Wittmann aufhängen

Vor vielen Jahren begegnete ich einer Frau, die Einkaufstüten sammelte. Dabei ging es ihr nicht darum, möglichst viele Einkaufstüten zusammen zu tragen, die dann alle mit ,Penny‘ oder ,Lidl‘ bedruckt sind, sondern um eine Auswahl möglichst exklusiver Beutel mit Aufdrucken von ,Chanel‘ oder ,Tiffany‘. Diese Tüten, erzählte mir die Freundin, die mich mit dieser Frau bekannt gemacht hatte, schmückten die Wände ihrer Wohnung und wurden voller Stolz ausgestellt. Das war so ziemlich das albernste Hobby, dem ich je in meinem Leben begegnet bin.

Gut festmachen...
Ein merkwürdiges Etwas…

Fast die Hälfte meiner Freunde – das sind diejenigen, die meinen Weinfimmel teilen – sammelt leere Weinflaschen. Dabei geht es nicht darum, möglichst viele Flaschen zusammen zu tragen, die dann mit ,Gallo‘ oder ,Torres‘ bedruckt sind, sondern um eine Auswahl möglichst exklusiver Flaschen mit Aufdrucken wie ,Mouton‘ oder ,Latour‘. Diese Flaschen schmücken die Schränke in den Küchen und Esszimmern meiner Freunde und werden voller Stolz ausgestellt. Das ist so ziemlich das normalste von der Welt und ich würde selbstverständlich mitmachen, wenn – ja wenn ich nicht damals dieser Frau mit den Tüten begegnet wäre und mir außerdem viel zu viele Gedanken darüber machte, wie mein Tun auf andere (weniger weinverrückte) wirken könnte. Ein paar Flaschen zieren einen einzelnen Schrank daheim aber das sind eher besonders hübsche oder solche mit einer interessanten Geschichte als teure und bekannte.

Das wird jetzt anders!

Immer wenn ich denke, ich hätte meine Weinliebhaberei derart übertrieben, dass meine Frau demnächst ihre Sachen packt und sich einen unterhaltsameren Gefährten sucht, überrascht Sie mich mit einem vinophilen Liebesbeweis. So schenkte sie mir einst, nachdem ich mein verabredetes Weinbudget aufs unverfrorenste überzogen hatte und Entmündigung fürchtete, eine Flasche Roederer Cristal, mein erster Wein jenseits der Hundert-Euro-Marke überhaupt (und ja, der steht auf dem Schrank – aber nur wegen der Geschichte). Dieser Tage war es einmal mehr so weit. Ich hatte gerade besonders viel in Sachen Wein unternommen, da kaufte meine sehr viel bessere Hälfte eine Lampe für unsere Küche. Sehr unscheinbar sah sie aus, verlangte aber nach einer Aufhängung, die 25 Kilo tragen kann. Dabei war das Paket nicht besonders schwer.

…entpuppt sich zum Lieblingsspielzeug

Um es kurz zu machen: es ist die perfekte Lampe für mich. Sie nutzt Weinflaschen als Mittel zur Lichtstreuung – ganze 22 Stück sogar. Um sie vernünftig zu verwenden, muss ich also 22 Weinflaschen sammeln und dort hinein hängen. Niemand wird sich wundern, dass ich leere Weinflaschen ausstelle, die Unbedarften werden denken, die hätten zum Lieferumfang der Lampe gehört. Die Insider werden sich stundenlang meine Lampe anschauen und ich kann die Zahl der gehorteten Flaschen mehr als verdoppeln. Das einzige Problem, das ich plötzlich habe, ist ein Mangel an leeren Flaschen. Und wie man die herstellt, weiss ich glücklicherweise. Hier ist gleich mal eine, die in meine neue Lampe gehört.

Wittmann, Riesling Kirchspiel GG, 2005, Rheinhessen. In der Nase von mittlerer Intensität mit Aprikose, Pistazie und getrockneten Kräutern. Ich weiss, dass Steine keinen Duft absondern, aber trotzdem kommt die Assoziation auf, dass der Wein nach Stein riecht. Am Gaumen ist es nicht ganz so extrem: der Riesling ist sehr mineralisch aber nicht mehr als viele Weine dieser Bauart auch. Dazu bietet das Grosse Gewächs feine Frucht (Mandarine, Aprikose, Ananas), viel Würze, kräftige Säure, reichlich Bumms. Aber der Kirchspiel ist nicht übertrieben dick oder konzentriert, 13% Alkohol sind akzeptabel integriert. Das ist alles sehr rund und schön. Was der Wittmann vielen guten 2005er GGs voraus hat ist eine enorme Tiefe. Ich kann mich bei jedem Schluck mehr für ihn begeistern und auch am zweiten Tag verströmt er noch Frische im Glas und erzählt eine neue Geschichte. Das Zuhören lohnt sich.

