Was wächst denn da?

Nachdem ich neulich der Zeitschrift Weinwelt eine Überschrift gestohlen habe, beklaue ich heute zur Abwechslung ein Weinblog. Diesmal entwende ich nicht die Headline, sondern das Thema. Die Kollegen von Drunkenmonday hatten neulich einen kleinen Reigen exotischer Rebsorten vorgeführt, die sich mittlerweile in Deutschland mehr oder weniger heimisch fühlen und ausbreiten. Ich fasste bei der Lektüre – die ist im Übrigen sehr zu empfehlen, hier (in der Hoffnung, damit die Absolution für den Diebstahl geistigen Eigentums zu erlangen) der Link – den Vorsatz, dieses Panoptikum auf meinem eigenen Blog fortzusetzen und mich dabei nicht auf die Pfalz zu beschränken, wie die Montage es im Original taten. Speziell exotische Rotweine habe ich einige im Keller und manche erreichen (oder überschreiten) dieser Tage die Trinkreife.

Rings, Merlot, Mandelgarten ‚Silberkapsel‘, 2005, Pfalz. Eine fruchtige (Kirsche und Pflaume) Nase mit Teer und Rauch sowie kräftigen, unreifen grünen Noten (Tomatenpflanze). Am Gaumen nur verhaltene Frucht (Pflaume), Teer, Rauch, verbranntes Toast, sehr trocken, etwas mineralisch mit rauem Tannin, dass mit viel Luft etwas zurückhaltender wird. 14% Alkohol sind ordentlich eingebunden, der Abgang ist lang und etwas austrocknend, das Vergnügen an diesem Wein ein bisschen eingeschränkt.

Die Silberkapsel-Linie war damals die mittlere Qualitätsstufe bei Rings. Es gab noch einen Goldkapsel-Merlot. Nach Genuss der Silberkapsel habe ich den Eindruck, dass das Traubenmaterial in unseren Breiten nicht so gut reift, dass das minderwertige einen eigenen Zweitwein trägt. Vielleicht liege ich richtig, es gibt diesen Wein in Folgejahrgängen nicht mehr. Ich vermute, dass die einfachen Chargen Merlot jetzt in die diversen Cuvées des Hauses wandern. Ähnlich verfahren viele hiesige Winzer mit Cabernet oder Merlot-Weinbergen. Bis vor kurzem  tat das auch Stefan Steinmetz. Allerdings ist er wieder davon abgerückt, weil sich die Basiscuvée seines Gutes am Markt nicht durchsetzen konnte. Schade eigentlich, mir gefiel der Wein sehr gut.

Rings' Merlot und Ziereisens Syrah
Exotische Einwanderer

Günther Steinmetz, Cuvée Apereshop, 2005, Mosel. Cuvée aus Spätburgunder, Schwarzriesling und Merlot. In der Nase zunächst Kirsche und Pflaume, nach einiger Zeit überlagert von einem kräftigen Alterston dazu Lakritze und Brombeere sowie eine leicht grasige Note. Am Gaumen ist der Wein von mittlerem Volumen, mit prägender Säure, sehr trocken, schöner Frucht (Brombeere, Kirsche) und noch deutlichen Barrique-Spuren. Das Tannin ist nicht besonders ausgeprägt, der Abgang lang. Ein sehr schöner Rotwein, der in jungen Jahren genial war, sich jetzt aber langsam verabschiedet.

Nachdem die einfachen Qualitäten mir wenig Glück gebracht hatten, fand ich es an der Zeit, mich den etwas dickeren Geschossen zuzuwenden. Ich versuchte es mit einem, auf den ich mich seit Jahren freue.

Ziereisen, Syrah ‚Gestad‘, 2005, Baden. In der recht schönen Nase schwarzer Pfeffer, rote Beeren und Eukalyptus – ansprechende Mischung. Am Gaumen eigentlich sehr elegant, etwas süße Beerenfrucht, milde Säure, dezentes Tannin, Bitterschokolade, gut eingebundener Alkohol (13,5%) aber auch eine kleine Überdosis Rauch und Teer sowie unreife Noten. Aus 2005 hatte ich einen etwas molligeren Wein erwartet. Der Abgang ist sehr lang und der Wein definitiv das Produkt gehobener Winzerkunst, wenngleich ein Teil der Faszination darauf beruht, dass es ein deutsches Produkt ist.

Was noch fehlt, ist der Cabernet. Und mit dem hatte ich Glück, denn dem haben fünf Jahre Kellerreife so richtig gut getan.

Wegner, Cabernet Sauvignon, 2002, Pfalz. In der Nase Holz, Holz und nochmal Holz. Das ist schon grenzwertig. Wegner ist Gründungsmitglied des Barrique-Forums und sperrt seine Weine teils extrem lang in kleine Fässer. Nach rund drei Stunden zeigt sich auch Frucht (Johannisbeere) und grüne Paprika. Das lässt am Gaumen schlimmes erwarten. Aber da vermag der Wein zu überraschen:  kein überholzter karger Wein mit unreifen Noten, sondern viel schöne Beerenfrucht, sehr trocken, rauchig, Kräuter und Würze aber natürlich auch jede Menge Holz. Ich zweifle, dass die erstaunlich gut eingebundenen 14,5% Alkohol ganz ohne Anreicherung zustande kamen, dafür war 2002 vielleicht nicht das richtige Jahr – aber der Alkohol steht dem Wein sehr gut. Trotz immer noch starker Holznoten zeigt sich auch eine feine Mineralik im sehr langen und harmonischen Abgang. Ein sehr feiner Wein – aus einem eigentlich recht durchschnittlichen Jahr.

