Menschen, die ein Weingeschäft betreten und das Verkaufspersonal anweisen: ‘Ich hätte gerne Ihren teuersten Rotwein’ halte ich nicht für verdächtig, echte Weinkenner zu sein. Nicht dass ich allzu viele Menschen kenne, die so etwas schon einmal getan haben. Genau genommen kenne ich nur einen: mich. Zu meiner Verteidigung sei gesagt, dass ich zwar gute Gründe aber keine Zeit hatte, diese mit dem Ladeninhaber zu erörtern. Guter Zweiter weiterlesen
Kategorie: Weine
Postings, in denen (mindestens) eine Verkostungsnotiz vorkommt
K(l)eine Geschichten zu Großen Gewächsen (2)
Manchmal gibt es gar nicht so viel zu erzählen zu den Weinen, die ich trinke. Hier sind drei, die ich aber keinesfalls unterschlagen möchte.
Meine Liebe zu den Weinen von Schäfer-Fröhlich ist noch ein zartes Pflänzchen. Doch es wächst und gedeiht prächtig, was an Weinen wie diesem hier liegt.
Schäfer-Fröhlich, Bockenauer Felseneck, Riesling Grosses Gewächs, 2005, Nahe. In der Nase übel, ein heftiger Spontanstinker, der schon fast Böckser-Dimensionen annimmt und alles überlagert, darunter ist – ebenfalls nicht besonders angenehm – verbranntes Gummi aber auch Birne und Marzipan zu erahnen. Da mir beim Öffnen der Korken zerbröselte, befürchtete ich zunächst schlimmstes. Aber dann: was für eine Offenbarung am Gaumen; leicht cremig, sehr voll aber nicht so fett wie viele Jahrgangskollegen, 13% Alkohol sind hervorragend eingebunden, die Mineralik ist satt aber nicht anstrengend, Pfirsich und Apfel, Litschi, bittere Orangenmarmelade, tolles Spiel von Süße und Säure, ohne dass der Wein zu süß wäre oder das leichte Bitterl störte; deutliche Reifenoten, die dem Wein aber nur zusätzliche Komplexität verleihen. Der Abgang wirkt vor allem cremig und weich, die Mineralik klingt satt nach. Der Trinkfluss ist geradezu gefährlich. Vielleicht ist diese Flasche in der Entwicklung etwas weiter als eine mit einem perfekten Korken, einen Fehler hat der Wein zum Glück nicht abbekommen. Ganz großes Kino.
Es gibt Weine, da behaupte ich gar nicht erst, neutral zu sein. Die mache ich mir auf, wenn ich mich belohnen oder besonders liebe Gäste verwöhnen will. Da ich mein Geld nicht mit Weinbeschreibung verdiene, schäme ich mich meiner Voreingenommenheit nicht – und es bleibt ja auch noch die Henne-Ei-Frage: werte ich die Weine so gut, weil ich sie so schätze oder schätze ich sie wert, weil sie so gut sind?
Wittmann, Morstein, Riesling Grosses Gewächs, 2005, Rheinhessen. In der Nase Apfel, Aprikose, Netzmelone, Kreide und blonder Tabak. Am Gaumen zunächst beißend mineralisch und ziemlich trocken, wenngleich mit einer leichten alkoholischen Süße, dazu spürbare aber milde Säure, Aromen von Birne, Aprikose und Muskat. Der Morstein ist gereift und würzig mit Tiefe und Länge. Er wird mit Luft etwas weicher und ich bin unsicher, welche Version mir besser gefällt – ich tendiere zur härteren Variante unmittelbar nach dem Öffnen. Ich glaube, der Wein hat die schönste Trinkreife erreicht. Um ganz groß zu sein, verdaut das GG die 13% Alkohol jedoch nicht gut genug.
Ich sollte mal einen ersten 2006er Veltliner Smaragd probieren, nahm ich mir kürzlich vor. Da ich bald ein Jahr keinen Veltliner mehr im Glas hatte, rief ich erst einmal mit einem Federspiel Erinnerungen an die Rebsorte wach (im letzten Artikel zu lesen). Danach traute ich mich an die Königsklasse.
