Die Zeitschrift ‚Fine‘ präsentiert sich generalüberholt. Ab Morgen liegt sie runderneuert am Kiosk. Ich durfte mich mit einem Vorabexemplar der ersten Ausgabe in neuem Look vergnügen. Und ein Vergnügen war es – im Großen und Ganzen.
Fine habe einen ‚Relaunch’ durchlaufen. Ob ich Lust hätte, im neuen Heft zu stöbern, fragte mich der Verlag. Eine kleine Übersicht über Themen und porträtierte Winzer fand ich auch in der E-Mail. Bisher konnte ich mit der Fine nur wenig anfangen, weil es immer nur um die besten, teuersten und seltensten Weine ging, was mich rasch ermüdete. Bei den deutschen Winzern tauchten jetzt aber die Namen Korrell und Waßmer auf. Also nicht mehr nur ‚Chateau von und zu teuer‘? Das machte mich neugierig und ich nahm das Angebot an.
Zentralorgan der Etikettentrinker?
Rund 100 redaktionelle Seiten bietet die aktuelle Fine. Großformatig, großzügig gestaltet, mit entspannendem Weißraum und ansprechenden Bildern. Das neue Logo wirkt, wie die Typographie generell, modern und sachlich. Inhaltlich liegt der Fokus wie bisher auf Winzer- oder Weingutsporträts. Waßmer hin oder her – im Editorial versichert Chefredakteur Thomas Schröder künftig werde jedes Cover ‚die Flasche eines ikonischen Weines in Szene setzen‘, dem dann auch die Titelgeschichte gewidmet sei. Den Anfang macht eine Geschichte über Vega Sicilia. Die gehört nicht zu den Hightlights des Heftes. Autor Rainer Schäfer verliert jede Distanz, schreibt Sätze wie: ‚Es ist müßig, über spanischen Wein zu reden, ohne den Namen Unico als ersten zu erwähnen.‘ Das ist erstens stilistisch Werbebroschüre und zweitens merkwürdig, wo vermutlich die Hälfte der Freaks als erstes den Namen des doppelt so teuren und viel rareren ‚Pingus‘ erwähnen würde. Nicht, dass ich eine Meinung dazu hätte – die muss ich auch nicht haben, um den Widerspruch zu erkennen. Zugegeben, wer weniger kleinlich ist, dürfte dem Artikel mit Vergnügen etliche Fakten über die Weingutsgruppe der Familie Alvarez entnehmen. Richtig ärgerlich finde ich allerdings die angefügte Verkostungsstrecke mit ausgewählten Unicos von 1920 bis 1994. Da verliert sich Autor Dirk R. Notheis in akuter Adjektivitis. Bei den Aromen ist das Bündnerfleisch getrocknet, die Sojasauce eingedickt, das Sattelleder süß, die Muskatnus gerieben; der 1920er zeigt ‚ockergelb unterlegtes Zinnoberrot‘; Olive und Kamille wäre zu einfach, es muss Olivenzeste und Kamille-Teebeutel sein – schlimmstes Geschwurbel, das auf mich wirkt, als solle es vor allem der Distinktion des Autors dienen. Normalerweise wäre da eine Redaktion gefragt einzugreifen. Die greift bei der Fine aber gefühlt eher selten ein.
Diel im Burgund, Leser im Himmel
Doch ich kann mich gar nicht lange ärgern, folgt nach dem Umblättern doch eine echte Entspannungsübung – die reich bebilderte 13 Seiten lange Grundlagen-Geschichte über Madeira von Christian Volbracht. Ein tolles Lesestück für die Couch. Kaum bin ich heruntergefahren, will ich schon wieder aufspringen, diesmal allerdings vor Begeisterung. Armin Diel fährt ins Burgund und erzählt die aufregende Geschichte der Domaine Jacques-Frédéric Mugnier – ganz unaufgeregt, mit dem Blick für das Wesentliche und dem Willen sich auch mal in anekdotischen Nebensächlichkeiten zu verlieren, womit er der Geschichte Lebendigkeit einhaucht. Große Unterhaltung! Unaufgeregt auch sein anschließender Verkostungsbericht mit differenzierten und distanzwahrenden Notizen zu einigen der größten Burgundern. Diel scheint dabei der einzige Fine-Autor zu sein, der die Erlaubnis hat mit seinen Bewertungen unter 90 Punkten zu bleiben. Alle anderen Verkostungsstrecken kommen mit einem Punktespektrum von 90 bis 99 aus. Diel hingegen bleibt 5 Mal in den 80ern, bei Weinen von 80 bis 700 Euro auch eine sanfte Kritik.
