Weiter geht’s. Ich hatte angekündigt, Württemberg auszulassen. Jetzt werde ich mir untreu, weil die Begeisterung für die Rieslinge aus dem Ländle um mich herum einfach riesig ist.
Und wenn ich mit etwas geweckt werden möchte, dann ist es der Verrenberg von Fürst zu Hohenlohe: elegant, erfrischend, packend. Ich bin hellwach und auch der Rest des Flights ist großartig, herauszuheben vor allem noch der Stiftsberg von Drautz-Able.
Ich habe am Wochenende bei einem Fachvortrag gelernt, dass duftig-blumige Noten im Riesling ein Zeichen großer Wärme im Jahr sind. Diese – für mich angenehmen – Noten finden sich in Württemberg zuhauf, dazu reife aber nicht zu milde Säure und keinerlei Spuren von Zitrusfrüchten. 2014 war offensichtlich ein tolles Riesling-Jahr in Württemberg. Wachtstetters Glaukós schwappt erst etwas träge in meinen Mund und zündet dann im Abgang den Turbo, in zwei Jahren brennt der bestimmt ein Feuerwerk ab. Dautels Sonnenberg, Aldingers Gips: Morgenstund hat Gold im Mund. Keine Sorge, ich bin nicht inflationär begeistert, zwischendrin gibt es auch mal ein Gruselstück, aber die sind hier und heute nicht Thema. Und auch die frühe Zugänglichkeit der Weine ist mir bewusst, aber keiner der genannten wird deswegen früh verwelken, da gehe ich jede Wette ein. Besonders zugänglich (und gut) zeigt sich auch Aldingers Lämmler. Mein Favorit ist dann aber der Pulvermächer vor Beurer, kernig und furztrocken, gleichzeitig cremig – das ist große Kunst. Die Pulvermächer von Haidle und Heid haben das Pech neben diesem Strahlemann zu stehen, da gehen sie ein bisschen unter (ebenso wie Ellwangers Altenberg). Alle drei sind eigentlich tolle Weine.
Fazit: Kenner trin…(es ist zu früh für gute Pointen)
Nahe – Grandioses Finale
Die Nahe hatte erkennbar mehr Mühen vollreifes, gesundes Lesegut einzufahren als die Württemberger. Häufig ist es gelungen, dann strahlen die Weine auch heller als die Württemberger, manches ist aber nur gerade eben reif – und dann zu ordentlichen GGs verarbeitet. Diel und Joh. Bapt. Schäfer stellen einen Flight von fünf Weinen auf den Tisch, die allesamt vielleicht großartig sind, selten war ich so unsicher – außer bei Diels Burgberg, der gefällt mir richtig gut. Aber eigentlich muss ich über Schäfer-Fröhlich schreiben, denn endlich kann ich mal über Schäfer-Fröhlich schreiben. Normalerweise sind die Weine jung so unruhig, dass ich lieber nichts sage. Heute hatte ich eine handzahme Kupfergrube im Glas, die schon richtig Nahe-Riesling war, dann kam ein brutal stinkender Felsenberg, der am Gaumen aber schon tolle Klarheit und Eleganz zeigt. Auch der Felseneck hat zwar viel Hefe in der Nase aber nichts, was nach Verdauung riecht, dann kommt karge Puristik, flüssiger Stein und unendliches Potential (Sie dürfen jetzt Bingo rufen) – grandioser Wein. Er war Teil eines Flights, der nah an mein Erweckungserlebnis von gestern kam: Schäfer-Fröhlichs Felseneck (weltklasse), Stromberg (fast weltklasse), das Frühlingsplätzchen von Schäfer-Fröhlich (grandios, aber mächtig) und Emrich-Schönleber (weltklasse) und beider Winzer Halenberg (außerirdisch gut). Emrich-Schönleber hat seine besten GGs aller Zeiten (es gibt sie erst seit 2003) gemacht – aus beiden Lagen.