Prager, Zwerithaler, Grüner Veltliner Smaragd, 2006, Wachau. Das ist die Art von Wein, bei der ich die Nase ins Glas halte und denke: ‚Tja… Wein!‘ und sonst nix. Die Nase ist äußerst verhalten, sie kommt weder besonders fruchtig noch kräutrig oder würzig daher. Am Gaumen ist der Zwerithaler faszinierend, eine echte Kante, womit ich sagen will, dass der Wein mächtig und raumgreifend aber nicht fett, breit und beliebig ist. 13,5% Alkohol sind spürbar, ohne brandig zu sein. Der Wein ist kräutrig mit Waldmeister und Basilikum, leicht nussig und muskatwürzig, aber vor allem ist er endlos mineralisch. Das Veltliner-Pfefferl taucht auch irgendwo im sehr langen Abgang auf. Was mich beim kürzlich genossenen Jamek noch störte – nur Mineralik und kaum Frucht – finde ich bei diesem sehr viel komplexeren Wein einfach nur großartig. Ein phänomenaler Smaragd-Veltliner aus einem tollen Jahr.
Simple Genüsse (6)
Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für besonders befunden habe.
Markus Molitor, Bernkasteler Badstube, Riesling Kabinett feinherb, 2009, Mosel. Ein unkomplizierter Riesling der allerschönsten Art. Die Nase ist spritzig, viel Apfel, etwas Grapefruit und Mandarine. Am Gaumen ist der Wein einerseits schmeichlerisch mit einem leichten Bratapfelaroma (Boskop & Marzipan) andererseits fordernd mit einem an Grapefruit erinnernden Bitterton, der – wie ich finde – nicht ganz trockenen Rieslingen gut bekommt. Die Säure wirkt reif, ist aber nicht zu mild, der Restzucker dezent und das Spiel am Gaumen ganz wunderbar. Für einen klassisch schlanken Mosel-Kabinett ist der Wein zu stoffig, aber das tut der Freude über diesen gelungenen Riesling keinen Abbruch.
Nochmal Riesling und wieder mit einem kleinen Bitterl: Schäfer-Fröhlich, Bockenauer Felseneck, Riesling QbA trocken, 2009, Nahe. Das ist schon mehr als ein ‚simpler Genuss‘. Lagenweine dieser Qualität sind der natürliche Feind des Grossen Gewächses. Ich kann verstehen, dass die VDP-Winzer sie abschaffen wollen – allerdings nur als Kaufmann, nicht als Weinfreund. Die Nas ist leicht und frisch: Erdbeere, Rhabarber, Grapefruit und Aloe Vera. Am Gaumen ist der Felseneck relativ trocken, 13% Alkohol sind gut eingebunden. Das ist ein Riesling der animierenden Art: milde aber deutlich schmeckbare Säure, Grapefruit, Pistazie und etwas Karamell, eine nur dezente Mineralik und besagter Bitterton bestimmen das Geschmacksbild, letzterer prägt auch (im positiven Sinne) den sehr langen Abgang. Ein Spitzenwein.
Jamek, Ried Achleiten, Grüner Veltliner Federspiel, 2006, Wachau. Von der Nase her ist das ein Allerweltswein mit Apfel, Birne, Aprikose und etwas Nuss – nichts was die Nase ins Glas zieht. Am Gaumen ist der Wein balanciert, trotz des Alkohols von 13% nicht zu mächtig. Doch ist er auch sehr ernsthaft: trocken, etwas Gerbstoff, ungemein mineralisch, verhaltene Säure und wenig Frucht. Jünger getrunken hätte er sich eventuell etwas zahmer gezeigt. Langer Abgang, guter Wein.
Zurückhaltung aufgegeben
Ich habe schon einmal beschrieben, warum ich keine Verrisse im Schnutentunker publiziere. Tagesform, Flaschenform und einiges mehr kann die wahre Ursache getrübten Weingenusses sein. Ein erster Negativkommentar folgt jetzt aber doch.
Die Vinum hatte den folgenden Wein zum besten GG/EG des Jahrgangs 2006 erklärt, woraufhin ich mir blind ein paar Flaschen in den Keller legte. An denen arbeite ich mich seit vier Jahren ab. Nach dem erneuten Desaster letzte Woche habe ich eingesehen: der Wein und ich werden keine Freunde mehr. Und dann darf man das auch mal schreiben – zumal ich dem 2005er aus gleichem Hause hier eine euphorische Arie gewidmet habe.
Johannishof (Eser), Rüdesheimer Berg Rottland, Riesling Erstes Gewächs, 2006, Rheingau. In der Nase sehr dicht, überreif, Aprikose, Hefe, Botrytis, Pistazie. Am Gaumen trockener als zunächst erwartet, dick, dick und nochmals dick. Das stört mich meist nicht besonders, doch neben der Aprikosenfrucht und deutlichen Botrytistönen dominiert der Alkohol den Wein. Und zwar auf eine unangenehme Weise. Das schmeckt kaum nach einem Riesling, eher wie Sherry oder eine spaßeshalber durchgegorene Beerenauslese. Im Abgang taucht irgendwann eine kräftige Mineralik auf aber da ist schon alles zu spät. Ein ganz seltener Fall, in dem mir ein ‚fetter‘ Wein zu fett ist. Ich finde ihn geradezu untrinkbar, versuche es über 5 Tage und überantworte am Ende doch eine halbe Flasche dem Ausguss.