K(l)eine Geschichten zu Großen Gewächsen (5)

Manchmal gibt es gar nicht so viel zu erzählen zu den Weinen, die ich trinke. Hier sind drei, die ich aber keinesfalls unterschlagen möchte.

Ich gebe zu, dass es mir unmöglich ist vorurteilsfrei an einen Christmann-Riesling heranzugehen. Ich habe so selten – vielleicht auch noch gar nicht – einen Riesling von diesem Gut getrunken, der mir verständlich machte, warum es über so großes Renommee verfügt (beim Spätburgunder bin ich bekehrt). Aber dieser Wein ist ein Anfang. Ich finde ihn besser als das Riesling GG aus dem IDIG aus gleichem Jahrgang und er ist gemessen am Spass im Glas vernünftig bepreist.

Riesling Mandelgarten GG 2005Christmann, Riesling Mandelgarten GG, 2005, Pfalz. In der Nase ganz klassisch und jahrgangstypisch: reife Aprikose, Pistazie, süßlich und etwas breit aber verführerisch und mit einem Hauch Petrol. Am Gaumen ein sattes Pfund, das aber nicht übertrieben daher kommt: wieder reife Frucht von Apfel und süßer Aprikose. Der Wein ist barock und ausladend. Da er aber auch extrem mineralisch, fast kreidig ausklingt und die Säure immer noch akzentuiert ist, finde ich ihn sehr harmonisch. 13 % Alkohol sind prägend aber nicht dominant. Der Mandelgarten kleidet den Mund aus, ist gereift und würzig aber nicht zu schwer. Im Kontext ,Pfalz 2005‘ ist er ein feiner und sehr gut gelungener Riesling, der mit seinem ewig langen Abgang zusätzliche Punkte sammelt.

Und noch ein Wein, dessen Etikett mich nicht unberührt lässt: über Chat Sauvage ist schon viel geschrieben worden, in der Presse überwiegend positiv, in Blogs und auf Facebook eher verhalten. Ersteres mag an den tiefen Taschen des Inhabers, eines Bauunternehmers aus Hamburg, liegen, die manch Verleger Hoffnung auf bezahlte Anzeigen machen (da sollte die Berichterstattung nicht allzu kritisch sein), letzteres vielleicht an Neid und Missgunst, der erfolgreichen Menschen hierzulande viel zu häufig entgegenschlägt. Allerdings darf sich Chat Sauvage Eigner Schulz nicht wundern, dass sich manch Winzer der 11. Generation ein wenig angepinkelt fühlt, wenn er in der Zeitung lesen darf, sein neuer Nachbar würde mal eben das ,Deutsche Romanée-Conti‘ aufbauen, nachdem er die ersten 50 Jahre seines Lebens Kalk nur als Baustoff kannte. Mir soll‘s egal sein, ich trinke nur Wein – und dieser hier hat den Wow-Faktor.

Chat Sauvage, Assmannshäuser Höllenberg, Spätburgunder Erstes Gewächs, 2006, Rheingau. In der Nase Rauch, Speck, Himbeere, Brombeere, Kirsche sowie ein bisschen Sauerkraut, jedoch unter der Grenze zum Unangenehmen. Am Gaumen von mittlerem Volumen und mit einer tollen Mischung aus süßer Frucht (Kirsche und Himbeere), kräftiger Säure und sehr geschmeidigem Tannin – das ergibt diese Saftigkeit, bei der ich mich immer in Acht nehmen muss, nicht die ganze Flasche an einem Abend zu leeren. Das Holz und der Alkohol tun das, was sie sollen: dem Wein etwas Kontur verleihen ohne sich in den Vordergrund zu spielen. 13 % Alkohol sind zudem sehr verträglich. Der Abgang ist sehr lang und verhalten mineralisch. Um groß zu sein, mangelt es dem Spätburgunder an Tiefe, ein großes Vergnügen ist er auf jeden Fall.

