Üble Verleumdung

Uli Hoeneß hatte letzte Woche das Erstaunen auf seiner Seite, als er in einem Interview zu Protokoll gab, es sei ihm beim FC Bayern nie um Titel gegangen. Nachdem seine Gesprächspartner sich wieder gefasst hatten, schob er nach, dass sich diese Aussage auf seine genaue Stellenbezeichnung beziehe. ‚Manager‘, ‚Stellvertretender Vorstandsvorsitzender‘ oder nun bald ‚Präsident‘ sei eigentlich egal, auf seiner Karte habe und werde immer stehen: Uli Hoeneß, FC Bayern München.

Was das mit Wein zu tun hat? Gar nichts, aber ein vergleichbares Missverständnis könnte wohl auch die folgende Aussage hervorrufen: Carsten Becker hat ein Alkoholproblem! Denn ohne weitere Erläuterung könnte man meinen, ich verleumdete auf durchaus justitiable Weise den Inhaber und Kellermeister des Mülheimer Weingutes Becker-Steinhauer. Deswegen möchte ich gleich klärend nachschieben: Leider geraten ihm einiger seiner ansonsten genialen Rieslinge regelmäßig reichlich alkoholstark – mithin bezieht sich meine Aussage auf sein Wirken als Kellermeister, nicht auf ihn als Person oder Konsument von alkoholischen Getränken.

Seine feinherbe Spätlese ist besonders anfällig (die hieß 2005 nur Spätlese, mittlerweile ‚Alte Reben‘). Vielleicht ist das aber auch ein subjektives Problem und anderen Weinfreunden macht das weniger aus. Für meinen Gaumen gilt: Während 13,5% Alkohol einen Riesling nicht per se zerstören, ist die Kombination eines solchen Wertes mit um die 20 Gramm Restzucker mir oft zu viel. Das schmeckt ein bisschen wie Weintraubenlikör – ist in kleinen Dosen aber durchaus ein Vergnügen.

Veldenzer Kirchberg Riesling QbA ‚Alte Reben‘, 2007, Becker-Steinhauer, Mülheim, Mosel. In der Nase Mandarine, Grapefruit und Karamell, am Gaumen sehr dick mit Karamell, (Dörr-) Aprikose, viel Mineralik, gutes Süße-Säure-Spiel bei insgesamt halbtrockenem Geschmacksbild aber auch in jeder Hinsicht spürbarem Alkohol – also alkoholisch bitter und im Abgang etwas brandig. Das macht satt.

Oder wie Uli Hoeneß vielleicht sagen würde: Ein Glas davon – Weltklasse, zwei Gläser – Kreisklasse.

Auf die Größe kommt es manchmal doch an

Wer ob der Überschrift Schlüpfrigkeiten erwartete, wird jetzt vielleicht enttäuscht sein, aber es geht hier um Flaschengrößen – ist ja schließlich ein Weinblog. Welchen wirklich großen Einfluss die Flaschengröße auf den Reifeverlauf auch eines Rieslings hat, konnte ich einmal mehr anhand eines letzte Woche verkosteten Weines erfahren, für den es zufälligerweise gerade Sekundärliteratur zum Vergleich gibt. Der Riesling stand nämlich auch (aus der Normalflasche) auf der Verkostungsliste des Gault Millau für die Bernhard Breuer Trophy, also die Verkostung 10 Jahre alter Spitzenrieslinge, und soll nach einem Bericht von Werner Elflein im Glas ziemlich rasch abgebaut haben.

Ich habe den Wein noch in Magnumflaschen und eine davon konnte ich letztes Wochenende öffnen, da ich genügend an Riesling interessierte Gäste hatte. Fazit: selbst Freunde jüngerer Weine waren begeistert ob dieses wirklich fantastischen Weines, welcher Reife und Frische perfekt balanciert. So hat der Wein aus der Normalflasche vermutlich vor drei oder vier Jahren geschmeckt.

