Großes Gelage

Erbacher Steinmorgen, Riesling Erstes Gewächs, Rheingau, 2005, Heinz Nikolai. Der Wein kostete für ein Erstes Gewächs vergleichbar wenige 12,50 Euro ab Hof. Bei der ersten Flasche vor knapp drei Jahren notierte ich mir, das sei eine sehr hübsche halbtrockene Spätlese. Zu wenig für ein Erstes Gewächs aber vertretbar bepreist. Heute würde ich sagen, das ist eine sehr mineralische, besonders gut gelungene halbtrockene Spätlese von großer Länge. Damit wird er zu einem Wein mit besonders gutem PLV, ein Erstes Gewächs ist er irgendwie noch immer nicht. Großes Gelage weiterlesen

Bassermann-Jordan, Deidesheim Hohenmorgen 2006

Weingut Geheimer Rat Dr. von Bassermann-Jordan, Deidesheimer Hohenmorgen, Riesling trocken, Großes Gewächs, 2006. Den Wein wollte ich mir eigentlich zum Wochenausklang gönnen. Habe ihn dann aber nach einer Stunde wieder weggestellt und beschlossen, ihm weitere Chancen zu geben. Die Verkostungsnotiz daher als Etappenrennen.

Freitag: Eine Stunde belüftet präsentiert sich der Wein in der Nase zurückhaltend mit etwas Pfirsich, Erdbeere und einer Spur Marzipan. Riecht angenehm auch wenn eine minimale Spur Firne den Jahrgang ankündigt. Am Gaumen sehr straff und kompakt: wenig Frucht, Karamell, leichte Hitzenote wie man sie manchmal in Überseerieslingen findet. Schmeckt trocken und bindet den Alkohol (13%) gut ein. Im Abgang schlägt dann allerdings ein gnadenloser Bitterton zu und macht alles kaputt. Fängt an wie 90 Punkte und endet bei gut 80. Jetzt erst mal wegstellen und später noch mal probieren.

Samstag: Viel besser!!! In der Nase ist der Hohenmorgen immer noch recht leise, jetzt aber etwas blumig-süßlich und immer wieder ein Hauch Marzipan. Am Gaumen wieder straff, kompakt jetzt aber auch enorm druckvoll, saftig und etwas sauberer. Trotzdem hat er etwas Würziges und kann den Jahrgang nicht verleugnen. Im langen Abgang jetzt nur noch mineralisch ohne bitter zu sein, dafür meldet sich der Alkohol zu Wort. Punktemäßig kratzt er an den 90.

Sonntag: Gleiches Bild wie Samstag, ein toller Wein. Allerdings messe ich ihn halb unterbewusst mit seinem 2007er Pendant, den ich vor drei Wochen trinken durfte. Und da das Bessere bekanntlich der Feind des Guten ist, mag ich den 2006er nicht über die 90 Punkte hieven. Der jüngere Bruder präsentiert sich klar, frisch und so vibrierend, da ist der 2006er einfach ein grummeliger Vertreter der eher herben Art.

Fazit: Ein Wein mit viel Power und Mineralik aus der Kategorie Dickschiff mit langem Nachhall, der aber nicht mit Typizität punktet, sondern eher mit Macht und Fülle. Zu trinken jetzt (mit ein paar Stunden Luft) oder doch lieber in ein paar Jahren. Ein straffer Paraderiesling wird er aber nie werden. 89 bis 90 Punkte.

Füllwein

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die mir jüngst begegnet und positiv aufgefallen sind.

Markus Molitor, Zeltinger Sonnenuhr Riesling Kabinett 2007, Mosel. Der Wein darf den Zusatz trocken nicht auf dem Etikett tragen, da er analytisch den gesetzlichen Bestimmungen für ‚trocken‘ nicht entspricht. Also steht auf dem Rückenetikett: „Dieser trocken schmeckende Riesling…“. Der Wein ist sehr zugänglich, verglichen mit vielem, was Molitor sonst im Programm hat. Er kombiniert viel Frucht mit vergleichsweise wenig Mineralik. Gefällt auch Molitor-Skeptikern (glaube ich).

Ludwig Thanisch & Sohn, Weissburgunder QbA 2008, Mosel. Für unter 7€ ist der Wein ein echtes Schnäppchen, der mit seiner opulenten Frucht auch diejenigen Weintrinker zu überzeugen vermag, deren Horizont am Supermarktregal endet – allerdings ohne den Anspruch aufzugeben, ernsthaften Weintrinkern einen Weißburgunder mit überbordender Mineralik zu bescheren. Gelungene Gratwanderung.

Fürst Löwenstein, Bacchus trocken 2008, Tauberfranken. Dieser Wein hat nur 11,5% Alkohol und auf der Terrasse bei 25 Grad im Schatten mit Freunden unverschämt viel Spaß gemacht. Ich werde jetzt nicht alle meine Vorurteile gegen die Rebsorte revidieren aber zumindest nie wieder behaupten, daraus könne man nix vernünftiges keltern. Probieren geht über studieren.

Die 3 Bs von Mülheim

Zugegeben, es gibt in Deidesheim noch ein paar berühmtere Bs aber derzeit ist es ja en vogue über Newcomer zu sprechen. Und im Dörfchen Mülheim an der Mosel will es der Zufall, dass es neben dem bekannten Platzhirschen Max Ferd. Richter drei erwähnenswerte Winzer gibt und deren Namen alle mit B anfangen. Die 3 Bs von Mülheim weiterlesen

Grenzerfahrung

Am Samstag kredenzte mir ein Freund einen Wein, der mir meine Grenzen als Weinkritiker aufzeigte. Er wurde ‚blind’ gereicht, also kommentarlos im Glas, ohne dass ich einen Hinweis erhielt, um was es sich handelte. Da er das Dessert begleitete, war aus dem Kontext anzunehmen, es würde ein süßer Riesling sein. Der Duft, der dem Glas entströmte war erst mal übel. Ein ‚Spontistinker’ aus dem Lehrbuch – also jener an den Weinfehler ‚Böckser’ anlehnende Schwefelwasserstoffgeruch, der an Stinkbomben aus Kindertagen erinnert und bei spontanvergorenen Weinen vorkommen kann. Darunter lag irgendwo ein bisschen Frucht, kaum wahrnehmbar, denn dieser Stinker ließ sich nicht so ohne weiteres wegschwenken. Grenzerfahrung weiterlesen