Den folgenden Wein hatte ich – Etikett hin oder her – abgeschrieben und weil für 23 Jahre alte Tropfen gilt, dass jede Flasche unterschiedlich schmeckt, einfach beschlossen ihn nicht weiter zu erwähnen. Das war um so bedauerlicher, weil er von Bernhard Fiedler stammt – genau genommen von Bernhards Herrn Papa, denn ich vermute, als der `89er entstand, hat Bernhard noch am Abi gebastelt (Oh verzeihen‘s Herr Geheimrat, Matura natürlich!). Doch nach schlappen 6 Tagen im Kühlschrank (offene Flasche) trat eine Wandlung zum (sehr) Guten ein, die es wert ist, beschrieben zu werden.

Grenzhof Fiedler, Neuburger Ausbruch, 1989, Neusiedlersee/Hügelland, Österreich. In der Nase Aceton, Kaffee, Karamell, keine Frucht, stattdessen jede Menge Würze. Am Gaumen Kaffee, Toffee, Karamell, etwas Apfel und Aprikose, sehr süß wenngleich immer noch mit schöner Säure. Insgesamt etwas klebrig, im Abgang wenigstens würzig – dieser Abgang ist für einen ,Ausbruch‘ jedoch etwas kurz. Ziemlich lecker aber jetzt auch über den Zenit – soweit mein Eindruck am ersten Tag. Der Rest stand 6 Tage im Kühlschrank (zum Wegschütten zu schade, zum Unter-der-Woche-trinken nicht spektakulär genug), bevor ich ihn wieder probierte. Und der Wein roch plötzlich intensiv nach Honig, am Gaumen zeigt sich rosinige Frucht, die Süße ist nicht mehr klebrig, Toffee und Kaffee sind immer noch dabei, Madeira lässt grüßen. Der Wein ist alles andere als über den Zenit – eher ein vergleichsweise frisches Altweinvergnügen – alte Weine muss man allerdings mögen, um sich an dieses Cola-farbene Getränk zu wagen.

Wenn ich der VDP wäre

Weinbaupolitik und Bezeichnungsrecht sind meine Sache nicht. Ich kümmere mich gerne um den Inhalt der Weinflasche, das regulatorische und gesetzliche Drumherum interessiert mich weniger. Deswegen halte ich mich aus Diskussionen auf Facebook und in anderen Blogs zurück, sobald es sich darum dreht, ob eine Spätlese immer süß sein sollte oder das Erste Gewächs im Rheingau seinen Titel zu Unrecht trägt.

Eine Ausnahme gibt es und die ist das Marketing. Ich betreibe die Absatzförderung beruflich und kann mich für geschickte ,Verkaufe‘ auch privat begeistern.

Während der durchschnittliche Winzer der Meinung ist, man kann nur entweder guten Wein oder gutes Marketing machen, mithin einem Kollegen dann gutes Marketing attestiert, wenn er ihn beleidigen will, empfinde ich gutes Marketing als Sahnehäubchen – ein großer Tropfen verdient eine gute Story, Ausstattung und Handhabung. Diesbezüglich haben die Deutschen Winzer große Fortschritte gemacht, als sich rund zweihundert von ihnen vor gut zehn Jahren das Grosse Gewächs ausdachten.

Ein bis zwei Dutzend Spitzenwinzer (von denen die meisten auch zu den vorgenannten zweihundert gehören) setzen noch einen drauf, indem sie seltene Spitzengewächse aus kleinen Untereinheiten der den Grossen Gewächsen zugrunde liegenden Lagen produzieren oder über dem GG noch mythische trockene Auslesen positionieren. Ich habe hier gegen ,Parzellenweine‘, wie ich sie nannte, polemisiert, möchte aber Abbitte leisten – die haben eine Wirkung entfaltet, die mir Respekt abnötigt. Und weil das eine großartige Marketingleistung ist, konnte es nur eine Reaktion geben: abschaffen.

