Champagne Salon Probe

Champagner wie nie

Wir haben Champagner probiert. 13 Jahrgänge Salon. Es war so besonders, wie es klingt. Bordeaux von 1899 bis 2016 gab es danach auch noch.

Es gibt Proben, von denen man träumt und solche, von denen zu träumen einem nicht einmal in den Sinn kommt. Die aktuellsten 13 Jahrgänge Salon gehört in die zweite Kategorie. Es ist recht aufwendig, die Weine zu besorgen, da das Haus nur in guten Jahren Champagner produziert, 37 Jahrgänge im 20. Jahrhundert – durch den Klimawandel jetzt deutlich häufiger. Die letzten 13 Jahrgänge gehen daher zurück bis zum Jahrgang 1988. Neben Nerven kostet die Beschaffung zudem viel Geld. Eine recht gründliche Suche im Internet legt die Annahme nahe, dass eine solche Probe in den letzten 30 Jahren auf dem Planeten nicht stattgefunden hat.

Salon startete als eine Art Hobby-Projekt und war dann lange Hauschampagner im Maxim’s in Paris. Es war der erste reinsortige Schaumwein der Champagne und daher auch der erste Blanc de Blanc. Zudem kommt beim Ausbau nur Edelstahl zum Einsatz und der biologische Säureabbau wird unterdrückt. Das Ergebnis ist entsprechend knackig, wenngleich ich an dieser Stelle vorwegnehmen will, dass die Zeiten, in denen dieser Stil zwingend am Harschen kratzt, ungefähr seit der Jahrtausendwende vorbei sind.

13 Jahrgänge Salon

Im Vorfeld hörte ich, dass Salon zu den Champagnern gehöre, die man ruhig lange reifen lassen solle. Das fand ich schon vor der Probe befremdlich, denn fortschreitende Flaschenreife nach dem Degorgieren nivelliert vor allem die machartbedingten Besonderheiten: Die Frische und Strahlkraft weicht weicherer Textur und mürben Reifearomen. Am Ende war das auch meine praktische Erfahrung. Mehr als zehn Jahre muss ein Salon für mich nach dem Degorgement nicht reifen. Mein ganz herzlicher Dank gilt dem Gastgeber, der diese Erkenntnis möglich machte.

13 Jahrgänge Salon

2013

In der Nase angenehme Frucht, ein ganz bisschen Feuerstein, etwas Brioche, sehr interessant. Am Gaumen ist das total harmonisch, hat etwas Schmelz, viel Säure, schon etwas Würze, Brotkruste. Diese Textur ist einfach perfekt. Im Abgang erzeugt die deutliche, aber sehr verträgliche (reife) Säure viel Spannung. Grandios, macht ein bisschen sprachlos.

2012

In der Nase traubig/weinig, sehr frisch und bezaubernd. Am Gaumen etwas überbordend (Brausepulver), nicht ganz so fein, die Säure finde ich etwas spitzer als im 2013er (die Weine werden in Zweier-Flights serviert). Dafür wird er dann etwas fleischig im Abgang. Hier finde ich, das könnte noch etwas reifen (wegen der Brausepulver-Anmutung, die noch etwas zu wild wirkt). Ist auch gigantisch, aber nicht perfekt.

2008 (Magnum)
Salon Champagne

Noch etwas flintiger als der 13er, reife Aprikose, Brioche, sehr feine Perlage, ganz klarer Apfel am Gaumen, da ist so viel Schmelz hinter der Säure, das ist schon wieder eine Textur zum Niederknien. Ganz lang, ganz tief, nach hinten raus Brotkruste, Würze, aber von der Säure wunderbar getragen. Noch besser als bei unserer 2008er-Probe. Perfekt.

2007

Ich finde, das ist recht typisch 2007, etwas weiniger, auch Brotkruste, eher Graubrot als Brioche, reife Säure, erste Mürbe-Noten in der Frucht, tolles Spiel, aber aromatisch nicht so komplex wie der 08er, immer noch sehr besonders.

2006

Sehr verhaltene Nase, am Gaumen deutliche Reifetöne, sogar etwas muffig. Die Perlage ist zwar in Ordnung und die Aromatik ist nicht fehlerhaft, der Wein auf eine gewisse Art sehr schön mit der leicht erdigen Anmutung, aber ich glaube nicht, dass das eine gute Flasche ist. Das singt nicht und die bisherigen Weine haben alle gesungen. Wir holen den Korken und dessen untere Naturkorkscheibe ist enorm weich. Schade, aber immer noch vergnüglich.

2004

Das hat unglaublich sexy Apfel in der Nase, ist total frisch, die Perlage sehr fein. Der singt nicht nur, der legt auch ein höchst elegantes Tänzchen hin. Apfelringe am Gaumen, feine Süße, tolles Spiel, so saftig, leichte Phenolik, feste Reifenoten (was heißen soll, dass hier kein plüschiger Bratapfel den ganzen Mund auskleidet, sondern Andeutungen der üblichen Verdächtigen sich straff neben die Primäraromatik einsortieren), durch und durch frisch. Unfassbar. Vielleicht der beste Champagner, den ich in meinem Leben trinken durfte. Es gibt eine 2019 degorgierte Charge. Ich nehme stark an, dass dies eine Flasche daraus ist, habe aber versäumt, das zu verifizieren.

