Simple Genüsse (6)

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für besonders befunden habe.

Markus Molitor, Bernkasteler Badstube, Riesling Kabinett feinherb, 2009, Mosel. Ein unkomplizierter Riesling der allerschönsten Art. Die Nase ist spritzig, viel Apfel, etwas Grapefruit und Mandarine. Am Gaumen ist der Wein einerseits schmeichlerisch mit einem leichten Bratapfelaroma (Boskop & Marzipan) andererseits fordernd mit einem an Grapefruit erinnernden Bitterton, der – wie ich finde –  nicht ganz trockenen Rieslingen gut bekommt. Die Säure wirkt reif, ist aber nicht zu mild, der Restzucker dezent und das Spiel am Gaumen ganz wunderbar. Für einen klassisch schlanken Mosel-Kabinett ist der Wein zu stoffig, aber das tut der Freude über diesen gelungenen Riesling keinen Abbruch.

Nochmal Riesling und wieder mit einem kleinen Bitterl: Schäfer-Fröhlich, Bockenauer Felseneck, Riesling QbA trocken, 2009, Nahe. Das ist schon mehr als ein ‚simpler Genuss‘. Lagenweine dieser Qualität sind der natürliche Feind des Grossen Gewächses. Ich kann verstehen, dass die VDP-Winzer sie abschaffen wollen – allerdings nur als Kaufmann, nicht als Weinfreund. Die Nas ist leicht und frisch: Erdbeere, Rhabarber, Grapefruit und Aloe Vera. Am Gaumen ist der Felseneck relativ trocken, 13% Alkohol sind gut eingebunden. Das ist ein Riesling der animierenden Art: milde aber deutlich schmeckbare Säure, Grapefruit, Pistazie und etwas Karamell, eine nur dezente Mineralik und besagter Bitterton bestimmen das Geschmacksbild, letzterer prägt auch (im positiven Sinne) den sehr langen Abgang. Ein Spitzenwein.

Jamek, Ried Achleiten, Grüner Veltliner Federspiel, 2006, Wachau. Von der Nase her ist das ein Allerweltswein mit Apfel, Birne, Aprikose und etwas Nuss – nichts was die Nase ins Glas zieht. Am Gaumen ist der Wein balanciert, trotz des Alkohols von 13% nicht zu mächtig. Doch ist er auch sehr ernsthaft: trocken, etwas Gerbstoff, ungemein mineralisch, verhaltene Säure und wenig Frucht. Jünger getrunken hätte er sich eventuell etwas zahmer gezeigt. Langer Abgang, guter Wein.

Simple Genüsse (5) – Riesling

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für besonders befunden habe.

Alexander Laible, Riesling ‚Alte Reben‘ trocken ***, 2007, Baden. In der Nase Blüten, Malz, Bratapfel, aufregende Mischung mit einem Hauch von Hefe. Am Gaumen ausgesprochen mineralisch, frisch, mit kräftiger Säure, trocken, leicht schmelzig, Apfel, Nashi-Birne. Der Riesling wirkt etwas verschlossen, deutet aber an, dass da noch einige kommen könnte (man kann das auch ‚Tiefe‘ nennen, wenn man mag). Der Abgang ist sehr lang, der Wein ist hervorragend.

Koehler-Ruprecht, Kallstadter Saumagen, Riesling Kabinett trocken, 2007, Pfalz. In der Nase sehr von reifer Frucht geprägt: Aprikose, Apfel und Quitte, dazu etwas Aloe Vera und Malz. Das wirkt ungemein opulent. Am Gaumen ist der Wein dann aber unaufdringlich. Saumagenrieslinge sind gerne mal kompliziert, dieser hier ist ganz einfach und klar: Aprikose und Apfel, eine sehr balancierte Säure, nicht sehr üppig, nicht sehr druckvoll, ziemlich trocken. Leicht zu trinken und leicht zu verstehen, auch wenn die spürbare Mineralik einen Tick Exklusivität verströmt. Der Abgang ist mittellang. Es gibt Tage, da ist sowas das schönste, was ich mir vorstellen kann. Glücklicherweise hatte ich ihn an genau so einem Tag im Glas.

Josef Rosch, Klüsserather Bruderschaft, Riesling Spätlese feinherb, 2009, Mosel. Ich hielt die Nase ins Glas und dachte: ‚mollig warm‘. Der Wein war kalt, aber die Assoziationen nicht. Das lag vermutlich an der kräftigen Marzipanaromatik, die sich zu Aprikose und Quitte gesellte. Am Gaumen war der Riesling ziemlich süß, die Säure eine Spur zu zurückhaltend. Malz, Aprikose eine mäßige Mineralik – das wirkte alles eine Spur fett und ich würde nicht wetten wollen, dass der Wein frei von Botrytis ist. Die noch prägende Kohlensäure heitert den Wein etwas auf, der Abgang war lang. Guter Riesling – aber ich habe von Rosch gerade in dieser Kategorie schon größere Weine aus kleineren Jahrgängen getrunken.