Viel wurde diskutiert über den zum Beispiel hier erläuterten Beschluss des VDP über die künftige Klassifizierung von Lagen. Ich habe keine Ahnung, ob die Einführung von klassifizierten Lagen und der Rest der Qualitätspyramide gut oder schlecht sind. Das sollen die Winzer unter sich ausmachen. Aber eines will ich seit Monaten loswerden (ich brauche immer einen passenden Wein zu einem Artikel und der kam halt erst jetzt an die Reihe). Der Beschluss des VDP sieht vor, dass es nur noch einen trockenen Spitzenwein aus den Ersten Lagen gibt und der ist das Grosse Gewächs. Da gehe ich im Geiste die Liste der ehrfurchtgebietendsten trockenen Deutschen Weine und ihrer Herkunftslagen durch. Rheingau: Künstler Hölle Auslese trocken Goldkapsel – mit diesem Beschluss verboten (weil nur noch Hölle GG), Rheinhessen: Keller G-Max und Abtserde sowie Wittmann La Borne – weg damit (weil aus irgendwelchen Parzellen in Kirchspiel, Morstein, Hubacker oder so stammend), Nahe: Emrich-Schönleber Versteigerungswein A.d.L. trocken – abgeschafft (weil aus dem Halenberg), Mosel: Heymann-Löwenstein Uhlen B, L & R, Busch Pündericher Marienburg Raffes etc. – gekillt (eine Lage – ein GG), Pfalz: Koehler-Ruprecht Kallstadter Saumagen Auslese trocken R – hinüber (,R‘ und Riesling? Nicht im VDP). Die Liste ließe sich tatsächlich fortsetzen.

Im Handstreich mäht der VDP seine Elite nieder und die stimmt auch noch auf der entsprechenden Versammlung dafür. Oh Herr, schmeiss Hirn vom Himmel.

Doch ich glaube nicht, dass es tatsächlich so kommen wird. Der VDP hat sich das Hintertürchen der ,Sonderregelungen‘ offen gelassen und sie werden geschlossen den Weg der Rheinhessischen Pharisäer (GG predigen, G-Max trinken!) beschreiten. Ich wage die Prophezeiung, dass nicht einer der genannten Weine der neuen Regelung zum Opfer fallen wird.

Wie hätte der Verband es anders machen können? Ich versuch es mal (denn Marketing ist meine Leidenschaft). Wenn ich der VDP wäre, dann hätte ich neben der dritten Lagenkategorie gleich noch eine vierte beschlossen. So wie es im Bordelais neben Premier und Grand Cru eine kleine Elite von Premier Grand Cru gibt, hätte ich auch eine rare Klassifikation erfunden. Die ,Große Lage – Historisches Terroir‘ – mithin etwas, dass es mal gegeben hat, was aber verloren ging, spätestens als anno `71 einige Tausend Lagen gestrichen wurden. Da steckt Marketing-Musik drin: die Wiederentdeckung des Alten, das Aufbäumen gegen den Amtsschimmel, das Ausselektieren des Besten und Besonderen. Und noch ein Vorteil ist nicht zu verachten: anders als das GG könnte man den Begriff ,Historisches Terroir‘ bestimmt als Marke eintragen lassen.

Dann produzierte ich eine kleine Landkarte mit Erklärungen über die Besonderheiten der Superparzellen, die Auswahl grenzte ich streng ein, die Qualitätskriterien wären selbstredend brutal. Eine eigene kleine Kommission (in der zufällig alle begüterten Winzer säßen) entschiede jedes Jahr am 1.Oktober, ob der Jahrgang der Produktion der Historischen Terroirs würdig ist. Und – da müsste manch Winzer eine Kröte schlucken – alle HT‘s (wie wir Freaks sie in kürzester Zeit abkürzten) wären Versteigerungsweine – die Auktion selbstredend ein Event der Superlative, bei dem Robert Parker demütigst um eine Eintrittskarte bettelte.

Die Auslese trocken R oder Goldkapsel kriegte ich damit nicht hin, aber was soll‘s, wir finden in den entsprechenden Lagen bestimmt eine Parzelle mit altertümlichen Namen, von der sich behaupten lässt, sie sei von jeher der Ursprung der Überweine gewesen. So macht Marketing Spass, lieber VDP!

Muss am Ende nur noch die Weinqualität stimmen, dann steht der Weltherrschaft nix mehr im Wege.