Eitelsbacher Karthäuserhofberg, Riesling Auslese trocken -S-, 1999 (Magnum), Karthäuserhof, Mosel (Ruwer). Die vergleichsweise frische Nase erinnert an Rhabarber, Vanille, ein wenig Honig und zeigt auch einige würzige Reifenoten. Am Gaumen ist der Wein zwar sehr trocken aber auch sehr fruchtig mit Anklängen von Himbeere und viel Pfirsich, dazu ist er wahnsinnig mineralisch von der ‚rauchigen‘ Art. Der Abgang ist mineralisch, trocken ohne gezehrt zu wirken und sehr lang.

In diesem Fall verheißt die Extragröße auch Extragenuss…

Füllwein (7)

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für erwähnenswert befunden habe.

Mörbisch Weiß, Weißwein Cuvée, 2006, Grenzhof Fiedler, Burgenland/Österreich. Die herrliche Cuvée aus Weissburgunder und Chardonnay duftet sehr intensiv nach grünem Apfel und schmeckt auch ein bisschen danach. Daneben gesellt sich in der Nase und am Gaumen ein kräftiger Holzton mit etwas Rauch und viel Vanille dazu. Vom Mundgefühl ist er eher schlank, der Nase nach zu urteilen hätte ich ihn molliger erwartet. Den ausgesprochen langen Abgang finde ich einen Tick alkoholisch. Es gibt in Deutschland zwei populäre Vertreter dieser Mischung von den Weingütern Knipser und Keller. Ich meine, da kann Bernhard Fiedlers Wein mithalten.

Ürziger Würzgarten Riesling Spätlese, 1998, Jos. Christoffel Jr., Mosel. Die Weine dieses Winzers haben eine große Fangemeinde im Internet und ich oute mich hiermit als Gruppenmitglied. Ich gehöre jedoch zum gemäßigten Flügel. Die 98er Spätlese schmeckt auch zehn Jahre nach Füllung noch ziemlich süß, was bei nur 7 Prozent Alkohol vielleicht nicht überrascht. Die Nase bietet alle Aspekte einer Raffinerie: Diesel, Kerosin und so weiter aber auch eine große Portion Granny Smith. Auch am Gaumen findet sich dieser markante Apfel gemeinsam mit etwas Birne. Schönes Mundgefühl und gutes Süße-Säure-Spiel sind die herausragenden Eigenschaften am Gaumen. Ein bisschen adstringierend im sehr langen Abgang und nur wenig Mineralik stehen auf der Soll-Seite aber die Bilanz ist sehr positiv.

Chateau Rollan de By 2003, Cru Bourgeois, Medoc, Bordeaux. Dieser fruchtige Bordeaux ist die perfekte Verbindung von Trinkspaß und Tiefgang. Seit der Auslieferung 2005 bietet er fast unverändert einen vollen Körper, satte Frucht, angenehme Röstaromen, gut integrierte Säure und kaum spürbaren Alkohol bei einem stabilen Rückgrat aus Tannin – Lieblingswein.

Kork sei Dank

Einem korkigen Wein etwas Gutes abzugewinnen, gelingt vermutlich nur echten Frohnaturen. Also nennt mich Sonnenschein…

Unter allen Varianten des Korkfehlers finde ich den ‚schleichenden‘ besonders fies, weil er es schafft, einen Wein unmittelbar nach dem Öffnen erst mal genießbar erscheinen zu lassen. Mit etwas Luft verwandelt sich der schleichende binnen weniger Stunden oder manchmal auch Tage meiner Erfahrung nach in einen ganz offensichtlichen Fehler. Bis dahin tut man dem betroffenen Wein einiges Unrecht. Nicht selten denke ich: schleichender Kork, wenn einem Wein in Erzählungen oder Blogberichten die eher ‚schale‘ Frucht angekreidet wird.

