Ich war zu einer Weinprobe eingeladen. Es ging um mein Lieblingsthema: Pinot Noir, oder Spätburgunder. Der Riesling ist mir zwar die liebere Rebsorte, doch als Probenobjekt eignet sich nichts besser als Pinot. So viele Vorurteile, so viele Glaubenskriege (im friedlichsten aller möglichen Sinne dieses eigentlich tragischen Wortes), so viele Behauptungen, denen nie Beweise folgen – Pinotproben sind kultivierte Schlägereien unter Weinfreunden. Ich liebe sie.
Die Burgunderdiskussion ist schnell zusammengefasst. Guter Burgunder kommt aus dem Burgund und sonst nirgendwoher, ein Gantenbein in der Schweiz ist da höchstens die Ausnahme, die es braucht um die Regel zu bestätigen. Deutscher Spätburgunder wäre gerne da, wo burgundischer Pinot schon ist und wird doch nie da hin kommen: falsche Klone, falsche Böden, falsche Fässer, falsche Winzer, alles falsch. Schmeckt ein Burgunder schlecht, dann ist er entweder aus Deutschland oder – sollte sich nach dem Aufdecken der Flasche ein französisches Etikett präsentieren – zum falschen Zeitpunkt geöffnet.
Ich bin bei solchen Proben immer die schützenswerte Minderheit, da ich Deutschen Spätburgunder sehr mag. Leider schützt mich keiner. Zu allem Überfluss saß ich neben Ollie, der eigentlich Olivier heißt und damit qua Genetik ein herausragender Vertreter der Spätburgunder-Basher ist. Er sagt auch schon mal Sätze wie ‚Ich kann in einer Blindprobe Pinots nicht zu hoch bewerten, Sie könnten ja aus Deutschland sein‘. Er behauptet, das sei scherzhaft gemeint. Ich glaube ihm nicht.
Gastgeber Michael (an dieser Stelle ein dickes Dankeschön!) hatte ein geradezu diabolisches Probenfeld zusammengestellt, denn es waren Weine aus diversen Nationen am Start, dazu breit gefächerte Jahrgänge und Stile. Alle Weine kamen blind ins Glas. Es gab nicht den leisesten Hinweis. aufgedeckt wurde jeweils nach rund einem Drittel der Veranstaltung.
Ich habe vor zwei Jahren schon einmal den Test gemacht, ob fachkundiges Publikum die Herkunft von Pinot erschmecken kann, das Ergebnis war ein klares ‚Nein‘. Ich selbst konnte es damals nicht und kann es heute nicht. Auch bei dieser Probe lag meine Trefferquote im Zufallsbereich, so wie die aller anderen Teilnehmer. Aber es gab viel für mich zu lernen. Denn während die allermeisten Teilnehmer im Alltag Burgunder trinken und deutschem Pinot nur bei Proben begegnen, ist es bei mir andersherum. Und Burgunder waren einige im Feld, gute Burgunder, teure Burgunder, reife Burgunder – und enttäuschende Burgunder.
Das mit den Enttäuschungen war sehr unterhaltsam – Nein, keine Schadenfreude, ich durfte aber plötzlich verfolgen, wie die Burgunderliebhaber kontrovers diskutierten, war das nun ein sehr gutes oder doch nur ein mittelmäßiges Jahr im Burgund und überhaupt, ist der zu jung oder doch schon kaputt oder vielleicht nicht ausreichend belüftet oder – zaghafter Einwurf von der schützenswerten Minderheit – vielleicht ist der Wein ganz einfach nicht so gut? Klappe auf den billigen Plätzen, dieses Urteil ist den deutschen Ausfällen im Feld vorbehalten.
Einige der Burgunder klotzten mit Holz, Tannin und Konzentration, da war es mit der burgundischen Eleganz nicht weit her. Es waren gute Weine, keine Frage, aber für 70 Euro hatte ich eigentlich das Bolshoi-Ballet erwartet, nicht Dschingis Khan. Die Mehrzahl brachte Eleganz und Konzentration allerdings in Einklang – nicht in Perfektion aber doch so, dass der Spätburgunderliebhaber seine Freude hatte. Bei zwei der Franzosen war das für die aufgerufenen hohen zweistelligen Preise zu wenig, hatte doch früh in der Probe ein mir bis dato unbekannter Winzer Namens Josef Lentsch vom Neusiedlersee mit seinem Pinot Noir ‚Dankbarkeit‘ gezeigt, dass das auch für 16 Euro geht. Die Gesichter der Frankophilen hätten Sie sehen sollen, als der aufgedeckt wurde. Raten Sie mal, wo die den Wein in der Blindprobe verortet hatten.
Zwei Weine hatten Sie aber, diese unwiderstehliche Mischung aus Feuer und Kühle, Kraft und Eleganz. Der erste Begeisterungssturm fegte durch den Raum, als Wein Nummer 5 ins Glas kam, für alle bis auf zwei Teilnehmer der Wein des Abends. Leider war es kein Spätburgunder, sondern ein Frühburgunder. Frühburgunder – da war doch was? Diese Spielart des Pinot wächst doch nur in Deutschland. Genau. Der 2009er Centgrafenberg von Fürst ging als eindeutiger Sieger aus dem Abend, der einfache für 33 Euro, nicht der ‚R‘ für 60,-.
Deutscher Spätburgunder mittenmang
Zwei weitere Weine waren weit vorne dabei, zum einen ein 2010 Pommard Les Pèzerolles von Voillot, der für mich nur einen Wimpernschlag hinter dem Fürst lag und ein Spätburgunder ***R von den in diesem Blog omnipräsenten Schneiders aus Endingen. Danach kamen erst mal eine ganze Reihe von Burgundern.
Ich schreibe nicht so gern über Enttäuschungen, denn die Chance, dass mir ein Flaschenfehler statt eines schlechten Weines begegnet, kann ich nicht ausschließen und dann wäre Kritik ungerecht. Doch einige Weine im Feld wirkten auf mich als sollten sie so sein, wie sie sich präsentierten. Drei waren nach meinem dafürhalten deutlich über den Zenit, ein 1999er Pommard 1er Cru und ein 1997er Corton Grand Cru, beide aus der 70-Euro-Liga. Der dritte Greis im Bunde war Ziereisens Jaspis, allerdings der 2004er, der sich damit deutlich vor meinen Erwartungen ins Totenbett legte.
Aus lauter Sorge zog ich am nächsten Tag den Folgejahrgang auf. Der war glücklicherweise noch voll da.
Ziereisen, Spätburgunder unfiltriert, Jaspis, 2005. Baden. In der Nase ein sattes Fruchtpaket, Beeren und Pflaume dazu Kaffee, Toffee, und Röstaromen/Holz. Am Gaumen so konzentriert, dass es fast schmerzt, dazu eine Menge Menge Holz. Nicht zu breit, sondern vom Volumen her schöne Balance, ordentliche Säure, auch mineralisch. Ich schätze, er ist auf dem Höhepunkt,, weil das Holz vermutlich die Frucht überdauert (siehe 2004). Das ist nicht die Vermählung von Kraft und Eleganz wie die besten Weine des Vorabends. Gemessen an den Kosaken aus dem Probenfeld ist das aber auf jeden Fall burgundisch!