Die Preise musste ich freilich selbst googeln. Kontaktadressen, Händlernachweise, Preise – diesen Service verweigert die Fine. Damit ist sie nicht die einzige Zeitschrift im Super-High-End-Segment, die die Meinung vertritt, da Geld für die Leser keine Rolle spiele, seien Preisinformationen überflüssig. Ich finde diese Einstellung albern, verstehe aber, wenn andere das anders sehen.
Phrasengenerator im Einsatz
‚Bei kaum einem anderen Weingut des Bordelais herrscht größere Einigkeit über das Niveau der Weine und die Beständigkeit, mit der sie in jedem Jahr erzeugt werden.‘ Na, um welches Weingut dreht es sich? Da fallen Ihnen 90 Kandidaten ein? Wenn der Phrasengenerator den Vortext kreiert – ist das in der Fine leider keine Ausnahme. Auch Bildunterschriften und Teasertexte kommen gelegentlich direkt aus der Hölle: ‚Dem Wein vom Neusiedlersee hat der biodynamisch arbeitende Winzer mit der Hinwendung zu heimischen Sorten seine Seele zurückgegeben.‘ Das gelobte Chateau soll übrigens Leoville-Barton sein. Ich musste neulich dazwischen gehen, als sich zwei meiner Bordeaux-affinen Freunde an die Wäsche wollten, weil einer meinte, Leo-B sei nunmehr nur noch die Nummer drei unter den Leos, weil Leo-P besser sei, während der andere das absurd fand, Leo-B sei klar die Nummer zwei hinter LLC. Unter den 90 Kandidaten für obigen Vortext fänden meine beiden Freunde vermutlich nicht LeoB.
Schöne Texte wie die von Till Ehrlich über Gernot Heinrich können diese kleinen Entgleisungen zum Glück nicht nachhaltig stören. Auch sein Text über Roland Velich macht viel Spaß. Dirk Würtz schreibt leidenschaftlich über Kabis, Daniel Deckers steuert ein amüsantes Histörchen bei, wie es nur Daniel Deckers ausgraben kann – wer den Mann nicht kennt: er ist FAZ-Redakteur, der sich privat der Geschichte des deutschen Weines verschrieben hat, und ein brillanter Autor und vor allem Vortragender. Stuart Pigott fährt mit Winzer Damien Barton-Sartorius (vom erwähnten Leo B) durch das Medoc und lässt sich neueste Trends erklären. Dabei schmeißt Pigott seine zuletzt arg strapazierte Gonzo-Attitüde über Bord und liefert Reportage pur (naja fast, eine gute Prise Pigott ist zum Glück noch dabei). Ob er sich extra für die Fine-Leser zurückgenommen hat oder einfach mal wieder was richtig Gutes schreiben wollte, weiß ich nicht; es macht auf jeden Fall Spaß.
Fine Weinmagazin – das Fazit
Kulinarik kommt auch vor. Jürgen Dollase geht essen und Ursula Heinzelmann empfiehlt Champagner-Alternativen zur Auster. Und da komme ich ins Grübeln. Das letzte Mal, dass ich eine Fine in Händen hielt, war bei der Produktion eines Videos über Weinzeitschriften für die Webweinschule vor 18 Monaten. Damals lautete die Kulinarik-Kolumne Champagner-Alternativen zum Hummer. Echt jetzt? Was kommt dann in den nächsten Ausgaben? Champagner-Alternativen zur Krabbe, dann Champagner-Alternativen zum Taschenkrebs, Champagner-Alternativen zur Languste und Champagner-Alternativen zum Carabinero? Wenn die Redaktion nicht mit dem Entschwurbeln von Kostnotizen, der Recherche von Bezugsquellen oder dem Dichten guter Vortexte beschäftigt ist, könnte sie die gesparte Zeit doch in die Themenvielfalt investieren.
So richtig erweitert ist das Themenspektrum also noch nicht. Und was ist mit Waßmer? Der kriegt ein liebevolles Porträt über sechs Seiten. Die bei den anderen Winzerporträts anschließende Verkostungsstrecke fehlt aber (wie auch beim Stück über Martin Korrell), was zumindest bei mir einen schalen Nachgeschmack hinterlässt.
Fazit nach drei Stunden unterhaltsamer Lektüre: Die neue Fine versammelt einige der besten Weinautoren der Republik und entlockt ihnen sehr gute Texte, die viel Vergnügen bereiten. Geschmälert wird dieses durch die thematische Enge, eine überzeichnete Titelgeschichte und die gelegentliche Arbeitsverweigerung der Redaktion.