Das bedeutet aber nicht, dass ich selbst davor gefeit wäre. Erst neulich habe ich einen Wein im Prinzip zwar sehr schön aber in der Frucht doch arg gezehrt gefunden. Der Blogbeitrag war im Geiste schon formuliert und der Wein herabgestuft zum Ensemblemitglied im nächsten Füllwein-Artikel. Ich dachte noch, wie schön könnte er sein, wenn er diese unglaubliche Mineralik mit einer satten Pfirsichfrucht kombinieren könnte. Der Abgang war lang aber eben nur was für Knochentrockentrinker. Und dann kam da mit Verzögerung auf einmal eine richtig scharfe Note in selbigen. Der Verdacht keimte auf, der Wein landete im Kühlschrank und am nächsten Abend kam dann etwas ins Glas, was mich nur noch denken ließ: „Und davon hast Du gestern ein ganzes Glas getrunken?“

Aber die Geschichte hat ein Happy-End in Form einer zweiten Flasche. Diese Flasche zeigt viel von dem, was ich bei der ersten vermisst habe. Hatte ich ursprünglich noch gedacht, dass ‚Auslese trocken‘ auf dem Etikett auch Auslesequalität in der Flasche bedeuten sollte, so finde ich jetzt, dass der Winzer ob des Zauberstoffs im Glas zurecht Auslese statt Spätlese als Bezeichnung wählte. Hatte ich ohne Frucht noch darüber sinniert, wie mineralisch der Wein ist, finde ich die gleiche Mineralik jetzt auch im fruchtigen Sollzustand wieder und kann ihre ganze Tiefe erst richtig würdigen. Der Wein ist so gut, wie ich es vor dem Öffnen der kaputten Flasche erhofft hatte und ohne das Negativerlebnis wäre mir vielleicht die eine oder andere Nuance verborgen geblieben.

‚Montis‘ Riesling Auslese trocken (Klüsserather Bruderschaft), 2005, Weingut Gebr. Ludwig, Mosel. In der opulenten Nase eine Mischung aus Pfirsich, Marzipan und Aloe Vera gepaart mit einer leichten Würze, die vermutlich von der Reife stammt. Am Gaumen mit viel Volumen und Saft ohne fett zu sein. Der Wein hat nur 12,5% Alkohol und keinen übertriebenen Zuckerschwanz. Sehr schöne Pfirsichfrucht gepaart mit tiefer Mineralik, leicht salzig, tolles Spiel durch eine lebendige und perfekt integrierte Säure. Gefällt mir etwas wärmer noch besser als bei ‚Soll-Temperatur‘. Ein phänomenaler Wein.

Manchmal lernt man’s halt auf die harte Tour …

Füllwein (6)

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für erwähnenswert befunden habe.

Forster Elster, Riesling Kabinett, 2007, Georg Mosbacher, Pfalz. Ein schlanker und leichter Kabinett den Mosbacher jedes Jahr aus dieser Lage zaubert, in 2007 mit 12% auch im Alkohol leicht. Zwei Merkmale prägen den Wein: eine exotische, süße Nase mit vollreifer Maracuja, Ananas und Marzipan sowie eine kräftige Säure. Ein Wein der ohne überbordende Mineralik auskommt. Aber bei aller Einfachheit zeigt der Wein, dass die Eigenschaften unkompliziert und anspruchsvoll sich nicht ausschließen.

Mülheimer Sonnenlay, Riesling Auslese, 2003, Weingut Bottler, Mosel. Über das eher wenig bekannte Gut hatte ich hier ja schon geschrieben. Die Auslese aus dem Problemjahr 2003 besticht mit intensivem Grapefruit-Aroma samt leichtem Bitterton. Trotzdem gefällt sie mir sehr gut, denn das Bitterl macht etwas die fehlende Säure weg. Auch die 11% Alkohol und damit einhergehender niedrigerer Restzucker stehen dem Wein meiner Meinung nach gut. Im Abgang lang und rund.

Ursprung, Rotwein Cuvée, 2006, Markus Schneider, Pfalz. Es ist schon viel Positives über Markus Schneiders Cuvée aus Cabernet Sauvignon, Merlot, Portugieser und Cabernet Mitos geschrieben worden. Die im Keller vergessene und jüngst wiedergefundene Flasche 2006er zeigt für mich aber auch die Grenzen des Weines auf. Wenn jugendliches Tannin etwas abgeschmolzen ist, finde ich den Wein ganz schön süß. Das ist bald halbtrocken und nicht annähernd so gut wie kurz nach der Füllung. Nach einem viertel Glas war Schluss. Der Wein gehört schon fast in die Kategorie ‚Kellerleiche‘.