Potente Kunden
Meine Ehefrau überraschte mich letzte Woche mit der Ankündigung, sie habe Heißhunger auf Rinderfilet. Sprach’s und ging einkaufen. Ich konnte mich mit dem Gedanken gut anfreunden und dekantierte schon mal einen Bordeaux. Duhart-Milon 2001 sollte es sein. Die Zeit bis zum Essen verbrachte ich mit etwas Recherche im Internet. Was ich da fand, erinnerte mich einmal mehr an eine Filmszene, die ich vor Jahren sah und an die ich mich im Zusammenhang mit Bordeaux regelmäßig erinnere. In irgendeinem Fernsehkrimi klärte eine Prostituierte einen Polizisten über einen grundsätzlichen Sachverhalt ihres Gewerbes auf. Wörtlich sagte sie ‚es gibt keine Tausend-Dollar-Callgirls, es gibt nur Tausend-Dollar-Freier‘. Was sie damit wohl zum Ausdruck bringen wollte ist, dass es zwar Qualitätsunterschiede in ihrem Dienstleistungssektor gäbe, jedoch keine, die die teils exorbitanten Preise rechtfertigten, die die Spitzenverdiener der Branche einforderten. Es ist das Wissen um den hohen Einkaufspreis, das für einen wesentlichen Teil des Lustgewinns beim Kunden sorgt.
Ich glaube, es gibt eine Menge Waren und Dienstleistungen, die diesen Reflex zu bedienen wissen. Wein gehört dazu. Und unter den Weinen dürfte Chateau Lafite derjenige sein, bei dem sich Preis und objektive Qualität (so es so etwas bei Wein überhaupt gibt) in jüngster Zeit am weitesten voneinander entfernt haben. Da chinesische Weinliebhaber der festen Überzeugung sind, dies sei der beste Wein der Welt, hat ihre Nachfrage den Preis des Weines in wenigen Jahren verzehnfacht (ohne dass sich an der Qualität des Weines etwas verändert hätte). Und weil diese Überzeugung sich vor allem unter Menschen breit macht, die über viel Geld aber wenig Weinwissen verfügen, sind auch die anderen Weine der Domäne, etwa der Zweitwein Carruades de Lafite und sogar das Nachbarchateau Duhart-Milon – Domaines Barons de Rothschild (Lafite) in diesen Boom hineingezogen worden. So gibt es denn im fernen Osten Legionen von Menschen, die teils nur mittelmäßigen Wein mit größtem Vergnügen konsumieren, bloß weil er wahnsinnig teuer ist.
Soweit das gängige Märchen; die Wahrheit sieht wohl etwas anders aus. Denn mein Ausflug ins Internet zeigte mir: es gibt einen funktionierenden Sekundärmarkt für alle diese Weine in Europa. Auch in Kreisen, die vermutlich gerne und regelmäßig über ‚die Chinesen‘ spotten, werden für meinen Duhart-Milon mittlerweile 75 Euro bezahlt. Als ich ihn anschaffte, kostete er noch 25 und mehr könnte ich dafür unter Preis-Leistungs-Gesichtspunkten auch nicht ausgeben. Ich bin vermutlich nur ein Hundert-Dollar-Freier.
Chateau Duhart-Milon, 4ème Grand Cru Classé, 2001, Pauillac. In der Nase Leder, Pflaume, schwarze Johannisbeere, grüne Paprika, Zedernholz und Tabak, eher leicht und kühl. Am Gaumen ist der Wein im besten Sinne schlank. 12,5% Alkohol sind kaum spürbar, trotzdem ist der Wein kein dünnes Weinchen. Feine Frucht (Pflaume, rote Johannisbeere) treffen auf etwas Mineralik und das, was in Weinkreisen so gerne Graphit oder Bleistift genannt wird. Die Säure ist spürbar aber passend, das Tannin ist weich. Der Abgang währt sehr lang. Es ist etwas abgedroschen, aber ich möchte den Duhart-Milon trotzdem ‚aristokratisch‘ nennen. 89 Punkte weist die Literatur als gängige Kritikermeinung zu diesem Jahrgang aus, mir gefällt er einen Hauch besser.