Der Kritik an Fine kann ich grundsätzlich folgen, halte sie aber letztlich doch für zu maßvoll: ich habe Fine abonniert, mir etliche Nummern zu Gemüte geführt, um schließlich doch zur Meinung zu kommen, dass der Kniefall vor den großen Namen der entscheidende Gestus der Artikel darstellt… Nicht dass ich der Leidenschaft, der Passion das Recht verweigern möchte und für eine kalte Analytik plädiere! Aber hier klingt doch zu viel verdächtig nach hohlem Pathos, nach Marketing-Sprache, nach dem Blasebalg der allzusehr gefälligen Weinikonographie. Ich wünschte mir stattdessen das Pathos eines – um der Sache willen! – Infragestellens. Einen Blick auch für Gefährdungen: Je länger ich hochqualitative Weine trinke, desto mehr trinke ich auch sicher unangreifbare Weine, an denen ich zwar keinen Makel ausmachen kann, die mich aber auch seltsam leer zurücklassen. Alles ist da, nur kein eigener Charakter… Ich würde mich deshalb über einen Journalismus freuen, der sich erkennbar(!) der Suche nach Wein-Individualitäten verpflichtet fühlt. Nicht typische Weinfloskeln in manieriertere Sprache verpackt. Noch vor Jahren hat Stuart Pigeott es gewagt, Château Petrus zu kritisieren: undenkbar in Fine! Schade…
Nun halte ich die Ausgabe 1/2017 in Händen, die Lieferung erfolgte sehr schnell!
Das Format gefällt mir nicht, etwas schmaler könnte das Heft sein, das wäre handlicher für mich. Aber ich mag ja auch die schweren VDP.GG-Flaschen nicht.
Offen gesagt: Die Verkostungsnotizen zum Vega Sicilia Uno 1920 bis 1994 interessieren mich überhaupt nicht, mir ist es völlig egal, ob der 1936 einen leichten bis mittleren Körper hat, der 1990iger aber einen mittleren bis vollen. Ich trinke diesen Wein nicht, sammle ihn nicht, handele ihn nicht. Die Geschichte zum Weingut ist interessant und gut geschrieben, die Verkostungsnotizen haben null Informationsgehalt für mich. Stattdessen hätte ich mir Verkostungsnotizem zum Weingut Korell gewünscht. Dessen Weine sind für mich erreichbar, hier würden entsprechende Notizen mir weiterhelfen, mich neugierig machen,…. Gleiches gilt für den Artikel über Martin Wassmer.
Dirk Würtz legt sich für den Kabinett ins Zeug, – inwiefern das eine Botschaft von der Basis sein soll, erschließt sich mir nicht -, er schreibt gut, so gut, dass der Artikel gerne auch mehr Raum hätte einnehmen können. Hier wären zahlreichere Beispiele für gelungene Kabinett mit Verkostungsnotizen spannend gewesen. Daniel Deckers schreibt wie immer kenntnis- und detailreich, ich mag seinen Stil seit er zur Lage des Deutschen Weins veröffentlichte.
Ebenfalls gelungen ist der Beitrag 24. Beitrag zu Frauen im Wein (sic!). Ich suche in der Regel Genuss im Wein, vielleicht auch Wahrheit, aber keine Frauen. Das ist eine dieser Stilblüten, die ich immer wieder in den sog. „High-End Magazinen“ finde, das scheint dazuzugehören wie die großformatigen oft eher distanziert und kühl wirkenden Fotografien. Alles eine Frage der Mode, nicht zuletzt auch der Weingeschmack.
Bezugsquellen und Preise benötige ich in solch einer Zeitschrift übrigens nicht. Nicht, weil Geld bei mir keine Rolle spielte, sondern weil ich über meinen Laptop im Internet jederzeit die aktuellen Informationen abrufen kann.
Ob es dazu reichen wird, dass ich die Zeitschrift abonniere?Lieber wäre mir, Stuart Pigott würde mal wieder ein Buch im Stil der „führenden Winzer und Spitzenweine Deutschlands“ veröffentlichen. Dass er das noch kann, belegt er ja in seiner Kolumne. Wein und Bücher, das passt mir besser zusammen als Wein und Zeitschriften.
Preise finde ich in der Hinsicht interessant, dass mich bei einer Verkostungsstrecke über einen einzelnen Winzer das Preis-Leistungsverhältnis schon gelegentlich interessiert und ich mir dann während der Lektüre die Preise googlen muss. Gerade im Burgund, wo manch privilegierte Dorflage ein Vermögen kostet.
Ich habe gerade den Test gemacht und mir aus meinem Vorrat eine Muskatnuss vorgenommen. Was soll ich Dir sagen, lieber Felix, in der Tat riecht eine ganze Muskatnuss anders als eine geriebene! Eine ganze riecht nämlich mehr nach der Umgebung, in der sie gelagert wurde. Den Test mit der Sojasauce werde ich auch noch machen, beim Sattel muss ich allerdings passen. Kann man von Weinbeschreibungen her auf den Autor schließen? Wer weiß, wie ein Sattel riecht, muss ja entweder Reiter oder Sattler sein, wer Bünderfleisch goutiert, wird wohl kein Vegetarier sein,….?
