Flasche leer (2)

Die Frage, was man bei 28 Grad Abendtemperatur auf der Terrasse zum Grillgut trinkt, beantworten gesundheitsbewusste Menschen zu Recht mit Wasser (oder Apfelschorle). Ich bin nur mäßig gesundheitsbewusst und deshalb greife ich gerne zu Wein, wenngleich in sehr geringen Dosen. Aus zwei Gründen ist es meist ein etwas rustikaler Rotwein: ich kühle sie wie einen Weißwein und es bleibt immer eine größere Menge übrig, so dass der Wein Tage im Kühlschrank überdauern können oder reuelos im Essigfass entsorgbar sein muss.

Trotzdem sollen meine Grillweine nichts weniger als großartig sein. Einen solchen zu finden, ist kein einfaches Unterfangen; bei Erfolg lagere ich daher ein paar Flaschen mehr ein. Von einem meiner beiden treuen Grillbegleiter der letzten Jahre habe ich mich gestern verabschiedet.

Knipser, Blauer Spätburgunder QbA, 2002, Pfalz. Der Wein schimmert im Glas schon eher rostbraun als rot. In der Nase etwas Vanille und Erdbeermarmelade, Kirsche und auch Marzipan. Am Gaumen ein bisschen Kirsche und nur noch wenig Tannin, immer noch spürbarer Einfluss vom Holz, eine eher milde Säure (was auch an der vergleichsweise kühlen Serviertemperatur liegen mag), leichte Mineralik und gut integrierter aber spürbarer Alkohol (13,5%). Der Wein zeigt eine stimmige Balance aus Saftigkeit und Holzausbau. Der Abgang ist mittellang. Nach hinten heraus gibt es erste Ermüdungserscheinungen, weshalb der Abschied zwar schmerzt aber keine Sekunde zu früh kommt. Mach’s gut, blauer Kamerad.

Vom anderen ist auch nur noch eine Flasche da. Die vorletzte konnte letzte Woche restlos überzeugen, wie alle Vorgänger seit 2007.

Günther Steinmetz, Pinot Meunier * (im Barrique gereift), 2005, Mosel. In der Nase vermutet man eine Hochzeit von Gamay und Nebbiolo: Lavendel und Veilchen mit einer teerigen Note, dazu Kirsche, Zwetschge und Lakritz. Am Gaumen präsentiert der Rotwein sich mit der Struktur eines großen Weißweines: ein Gerüst aus Säure und Mineralik trägt die Aromen von Pflaume und Wacholder. Eine Kombination aus Röstaromen und zurückhaltendem Tannin runden den Wein ab. Sehr langer von Mineralik geprägter Abgang. Trotz eines Verkaufspreises von viel zu billigen 6 Euro konnte Steinmetz den Wein nicht recht verkaufen, es gab ihn jahrelang auf der Weinliste. Kein Wunder also, dass der Schwarzriesling mittlerweile als Blanc de Noir gekeltert wird. So bleibt es bei diesem einmaligen Geniestreich und mir noch eine letzte Flasche davon.

Vorrundenwein

Der heutige WM-Spieltag brachte eine Reihe bitterer aber auch einen erfreulichen Moment für mich. Da das hier kein Fußballblog ist, spar ich mir mal die bitteren und komme direkt zu dem erfreulichen Moment.

Glen Carlou, Syrah 2004, Wine of Origin, Paarl, Südafrika. In der Nase eine kräftige Kuhstallnote, rote Beeren, Zigarrenkiste, Lavendel, Liebstöckel und einiges mehr – der Wein zeigt in der Nase die Komplexität eines großen Weines, allerdings ohne je ganz harmonisch zu riechen, denn der Stinker spielt immer mit. Am Gaumen ist der Wein alles auf einmal, fruchtig, mineralisch, erdig, mit Spiel, Struktur und Opulenz. Der Reihe nach: Johannisbeere und Pflaume begleiten eine deutliche Lakritznote auf einer von angenehmer Säure spielerisch gestalteten Reise über ein Bett aus Bleistiftspäne, nachdem alle von ein paar noch präsenten aber schon reifen Tanninen abgebremst werden, klingen sie in einem wahrhaft langen Abgang aus. Das ganze spielt alkoholbedingt in wärmeren Gefilden von 14,5%, die aber noch als Nestwärme durchgehen.

Großer Wein, großer Trost.

Auftakt-Wein

Eigentlich war der Sonntag anders geplant, aber plötzlich sah die Agenda vor, dass es das WM-Erstrunden-Match der deutschen Mannschaft auf dem heimischen Schirm und in der Halbzeitpause ein Filetsteak gibt. Viel Zeit blieb nicht für die Weinauswahl, und der Sommer macht schon wieder Pause. Also gab‘s Bordeaux. Am Sonntag mit einer Stunde Luft war meine Wahl schon sehr ordentlich, heute zum Brasilien-Spiel mit zwei weiteren Tagen Luft ist er richtig grandios. Bei den Spielen sah es eher umgekehrt aus…

Chateau Lascombes, Chateau Lascombes 2004, Deuxième Cru Classé Margaux, Bordeaux. Rotweincuvée: 50% Merlot, 40% Cabernet Sauvignon, 10% Petit Verdot. In der Nase Johannisbeere, Cassis, Paprika, Schuhcreme und Kirsche. Am Gaumen viel Schokolade und Mokka, schwarze Johannisbeere, sehr milde Säure, mittleres Volumen aber recht kräftig, schöne Struktur mit sehr festem Kern, relativ viel Tannin. Der Abgang ist sehr lang, noch etwas adstringierend und mit erdigen Noten. 13% Alkohol sind gut integriert. Am 3. Tag sehe ich den Wein bei 91 Punkten. Kann man jetzt trinken, erst recht wenn man ihn eine Weile dekantiert. Ich werde die nächste Flasche allerdings erst bei der nächsten WM aufmachen.