Simple Genüsse (4) – lecker Wein

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für besonders befunden habe – und lecker.

Chateau Ste Michelle, Stimson Estate Cellars, Chardonnay, 2007, Washington State (USA). Da war doch was: die derzeit an vielen Stellen des Weinwebs geführte Diskussion, ob man Weine ‘lecker’ nennen darf. Jetzt wird es kompliziert: Dieser Chardonnay ist enorm lecker, fand ich. Meine Frau nahm einen Schluck und sagte: ‚Wenn ich flüssige Butter trinken will, dann mach ich Butter flüssig (und nicht eine Flasche Wein auf).‘ In der Nase ist der Stimson nicht besonders typisch, er riecht unendlich süß, mit Vanille und viel Honigmelone. Am Gaumen ist er deutlich typischer: cremig, weich, buttrig. Er hat Stärken: nicht so aufgesetzt laktisch wie viele Holz-Weißweine, schöne Mandarinen-Frucht, einen sehr animierenden Bitterton (wie in Bitter-Lemon) und hervorragend integrierte 13,5% Alkohol. Aber er hat auch Schwächen: er ist reichlich süß, säurearm und es fehlt an Tiefe. Er begleitet gegrilltes, mit Chili mariniertes Huhn bestens. Ich wollte ein Glas trinken und es wurde die halbe Flasche. An jenem Abend war er einfach lecker. Ist das jetzt ein Lob?

Landart, Riesling trocken, 2009, Rheinhessen. Es ist vielleicht das Newcomer-Weingut des Jahres in Rheinhessen, auch wenn der große ‚Buzzwein‘ ein Silvaner (der wirklich umwerfende ‚Erdrauch‘) ist. Zu dem habe ich mir neulich keine Notizen machen können, aber er ist wirklich so extraordinär wie alle schreiben. Der Gutswein fand nur Einzug in meinen Keller, weil noch ein Platz im Probepaket frei war. Aber dieser erste Gutswein, den ich seit gefühlten zwei Jahren in mein Weinglas ließ, hat es in sich. Die goldene Farbe und die Nase deuten es an: ein konzentrierter Riesling, mit Aloe Vera und Aprikose durchaus fett, mit Grapefruit und noch etwas Hefe aber auch sehr frisch in der Nase. Am Gaumen ist er voluminös aber nicht besonders dicht, fruchtig mit Mandarine und Ananas, nur verhaltene Säure, wenig Mineralik, ein leichtes Zuckerschwänzchen, ordentliches Spiel, unauffällige 12% Alkohol und ein langer Abgang. Ein sehr leckerer Gutsriesling weit über dem Durchschnitt – und das ist ein Lob.

Josef Rosch, Trittenheimer Apotheke 1.Lage, Riesling Auslese trocken, 2006, Mosel. In der Nase ist der Wein üppig mit Honig, Melone, (Dörr-)Aprikose und Aloe Vera. Das klingt ein wenig uniform verglichen mit dem, was ich zuletzt über diverse 2006er schrieb, aber das liegt vielleicht wirklich am Jahrgang und nicht an meiner mangelnden Fantasie. Am Gaumen bemerke ich eine leichte Botrytis-Schärfe, mürber Apfel, Aprikose, spürbare Säure; 13% Alkohol sind recht ordentlich eingebunden. Dazu kommt eine schöne Mineralik. Geschmacklich ist der Wein am oberen Limit von trocken. Der Abgang ist sehr lang, der Wein sehr lecker aber die letzte innere Spannung fehlt.

Nur vom Feinsten

Wenn ich mit interessierten Deutschen über Wein rede, was ich eigentlich ganz gerne tue, kriege ich eine Ahnung, was Churchill einst bewogen haben mag, über uns zu sagen, man habe die Hunnen entweder zu Füßen oder am Hals. Auf der einen Seite findet man eine aufrecht stehende Rieslingfraktion, die bei der Diskussion der auch von mir geschätzten Moselchen nicht selten am deutschen Wesen die Welt genesen lassen will. Auf der anderen Seite hört man reichlich Heulen und Zähneklappern, dass Deutschland keine Weinkultur habe, schlimme Massenweine produziere, mit denen der Ruf aller deutscher Tropfen im Ausland ramponiert werde, Aldi seinen größten Weinhändler nennen müsse und mit einer Bevölkerung geschlagen sei, die im Durchschnitt gerade einmal Zweieuronochwas für seine Weine ausgebe.