Fazit: Sehr gute bis großartige GGs an der Nahe mit Halenberg als Über-Lage.
Pfalz – da knallt’s
Blödes Wortspiel, blöder Einstieg, aber das passt zur Pfalz. Wie auch die Nahe startet die Pfalz mit einem durchwachsenen Flight voller mittelmäßiger GGs aus denen aber der Steinbuckel von Knipser herausragt, der ist fest, mit viel Phenolik für ein langes Leben, jetzt aber schon sehr elegant. Ansonsten herrscht rund um Laumersheim ein wenig Langeweile, wenngleich man das alles trinken und kaufen kann. Und dann kommt der Pechstein. Da könnte man sehr lange diskutieren, wer den besten gemacht hat. Acham-Magin ist es nicht, wenngleich deren Interpretation sehr gut ist. Von Winning hat wieder jede Menge Holz im Gepäck, zeigt darunter aber eine Struktur, die große Hoffnung auf die Zukunft weckt. Bürklin-Wolf macht den mutigsten in Sachen Säure, der jetzt am wenigsten Spass macht, was nichts heißen will. Bleiben Bassermann-Jordan und Buhl – aber auf dieser Seite des Wirsching-Grabens kann man auch mit zwei Siegern leben. Der Fünferflight Jesuitengarten macht fast genau so viel Freude. Hier stellt Mosbacher meinen Favoriten, Bassermann-Jordan zeigt Gerbstoffe für ein langes Leben, von Winning ist trotz eher zurückhaltendem Holzeinsatz sehr mächtig, Buhl paart eine tolle Struktur mit recht viel Neuholz und Acham-Magin macht den weichsten Wein. Im Forster Ungeheuer gibt es etliches, was zu bewerten ich mich jetzt nicht traue: viel Säure, sehr puristisch und trocken plus teilweise Holz – könnte großartig sein. Mosbacher macht auch hier wieder einen Wein der Verständlichkeit optimal mit Anspruch in Einklang bringt. Aus dem Kirchenstück kommen dieses Jahr Weine mit mutiger Säure, aus dem Langenmorgen solche mit beeindruckender Balance – hier kommt Christmann das erste Mal ins Glas und zeigt einen Hammer-Wein. Aus dem Kieselberg kommt wieder ein Gebirgsbach-klarer Mosbacher und ein von Winning, der wirkt wie Mosbacher aus dem Barrique, das hatten wir letztes Jahr schon – dieses Jahr sind beide noch stärker. Pfälzer Wucht dann aus dem Hohenmorgen mit zwei tollen Rieslingen von Bürklin-Wolf und Bassermann-Jordan. Der nächste Flight waren dann die Christmann-Festspiele: beim Reiterpfad ‚Hofstück‘ war ich schon beeindruckt, beim IDIG dann aber geplättet – der ist monumental mit seiner straffen Säure, herben Würze und einer knalltrockenen Art, die den Wein nicht zu fett werden lässt. Der Mandelgarten ist genau so gut und er ist Teil eines irren Flights, in dem auch die Weine von Theo Minges (Schäwer und Hölle – untere Faulenberg) und Rebholz (Im Sonnenschein und Ganz Horn) für Furore sorgen. Ich mag den Sonnenschein lieber als den Ganz Horn, aber mit der Meinung stehe ich weitgehend alleine. Dr. Wehrheim, Münzberg und Kranz können da nicht ganz mithalten, liefern aber allesamt Rieslinge, mit denen sie in anderen Jahren für Furore sorgen würden (Kranz ist für mich der erste unter den Verfolgern).
Fazit: In der Pfalz liefern die großen Namen ganz großen Stoff, einen Newcomer gibt es nicht, aber so nah wie dieses Jahr hat sich Acham-Magin noch nie an die großen Nachbarn herangerobbt – Kompliment.