Früher war alles besser

Meine erste Begegnung mit Bordeaux hatte ich, als die Preise für die bekannteren Gewächse schon ziemlich abgehoben waren. Doch die immer wieder aufkeimende Diskussion um die Frage, ob man sein (Rotwein-)Geld nicht besser anderswo anlegen solle, wurde von erfahrenen Aficionados mit dem Hinweis abgeblockt, nirgendwo auf der Welt gäbe es so finessenreiche, elegante und angenehm alkoholarme Rotweine für kleines Geld wie im Bordelais. Wer die Diskussion nur auf die bekannten, klassifizierten Gewächse beschränke, sei selber schuld.

Im Zuge der Subskriptionskampagne für den Jahrgang 2009 finden sich im Internetforum ‚talk about wine‘ eine große Menge Informationen und Eindrücke auch zu den sogenannten kleinen Weinen. Und was ich da lese, erschreckt mich etwas. 14% Alkohol scheinen in diesem Jahrgang eher die Regel zu sein, 15% sind auch keine Seltenheit. Und was die Preise angeht, treibt es nun auch die kleinen Weine in ungeahnte Regionen. Erlebnisse wie dieses hier, für gerade mal 11€, werden vermutlich immer seltener.

Chateau Richelieu, 2001, Fronsac, Bordeaux. In der Nase ein buntes Potpourri: Kirsche, Pflaume und Blaubeere dazu ein bisschen Lakritz und Zeder. Am Gaumen erfrischt der Wein mit angenehm tragender Säure, eher schlank aber ausreichend druckvoll, fruchtig mit genannten Aromen. Der Abgang ist mineralisch mit gut integriertem Holz und gereiftem Tannin. Ziemlich lang, ziemlich gut und leider vom Aussterben bedroht?!

Ich weiß, das klingt ein bisschen nach ‚Opa erzählt vom Krieg‘, aber der Weinwelt scheint eine Facette verloren zu gehen, die (vermutlich) nicht nur mir fehlen wird.

Füllwein (13)

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für erwähnenswert befunden habe.

Markus Busch, ‚Steillagenprojekt‘ (Pündericher Marienburg), Riesling Kabinett halbtrocken, 2008 Mosel. Die Nase ist noch ziemlich hefig, kleiner Spontistinker, Mirabelle, blonder Tabak, sehr jung und wild, beruhigt/bereinigt sich etwas unter Lufteinfluss. Am Gaumen ist der Riesling weniger süß als ich von einem halbtrockenen Wein erwartet hätte, sozusagen am trockenen Ende von halbtrocken. Aromen von Apfel und Pfirsich treffen auf eine feste aber nicht zu akzentuierte Säure und mittlere Mineralik. Das Mundgefühl ist mitteldicht und -stoffig, der Abgang lang. Sehr guter Wein.

Agritiushof, ‚Embilaco‘ (Oberemmeler Karlsberg), Riesling QbA, 2006, Mosel (Saar). Die Nase ist ebenfalls sehr hefig, dazu Rhabarber, Pfirsich, und ein Hauch tropischer Früchte. Am Gaumen ist der Wein für den Jahrgang vergleichsweise sauber und klar, nur etwas Würze, überwiegend klare Frucht (Apfel und Pfirsich). Da die Säure für einen Riesling mild ausfällt, wurde der Wein sehr trocken ausgebaut (ich meine zu erinnern, dass er nur 4 Gramm Restzucker hat). Der dabei entstandene Alkohol von 13% ist gut integriert. Da hält der Wein eine perfekte Balance.  Für Spannung sorgt statt der Säure jetzt eine üppige Schiefermineralik. Die trägt auch den langen Abgang. Blitzsaubere Arbeit im Problemjahr und ein Vergnügen im Glas.

Azienda Agricola Lhosa, Morellino di Scansano DOC, Rotweincuvée, 2004, Toskana (Maremma), Italien. 85% Sangiovese, 15% Ciliegolo (eine autochthone Sorte aus der Maremma). Der Wein ist ein typischer Vertreter seiner Art. Sehr viel Kirsche, ein bisschen helle Schokolade und einen kleinen Tick Leder in der Nase. Am Gaumen präsentiert sich der Morellino sehr balanciert mit einer feinen Fruchtsüße, mittlerem Druck und einem stabilen Tanningerüst. Er ist in gebrauchten Eichenfässern verschiedener Größen ausgebaut, was ihm eine schöne Struktur ohne zu viel Holzaromen eingebracht hat. Langer, harmonischer Abgang. Eine dieser konsensfähigen roten italienischen Allzweckwaffen die Anspruch und Unkompliziertheit miteinander vermählt – hier sogar besonders erfolgreich.