Ich bin in letzter Zeit mehrfach in spanischen Supermärkten gewesen. Vom Discounter bis zum SB Warenhaus war alles dabei. Besonders beeindruckend fand ich die Weinabteilung der Kette ‚Mercadona‘ – die man nicht zu den Billigheimern zählen, sondern eher als spanische Ausgabe von Rewe betrachten sollte. Sechs vierstöckige Regalmeter mit spanischen Weinen unter zwei Euro! Palettenweise 2-Liter-Flaschen Rotwein zu 1,99 Euro. Während es beim Rotwein noch ein paar einschlägige Massenriojas (Faustino) bis sechs Euro und sogar einen Gran Reserva für zehn gab, endete die Preisspirale beim Weißwein bei 3,50 Euro. Ich entschied mich zähneknirschend für den teuersten weißen.

Wir müssen uns nicht schämen. Ich möchte wetten, die Spanier geben im Schnitt noch weniger für Wein aus als die Deutschen.

Blanc Pescador, Vino de Aguja, ohne Jahrgang, Perlwein, Spanien. In der Nase sehr zurückhaltend, die Cuvée aus Macabeo (60%), Parellada (20%) und Xarel·lo (20%) riecht ein bisschen nach Apfel und Birne. Am Gaumen spärliche Perlage aus einer zweiten Gärung, weniger als ein Prosecco aber doch deutlich mehr als ein frisch gefüllter Stillwein mit viel Gährkohlensäure. Die winzigen Bläschen verleihen dem Wein eine cremige Textur, es dominieren Kernobstaromen. Etwas kräutrig ist der ansonsten vor allem frische Wein – ein leckerer Aperitif auch für hohe Temperaturen, denn bei nur 11,5% Alkohol gehen nicht schon nach einem Glas die Lampen an. Der Abgang ist relativ lang und fruchtig. Sehr ordentlich (der Rosé ist noch ein bisschen besser).

Weinrallye #41: Die Silvaner-Stulle

Sandwich-Weine lautet das Motto der heutigen Weinrallye und ich konnte mit dem Thema zunächst wenig anfangen. Dass ich teilnehme, verdanke ich einer Verkettung von Zufällen. Aber der Reihe nach: Es geht um Weine, die nicht blutjung und nicht steinalt getrunken werden sollten. Bernhard Fiedler lässt offen, ob dies an der Rebsorte oder dem Ausbaustiel liegt. In seinen eigenen Worten liest sich das so:

Wie schmecken solche “Sandwich-Weine” zwischen unbändigem Jugendcharme und der noblen Größe des Alters? Welche Sorten und/oder Weinstile präsentieren sich in dieser Entwicklungsphase besonders schön? Und welche weniger?

Nachdem mich dies zunächst kaum inspirierte, wollte es der Zufall, dass ich einen Sandwich-Wein im doppelten Sinne ins Glas bekam. Ich hatte ihn ausgewählt, weil mir mal wieder nach Silvaner war. Ob meiner geringen Erfahrung mit dieser Rebsorte (gerade mal zwei Exemplare habe ich in diesem Blog in 20 Monaten beschrieben) ging ich ein bisschen auf Recherchetour im Internet und fand ein schönes Video.

 

Silvanervideo

Der Silvaner ist demnach eine Rebsorte, die bevorzugt in einer von zwei Stilrichtungen Auftritt: federleicht und trinkig oder mächtig und eher als Essensbegleiter konzipiert. Da waren sie also, die obere und untere Scheibe meines Sandwiches, die sich exakt so auch in meinen hier und hier geschilderten Begegnungen mit der Rebsorte widerspiegelten, und mein Wein bewegte sich ziemlich in der Mitte. Wie man in meiner norddeutschen Heimat sagen würde: ’ne Silvaner-Stulle.

Mittelalt ist er als 2007er sowieso und auch die Einkaufsgeschichte ist eine Sandwich-Story. Jedes Jahr geht das Weingut Wirsching mit einigen anderen Gütern (darunter Knipser, Künstler und Salwey) auf eine Deutschland-Tour und präsentiert in mehreren Großstädten seine Kollektion. Und jedes Mal, wenn ich dort Wirschings Weine probier(t)e (drei oder vier Mal bisher) sticht die Spätlese heraus. Sie ist deutlich ernsthafter als der Kabinett und viel charmanter als die Grossen Gewächse, die bei diesem Winzer einige Jahre Flaschenreife brauchen. Deswegen steht sie jedes Mal auf dem Bestellzettel.

Hans Wirsching, Iphöfer Kronsberg Silvaner Spätlese trocken, 2007, Franken. Ein Silvaner mit sehr typischer Aromatik: in der Nase Heu, Birne, Banane, Kräuterwürze. Am Gaumen opulent mit Quitte, Banane, viel Würze, etwas Mineralik, gut integriertem Alkohol von 13% und einer alles ordnenden, dem Wein die nötige Frische verpassenden Säure. Der Wein hat ausreichend ‚Bumms‘, um auch kräftigere Speisen zu begleiten, ist aber nicht behäbig,. Das ist ein perfekt ausbalancierter Silvaner mit mittellangem Abgang.

Ein Sandwich-Wein, wie ich jetzt gelernt habe.