K.P. Keller, Riesling Abtserde GG, 2006, Rheinhessen. Der Wein entspricht in der Nase und am Gaumen in keiner Weise meinen Erwartungen. Das ist positiv und negativ: er ist nicht würzig oder zeigt irgendwelche anderen Anzeichen einer würdigen Kellerreife, er ist aber auch nicht unsauber, wie die meisten 2006er Rieslinge. Am Gaumen zeigt er nicht ansatzweise die Komplexität, die ich mir von einem Spitzenwein erhoffe. Er ist schnell beschrieben: In der Nase grüßt ein schöner purer Duft von reifen Aprikosen. Am Gaumen ist die Frucht reif aber klar, süß aber nicht mastig, 13% Alkohol sind gut eingebunden: Mineralik, Kräuter, Würze – samt und sonders Fehlanzeige. Aber der Stoff ist – vergessen wir für einen Moment die Weinsprache – mörderlecker! Der Abgang ist lang und fruchtig, die Versuchung die ganze Flasche an einem Abend zu trinken riesig, das schlechte Gewissen, über 50€ für die Flasche bezahlt zu haben aber auch. Aber das Marketing ist klasse!

Wie legt man einen Weinkeller an? (4/4)

Sechs Jahre ist es her, dass ich anfing, mir einen eigenen Weinkeller einzurichten. Und es wird Zeit einzugestehen, dass ich genügend Unsinn bei der Anlage gemacht habe, dass man durch bloßes Vermeiden meiner Fehler einen prima Keller hinbekommen sollte.

Zum Abschluss meiner Sammlung von Hinweisen zur Weinkeller-Einrichtung ein Tipp, wie man ein Problem umschifft, dass ich nie gehabt habe. Ob das meinen persönlichen Tugenden als Weinkellerbesitzer geschuldet ist oder doch eher einer im folgenden zu schildernden unheimlichen Begegnung der dritten Art, werde ich nie erfahren.

Ungefähr ein Jahr hatte ich bereits Flaschen in meinen noch halb leeren Keller geschichtet, als ich auf einer Weinmesse in Hamburg an den Stand des Winzers Johannes Schmitz vom Weingut Rebenhof trat um mich über dessen 2006er Kollektion zu informieren. Wie oft in ähnlichen Smalltalk-Situationen erlebt, fragte auch Herr Schmitz nach meiner persönlichen Beziehung zum Wein. Ich entgegnete, ich sei lediglich ein privater Endverbraucher, erwähnte allerdings auch, dass ich mich intensiv mit einigen Freunden über das Internet austauschte (zu jener Zeit gab es dieses Blog noch nicht, ich war Teilnehmer eines Weinforums).

Das war das Stichwort, auf das Herr Schmitz gewartet zu haben schien. Es folgte eine heftige Schimpfkanonade über diese Ignoranten im Internet, die Klugscheißer und Dummschwätzer, die wehrlose Winzer diskreditierten und alles besser wüssten. Dabei unterbrach er seine Tiraden gelegentlich um, sein Reden konterkarierend, weitere Exemplare seiner Weinkollektion in mein Glas zu schütten, ich hätte sonst die Flucht ergriffen.

Den Abschluss seiner einer großen Bühne würdigen Publikumsbeschimpfung bildete die Bemerkung, er habe solchen Menschen schon häufig Wein geliefert und sich deren zu Kathedralen hochgejazzte Keller anschauen müssen, in denen es jeden Wein der Welt und allen erdenklichen Nippes gäbe. ,Nur eines suchen Sie dort vergeblich‘ schloss er, leicht aus der Puste: ,einen Korkenzieher‘.

Als ich am Abend nach Hause kam brachte ich als erstes zwei Korkenzieher in den Keller. Seitdem öffne ich die meisten Flaschen schon unten im Keller. Es liegen auch immer ein paar abgeschnittene Kapseln und gezogene Korken in der Gegend rum. Ich packe nie alle Kartons aus und bringe auch den Müll nur unvollständig raus. Mit einer Kathedrale kann man meinen Weinkeller jedenfalls nicht verwechseln. Spätestens von Herrn Schmitz habe ich gelernt: Wein ist zum Trinken da, nicht zum Sammeln!

Auslese von Herrn Schmitz
Dank Korkverdacht im Doppelpack

Rebenhof, Ürziger Würzgarten, Riesling Auslese, 2006, Mosel. In der Nase viel reife und süße Frucht, Aprikose, Melone, Banane aber auch ein leicht fauliger Fehlton. Ich habe eine Konterflasche aufgemacht, um Kork auszuschließen. Der feine Fehlton ist bei beiden Flaschen exakt gleich und nicht dominant, den Korken will ich ausschließen. Am Gaumen ist der Wein für eine Auslese nicht sehr süß, erzeugt ein wunderbar cremiges Mundgefühl, ist mit schöner Säure und daraus resultierend schönem Spiel ausgestattet aber leidet auch unter einem deutlichen Bitterton. Der Abgang ist sehr lang aber auch nicht ganz sauber. Da war nicht nur Botrytis, sondern wohl auch einiges anderes an Fäulnis mit im Spiel – dazu gehen 10 % Alkohol an einem so süßen Wein nicht spurlos vorbei. Trotzdem kann ich dem Wein viel abgewinnen. Ich finde ihn animierend und kantig.