Deine Rezension hat mich neugierig gemacht und ich drohe mich wieder zu melden, wenn ich das Magazin gelesen habe.
Klar riecht eingedickte Sojasauce intensiver und geriebene Muskatnuss auch. Allerdings nicht mehr, wenn ich sie dann in den Wein schüttete. Oder anders: Wer den Unterschied riechen kann zwischen 4 cl Sojasauce in einem Liter Wein und 4 cl Sojasauce reduziert auf 2 cl und dann in einen Liter Wein gegeben, der ist ein wahrer Meister! Und was das Bündnerfleisch angeht: das ist per Definition IMMER getrocknet, das weiß sogar manch Vegetarier. Getrocknetes Bündnerfleisch ist wie gefrorenes Eis, trockener Staub oder ein katholischer Papst: einfach redundant.
Ich verstehe dich ja, von wegen weißer Schimmel. Aber es gibt auch einen koptischen Papst!
Ja, aber DER Papst ist katholisch, es sei denn jemand schriebe der koptische Papst und die Muskatnuss ist gerieben, es sei denn jemand schriebe ‚ungeriebene Muskatnus‘ (oder ganze). Es gibt einen Normalzustand, das ist der ohne Adjektiv. Das Adjektiv benutzt man, wenn man die Ausnahme schildern will, sonst ist es redundant.
Und dann gibt es in der Weinsprache auch darüber hinausgehenden Kontext, zum Beispiel ist Stachelbeere grün, außer man schreibt rot; Johannisbeere schwarz, außer man schreibt rot oder weiß; Paprika die grüne Frucht, außer man schreibt rote Paprika, Paprikagewürz etc. Es sind immer die Wichtigtuer, die da möglichst viele Adjektive reinschmuggeln. Mein Liebling ist ja: wilder weißer Weinbergspfirsich!
Ich verstehe, was Du meinst, dennoch gilt das nur im jeweiligen Kontext bzw. wenn man sich entsprechend verabredet hat. Schwarz ist bei uns die Farbe der Trauer, was aber nicht überall auf der Welt gilt. Und wenn ein Kopte Papst liest, dann denkt er eben nicht zuerst an den in Rom. Johannisbeeren waren für mich immer rot, da diese im Garten meines Vaters wuchsen, bis ich auch schwarze und weiße Johannisbeeren kennenlernte.
Wenn nun jemand, der nur rote Johannisbeeren kennt, in einer Weinbeschreibung Johannisbeeren liest und nicht an schwarze Johannisbeeren denkt, weil er diese nicht auf dem Schirm hat, dann wird er als auf eine falsche Fährte gelockt! Ist es da nicht besser, Adjektive zu benutzen, damit auch diejenigen, die sich nicht die Konventionen der Weinsprache im Detail angeeignet haben, nicht in die Irre gehen? Zu glauben, dass jeder, der Weinkritiken liest, auch weiß, dass bei Johannisbeeren immer schwarze Johannisbeeren gemeint sind, halte ich für ziemlich abgehoben.
Wenn ein Kopte Papst in der Berliner Morgenpost liest, weiß er, dass nicht seiner gemeint ist. Wetten? Klar hat man sich verabredet. Die Fine erscheint in Deutscher Sprache, das ist schon mal die erste Verabredung. Zu glauben, dass nur jemand in der Fine die Kostnotiz eines 2000-Euro-Weines am Ende einer 12-Seiten-Strecke liest, der ein ganz bisschen Ahnung von Kostnotizen hat, ist nicht abgehoben, das Gegenteil eher weltfremd. Du hast ja ganz richtig den Kontext ins Spiel gebracht. Anfänger-Rücksicht in der 1924er-Unico-Notiz? Super! Aber was fängt der Anfänger dann mit ockergelb unterlegtes Zinnoberrot an? Und süßem Sattelleder? Und Olivenzeste? Gibt es die überhaupt? Es ehrt Dich, dass Du dem Gescholtenen beispringen willst, aber Du wolltest doch auch noch die Zeitschrift kaufen und lesen, oder? Mach das doch erst mal. Und dann liest Du die Strecke und dann kommst Du wieder und dann schreibst Du mir hier, dass das NICHT das absolut grausamste Geschwurbel war, dass Du seit langem über eine Verkostung gelesen hast. Und dann reden wir weiter. Wir laden sogar den koptischen Papst dazu ein.
Ich geb ja gerne zu, dass es viele Menschen gibt, die das total klasse finden. Und ich freue mich auch für die, dass die jemanden haben, der ihre Sehnsucht nach süßem Sattelleder bedient.
Fine ist für mich schlicht und einfach das beste deutschsprachige Weinmagazin.