Rheingau – sauber gesiebt
Normalerweise lasse ich Weine, die mir nicht gefallen, einfach unerwähnt. Schließen Sie daraus aber bitte nicht, dass ich einen Wein schlecht finde, wenn er im Text nicht vorkommt. Von Oetinger hat beispielsweise auch im Jahrgang 2014 seine drei üblichen GGs gefüllt, zeigt in Wiesbaden aber nur den Marcobrunn – Siegelsberg und Hohenrain erscheinen erst nächstes Jahr. Ress hat nur den Rottland in der Veranstaltung. Der Nussbrunnen fehlt. Ich konnte ihn am Wochenende probieren und er ist ein gigantischer Wein. Den hätte Ress sicher zeigen können. Von Oetingers Entscheidung erscheint mir jedoch nötig: sein Wein hat eine tolle Struktur, schönes Mundgefühl mit perfektem biologischem Säureabbau (BSA) – und dann erst mal nichts. Ich durfte am Wochenende mehrere alte Jahrgänge des Weines trinken und bilde mir ein, den Wein in einen Kontext einsortieren zu können: die Entwicklung geht weiter, schneller als zuvor und in eine interessante Richtung. Wie gut das mal wird, kann aber auch ich derzeit nicht beurteilen. Barth stellt drei Weine an, die knalltrocken sind, beim Zucker höchstens eine 1 vor dem Komma haben und doch so viel süße Frucht zeigen. Das ist beim Schönhell und beim Hassel derzeit ganz großes Kino, der Wisselbrunnen ist immer noch sehr gut. Bei Schloss Johannisberg übernimmt die Machart das Kommando (?) (gefühlt BSA und großes Holz). Das Ergebnis ist großartig aber nicht unumstritten, da der Berg die zweite Geige spielt – wobei nicht gesagt ist, dass das mit Reife nicht ganz anders wird. Jakob Jung marschiert auch stramm weiter seinen Weg, mit kargen, knalltrockenen und pikanten Weinen, die ganz viel Zeit brauchen. Der Siegelsberg ist ein Strukturwunder, der im Moment auch nur andeutet, was in ihm steckt. Aus Rüdesheim kommt Großartiges: da ist zum Beispiel der schon erwähnte Rottland von Ress, der knarztrocken mit deutlichen Wür(t)z-Aromen eine ganz eigene Welt erschafft. Ich liebe dieses flüssige Rowdytum, wenn es so viel Struktur hat. Dieses Jahr findet der Wein aber auch Fans unter den gemäßigten Verkostern, weil er sich eine feine Frucht bewahrt hat. Leitz Rottland ist anders aber auch grandios. Die Staatsweingüter zeigen mit ihrem sicherlich deutlich konventioneller erschaffenen, großartigen Schlossberg, dass ein Teil der dunklen Würze einfach aus der Ortschaft kommt. Auch Wegeler überzeugt mit seinem Schlossberg.
Und dann ist da Allendorf, wo ein junger Kellermeister einfach mal macht und eine Serie von Weinen vorstellt, die beim Zucker eine 3 und bei der Säure eine 8 vor dem Komma haben und trotzdem richtig harmonisch und mit viel eleganter Frucht strahlen. Das ist zwar noch nicht das Niveau der besten Rheingauer, aber ein beeindruckender Satz nach vorne.
Fazit: Der Rheingau ist in der Spitze kleiner als beispielsweise die Pfalz, hat dafür so streng geprüft, dass es keinen einzigen Ausfall im Feld gab. Barth und Allendorf sollten Sie ab sofort auf dem Radar behalten.