 

Guter Zweiter

Menschen, die ein Weingeschäft betreten und das Verkaufspersonal anweisen: ‘Ich hätte gerne Ihren teuersten Rotwein’ halte ich nicht für verdächtig, echte Weinkenner zu sein. Nicht dass ich allzu viele Menschen kenne, die so etwas schon einmal getan haben. Genau genommen kenne ich nur einen: mich. Zu meiner Verteidigung sei gesagt, dass ich zwar gute Gründe aber keine Zeit hatte, diese mit dem Ladeninhaber zu erörtern. Guter Zweiter weiterlesen

Potente Kunden

Meine Ehefrau überraschte mich letzte Woche mit der Ankündigung, sie habe Heißhunger auf Rinderfilet. Sprach’s und ging einkaufen. Ich konnte mich mit dem Gedanken gut anfreunden und dekantierte schon mal einen Bordeaux. Duhart-Milon 2001 sollte es sein. Die Zeit bis zum Essen verbrachte ich mit etwas Recherche im Internet. Was ich da fand, erinnerte mich einmal mehr an eine Filmszene, die ich vor Jahren sah und an die ich mich im Zusammenhang mit Bordeaux regelmäßig erinnere. In irgendeinem Fernsehkrimi klärte eine Prostituierte einen Polizisten über einen grundsätzlichen Sachverhalt ihres Gewerbes auf. Wörtlich sagte sie ‚es gibt keine Tausend-Dollar-Callgirls, es gibt nur Tausend-Dollar-Freier‘. Was sie damit wohl zum Ausdruck bringen wollte ist, dass es zwar Qualitätsunterschiede in ihrem Dienstleistungssektor gäbe, jedoch keine, die die teils exorbitanten Preise rechtfertigten, die die Spitzenverdiener der Branche einforderten. Es ist das Wissen um den hohen Einkaufspreis, das für einen wesentlichen Teil des Lustgewinns beim Kunden sorgt.

Ich glaube, es gibt eine Menge Waren und Dienstleistungen, die diesen Reflex zu bedienen wissen. Wein gehört dazu. Und unter den Weinen dürfte Chateau Lafite derjenige sein, bei dem sich Preis und objektive Qualität (so es so etwas bei Wein überhaupt gibt) in jüngster Zeit am weitesten voneinander entfernt haben. Da chinesische Weinliebhaber der festen Überzeugung sind, dies sei der beste Wein der Welt, hat ihre Nachfrage den Preis des Weines in wenigen Jahren verzehnfacht (ohne dass sich an der Qualität des Weines etwas verändert hätte). Und weil diese Überzeugung sich vor allem unter Menschen breit macht, die über viel Geld aber wenig Weinwissen verfügen, sind auch die anderen Weine der Domäne, etwa der Zweitwein Carruades de Lafite und sogar das Nachbarchateau Duhart-Milon – Domaines Barons de Rothschild (Lafite) in diesen Boom hineingezogen worden. So gibt es denn im fernen Osten Legionen von Menschen, die teils nur mittelmäßigen Wein mit größtem Vergnügen konsumieren, bloß weil er wahnsinnig teuer ist.

Soweit das gängige Märchen; die Wahrheit sieht wohl etwas anders aus. Denn mein Ausflug ins Internet zeigte mir: es gibt einen funktionierenden Sekundärmarkt für alle diese Weine in Europa. Auch in Kreisen, die vermutlich gerne und regelmäßig über ‚die Chinesen‘ spotten, werden für meinen Duhart-Milon mittlerweile 75 Euro bezahlt. Als ich ihn anschaffte, kostete er noch 25 und mehr könnte ich dafür unter Preis-Leistungs-Gesichtspunkten auch nicht ausgeben. Ich bin vermutlich nur ein Hundert-Dollar-Freier.

Chateau Duhart-Milon, 4ème Grand Cru Classé, 2001, Pauillac. In der Nase Leder, Pflaume, schwarze Johannisbeere, grüne Paprika, Zedernholz und Tabak,  eher leicht und kühl. Am Gaumen ist der Wein im besten Sinne schlank. 12,5% Alkohol sind kaum spürbar, trotzdem ist der Wein kein dünnes Weinchen. Feine Frucht (Pflaume, rote Johannisbeere) treffen auf etwas Mineralik und das, was in Weinkreisen so gerne Graphit oder Bleistift genannt wird. Die Säure ist spürbar aber passend, das Tannin ist weich. Der Abgang währt sehr lang. Es ist etwas abgedroschen, aber ich möchte den Duhart-Milon trotzdem ‚aristokratisch‘ nennen. 89 Punkte weist die Literatur als gängige Kritikermeinung zu diesem Jahrgang aus, mir gefällt er einen Hauch besser.

Es bleibt in der Familie

Die beiden ersten ernsthafte Flaschen meiner Weinkarriere waren ein Geschenk meines Vaters: ein Achat von Laible und eine trockene ‚S‘-Klasse vom Karthäuserhof. Eine würdigere Inauguration in die Rieslingwelt Es bleibt in der Familie weiterlesen