2002

Das ist eine wunderbare Nase: ein Hauch flintig, etwas mürber Apfel. Am Gaumen kräftige Säure, startet weltklasse, fächert nach hinten raus aber nicht so auf wie die anderen. Das hat Zug, tolle Frische, ist große Klasse, aber nicht magisch.

1999

Tolle Reifenoten, hier kommen jetzt erstmals üppige Hinweise auf das Alter ins Spiel: Karamell, Bratapfel – auch am Gaumen. Der 99er wirkt recht süß (6 Gramm Dosage) weinig, üppig, schmelzig, etwas einfacher, etwas vertrauter, aber immer noch sehr gut.

1997

Die Nase hat ein bisschen was Außergewöhnliches, ist das Petrol? Buttertoast und Johannisbeere. Schräg, aber spannend. Am Gaumen üppig, kräftige Säure, die nicht so wahnsinnig gut integriert ist. Das schmeckt mir ein bisschen süßsauer (bei nur 3 Gramm Dosage). Hier spielen allerdings meine persönlichen Vorlieben stark mit rein. Wer seinen Schammes richtig knackig liebt, der mag diesen Wein mehr als ich.

1996

Die Nase ist 1999 in verhalten und schlank. Hui, muss das sauer gewesen sein, als es jung war. Ich finde das extrem und bin ganz froh, dass ich kein ganzes Glas trinken muss. Das klingt allerdings negativer, als es gemeint ist. Der Wein vibriert nicht nur wegen der Säure, sondern auch wegen vornehmer Aromen und startet beschwingt. Meine Magenschleimhaut rebelliert halt gegen das, was nach dem Schluck bei ihr ankommt. Oben singen, unten sägen! Ist somit für mich ein Verkostungswein, dem obendrein zusetzt, dass ihm im Nachbarglas 1990 das Leben schwer macht (s. u.). Auch hier gilt: Meine Vorlieben beeinflussen das Urteil stark, andere am Tisch finden den Wein zum Niederknien. Dazu ist das keine perfekte Flasche: Die Perlage ist schon über Gebühr reduziert.

1995

Karamellige Nase mit Bratapfel und Haselnuss. Am Gaumen Kork und der wird mit mehr Luft immer heftiger.

1990

Das hat fast keine Nase mehr. Am Gaumen aber finde ich den Wein grandios, weil die Säure nicht so krass reinhaut. Tolle Reifearomen, feiner, nicht zu mürber Apfel und etwas Aprikose, wunderbare Frucht, dann schöne Würze. Mag ich sehr.

1988

Die Nase hat was anstrengendes, kreidig, streng und dann oxidiert, aber das ist schnell vergessen, weil der Wein am Gaumen wunderbar ist, sehr trocken, deutlich gereift, sehr passende Säure. Die Frucht ist lebendig, die Perlage fein und die Länge beeindruckend.

1971 stand auch noch bereit, war aber eine Fälschung.

Salon: wirklich besonders

Fazit: Das waren Weine vom anderen Stern. Wer bei so einer Probe nicht wenigstens ein Mal versucht ist, die 100 Punkte zu zücken, der sollte seine Bewertungsmaßstäbe überprüfen. Ich fand gleich drei Weine perfekt: 2013, 2008 und 2004.

Chateau Smith Haut Lafite 1899

Ab 2002 hatte ich zunehmend den Eindruck, dass ich Vergleichbares schon im Glas hatte, weil die Reife nivelliert. Die Weine sind dann immer noch grandios, aber man kann vergleichbares Vergnügen auch zu einem Viertel des Preises finden (wobei das auch noch mehrere Hundert Euro sind). Jung (ein Begriff, der bei zehn Jahren Hefelager etwas irreführend ist) sind die Weine hingegen singulär und für mich atemberaubend.

Und dann gab es rot von 1899 Smith Haut Lafite bis 2016 Cheval Blanc. In Podcast Episode 141 ging es schon darum. Die Notizen gibt es allerdings nur für Steady Unterstützer.

Smith Haut Lafite

1899

Ein Jahrgang, in dem die Weingüter und Handelshäuser aus Bordeaux jede Menge Verschnittweine in Spanien einkauften, weil die Auswirkungen der Reblauskatastrophe noch voll zu spüren waren. Die Praxis fand erst 1911 ein gesetzlich veranlasstes Ende. In der Nase noch ein bisschen Frucht, am Gaumen kräftige Säure, Reste von Frucht, durchaus lebendig, ein bisschen pilzig, aber das wird mit Luft besser, hat Struktur und ist so lecker. Mein bester Tempranillo aller Zeiten 😉 

zum Vergleich

2009

Das ist immer noch primärfruchtig, hat die Holzaromen perfekt integriert, hat für mich aber nicht den eleganten Biss, den perfekte Bordeaux haben. Das ist ein tolles Brett, aber das singt nicht so, wie es die…

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