Spätburgunder – erstaunlich groß
Kleine Warnung, die Spätburgunder habe ich im Schweinsgalopp gemacht, ungefähr 80 Weine in drei Stunden. Da habe ich mich reichlich einer Kategorie in meinem Bewertungsschema bedient, die ich extra für diese Veranstaltung geschaffen habe. Note 4 heißt: kann ich seriös erst beurteilen, wenn ich mehr davon über einen längeren Zeitraum im Glas hatte. Deswegen sollten Sie bei den Roten auf gar keinen Fall denken, dass Nichterwähnung meinerseits bedeutet, der Wein habe mir nicht gefallen. Habe ich vier anständige aber neuholzige Weine in einem Flight und der fünfte ist auf einmal richtig fein, dann kann ich das schon mal verpassen.
Wo ich eh die ganze Zeit Franken lobe: der Frankenflight – es gab nur einen – war ein Erlebnis ähnlich dem letzten Saarflight. Der Schlossberg von Benedikt Baltes bringt etwas in mir zum schwingen, da kriege ich Gänsehaut ob der Feinheit der Frucht und Klarheit des Ausdrucks. Fürsts Schlossberg minimal konzentrierter und wärmer, dann Fürsts Centgrafenberg mit der schönsten Pinot-Nase seit langem. Die nächste Gänsehaut kommt von Fürsts Hunsrück, der die Wärme seines Schlossberg mit der Noblesse von Baltes kombiniert. Es folgt ein Sonnenstuhl von Schmitts Kinder, der in jedem anderen Flight den Sieg davontragen würde. Ein Nanogramm Marmelade am Gaumen schickt diesen eigentlich monumentalen Wein hier und heute auf den letzten Platz. Die Überraschung für mich dann Zehnthof Luckert. Dass die gute Weine machen, weiß ich. Dass sie mit dem Maustal einen Pinot vorlegen, der so ausdifferenziert in Frucht und Struktur ist, wie die besten Weine des Flights, hat mich geplättet.
Machen wir es kurz: An der Ahr ist alles aller Ehren wert, Stoddens Rosenthal und Sonnenberg, Adeneuers Rosenthal und Meyer-Näkels Pfarrwingert sind großes Kino. Sehr stark auch das Kirchtürmchen vom Deutzerhof, der mir einen Tick alkoholisch erschien, aber trotzdem besonders pikant am Gaumen war. Im Rheingau gefielen mir zwei Weine besonders gut: der Höllenberg von den Staatsweingütern und auch Diefenhardts Wildsau. Rheinhessen hat wenige Weine gezeigt, Battenfeld-Spaniers Kirchenstück und Gutzlers Morstein (aus 2012) stachen für mich heraus. Nicht aus 2013, sondern aus 2011 (Knipsers Im Großen Garten, Kirschgarten und Mandelpfad) und 2012 (Kuhns Steinbuckel, Wehrheims Kanstanienbusch ‚Köppel‘) waren die besten der Pfälzer Pinots. Auch Rebholz’ 2010er Im Sonnenschein hielt locker mit. Dautel, Beurer, Haidle, Wachtstetter, Staatsweingut Weinsberg (zumindest mit dem Burg Wildeck), Drautz-Able – zwei Stunden hätte ich alleine gebraucht, um die Württemberger Pinots vernünftig zu verkosten, denn alle genannten deuten in der Kurzprobe an, dass sie richtig gut sind. Sie sind alle aus 2013, und auch die Badener stellen überwiegend diesen Jahrgang vor. Seeger zwei Mal großartig, bei Huber ist das Niveau aller Weine so hoch, dass preisbewusste mit den günstigeren echte Schnäppchen einfahren können, Heitlingers (kannte ich nicht) Königsbecher ist super. Salwey und Heger müsste ich länger probieren, mindestens je einen Wein von den beiden fände ich dann vermutlich großartig, Blankenhorn und Stigler komplettieren das Feld.
Fazit: Die Geschichte des 2013er Spätburgunders ist noch nicht zu Ende erzählt – nicht einmal ansatzweise.
Hier das Fazit zur Veranstaltung
Und hier die weißen Burgunder und Lemberger (in Berlin verkostet)
Vielen Dank für Deine Mühe!