Irgendwie wie den Winzer …

K(l)eine Geschichten zu Großen Gewächsen (4)

Manchmal gibt es gar nicht so viel zu erzählen zu den Weinen, die ich trinke. Hier sind drei, die ich aber keinesfalls unterschlagen möchte.

Drei verschiedene Große Gewächse macht das Weingut Heymann-Löwenstein aus dem Winninger Uhlen. Meine Erfahrungen der letzten Jahre veranlassten mich dazu, in den zurückliegenden GG-Kampagnen nur noch den Uhlen-R zu kaufen (2010 habe ich mir auch das geschenkt, was Berichten von Freunden zufolge ein Fehler gewesen sein könnte). Um es drastisch zu sagen: bei Uhlen-L und Uhlen-B habe ich eine ganze Menge Frösche geküsst um verhältnismäßig wenige Prinzen zu treffen. Deswegen will ich nicht verschweigen, dass der folgende ein echter Prachtprinz war:

Heymann-Löwenstein, Uhlen B, 2005, Mosel. Da präsentiert sich große Dichte in der Nase, Aprikose, Grapefruit und Apfel aber auch Walnuss, eine leicht medizinale Note und ein Rest Sponti-Stinker – trotzdem riecht das sehr sympathisch, irgendwie fröhlich auf Krawall gebürstet. Am Gaumen finde ich den Riesling ziemlich trocken für einen Löwensteinschen Uhlen, saftig, mit einigen Gerbstoffen, reifer Säure, unauffälligen 12,5% Alkohol und wiederum einer leicht nussigen Note. Dörraprikose ist die dominierende Frucht. Reichlich Würze und getrocknete Kräuter belegen das mittlerweile fortgeschrittene Alter des Weins. Mächtige Mineralik zeigt sich vor allem im sehr langen Abgang. Erinnert mich irgendwie an Weine von Kühn aus dem gleichen Jahr und ist vermutlich nicht Jedermanns Sache. Mir gefällt der Uhlen B in diesem Zustand ausnehmend gut.

Als ich das `07er Ungeheuer 2009 zum ersten Mal trank, präsentierte sich der Wein sehr vielschichtig und ich kaufte einige Flaschen nach. Stand heute wäre das nicht unbedingt nötig gewesen, aber das Bild kann sich natürlich mit weiterer Reife wandeln:

Reichsrat von Buhl, Forster Ungeheuer, Riesling GG, 2007, Pfalz. Eine Klassische Pfälzer Rieslingnase, vor allem mit Aprikose und mürbem Apfel sowie allen weiteren üblichen Zutaten. Am Gaumen schön gereift und wieder sehr klassisch mit kantiger Säure, kräftiger Mineralik, süßer Frucht (obwohl sich der Wein insgesamt ziemlich trocken anfühlt), unauffälligem Alkohol (13%) und langem Abgang. Das ist Riesling pur – nicht mehr und nicht weniger.

Das Pfälzer VDP-Weingut Bernhart kenne ich nur, weil einr Händler meines Vertrauens den Spätburgunder Rädling auf seiner GG-Subskriptionsliste führt. Reflexartig ordere ich meistens eine Flasche davon. Nun habe ich erstmals eine getrunken. Meine Neugierde auf das restliche Sortiment des Gutes hat er nicht stimulieren können. Das ist zwar unfair bei nur einem gekosteten Wein aber wie ging noch ein alter Blues-Klassiker: ,So many vintners so little time…‘:

Bernhart, Spätburgunder ,Rädling‘ GG, 2005, Pfalz. In der Nase Blaubeere und Brombeere, etwas Jogurt, insgesamt fruchtig, fröhlich und nicht sehr tief. Am Gaumen besser: feines Tannin, schönes Holz, fruchtig mit den gleichen Beeren – der Rädling könnte noch mehr Konturen haben und Aromen aus dem kräutrig-fleischigen Spektrum zeigen, dann wäre er große Klasse. So ist er ein hervorragender Spätburgunder, der so eben als GG durchgeht