistinker daherkommt. Die Weine riechen fast immer betörend fruchtig, reif und süß: Aprikose, Netzmelone, Kemm‘sche Kuchen, Aloe Vera – so würde ich die Zutaten einer Löwenstein-Nase beschreiben, auch wenn das arg verkürzt ist. Am Gaumen ist der Riesling noch recht jugendlich, dazu kräftig – 13% Alkohol sorgen für reichlich Bumms. Für Löwensteinsche Verhältnisse ist er sehr trocken, die Säure mild; das Süße-Säure-Spiel leidet etwas darunter. Obwohl der Wein sehr mineralisch ist, überwiegt die Frucht (Aprikose). Auf die Dauer ist der Röttgen ein wenig eindimensional, mit seinem sehr langen, mineralischen Abgang aber immer noch ein Klasseriesling.

Heymann-Löwenstein, Riesling ‚Röttgen‘, 2007, Mosel. Die Nase ist dem 2005er sehr ähnlich, allerdings scheint mir bei diesem Jahrgang etwas Botrytis im Spiel gewesen zu sein, entsprechende Honignoten meinte ich zu riechen. Blind hätte ich den Altersunterschied nie erschnüffelt. Einzig ein leichter Hefeton gibt einen Hinweis auf die Jugend. Am Gaumen ist der Wein süßer, zeigt aber auch mehr Spiel, einige Gerbstoffe finden sich und harmonieren sehr mit den fruchtigen Noten von Boskop, Aprikose und Grapefruit. Muskat, extreme Mineralik, stoffige Konsistenz und der besser eingebundene Alkohol (12,5%) runden das Bild ab. Das ist ein Spitzenwein weit jenseits der 90-Punkte-Marke. Gegenüber dieser frühen Verkostung hat sich der Wein erfreulich verbessert.

Thanisch (Ludwig Thanisch & Sohn), Riesling ‚Alte Reben‘, 2006, Mosel. In der Nase verbranntes Gummi, Spontistinker, vollreife Aprikose, Malz, Karamell. Am Gaumen sehr süß, volle Mineralik, mürber Apfel, reifer Pfirsich, rauchig, malzig, ordentliches Spiel und relativ langer Abgang. Gefällt mir sehr gut, wenngleich ich bei Thanisch aus 2006 die früher gelesenen Basisqualitäten besser fand. Der Wein ist etwas zu sättigend.