Föld Weinmesse Berlin

Guter Stoff aus Ungarn

Das Schönste am Wein sind das Entdecken und das Überwinden von Vorurteilen. Ich muss von zwei Begegnungen im November berichten, die mir ganz viel Schönes bescherten. Den Anfang macht eine ungarische Weinmesse.

Sascha Rimkus (Goldhahn und Sampson) und Martin Kössler (K&U Weinhalle) teilen eine Liebe zu ungarischen Weinen. Also haben Sie gemeinsam eine kleine (und feine) Weinmesse für diese ins Leben gerufen, die ‚Föld‘. Maria Crab von Borett, einer ungarischen Exportagentur mit Fokus auf ökologischen Weinbau, kam mit Ihrem bunten Dutzend Partnerweingütern und Šárka Betke, Gründerin des Berliner Importeurs Vinofaktum, erweiterte die Veranstaltung mit ihrem Portfolio tschechischer Weingüter, für die meine Zeit leider nicht reichte.

Goldhahn und Sampson Küche

Am Vorabend der Messe lud Sascha mich und einige andere Berliner mit Reichweite oder gastronomischer Einkaufstüte zu einer Küchenparty in die Charlottenburger Filiale von G&S, wo Huszár Matyi mit seinem jungen Team vom Restaurant Vasület vom Balaton ein wenig ungarisches Flair zauberte. Hier finden normalerweise Kochkurse statt, sodass ein Durcheinander von zwölf Winzern, vier Köchen und zwei Dutzend in der Gegend rumstehenden Wein-Nerds ohne größere Fett- und Weinflecken möglich ist.

Rebsorten nach meinem Geschmack

Ich mag ungarischen Wein und die ungarische Weinszene. Soweit ich das beurteilen kann, ist Urwüchsigkeit hier keine Modeerscheinung, die Verbundenheit zur eigenen Scholle und das Streben nach einer Verbindung zur Natur nicht erst wichtig, seitdem Hipster es zum Einkaufskriterium erhoben haben. Ungarns Weinwelt – zumindest der Winzer-Teil, auch in Ungarn gibt es eine Weinindustrie – hat früh versucht, die eigene Identität international salonfähig zu machen, statt sich anzupassen. Schon vor zwanzig Jahren haben mir auf irgendwelchen Messen irgendwelche Produzenten die Aussprache von Hárslevelű beigebracht (aber auch verständnisvoll gelächelt, wenn ich lieber ‚Lindenblättriger‘ sagte). Ja, es gibt in Ungarn auch Riesling und Bordeaux-Cuvées, sogar sehr gute, aber die sind eher eine Ergänzung zum heimischen Portfolio.

Küche vom Balaton

Neben der hier durchscheinenden emotionalen Verbundenheit gibt es noch einen ganz einfachen Grund für meine Sympathien gegenüber ungarischem Wein: Ich mag die Rebsorten. Hárslevelű und Juhfark finde ich oft großartig, Furmint ist mir sehr sympathisch und aus Welschriesling, der mich meistens langweilt, zaubern die Ungarn häufiger etwas Spannendes als die Österreicher (nur meine Meinung). Beim Blaufränkisch sehe ich dafür die Österreicher wieder vorne, finde viele Ungarn aber immer noch wunderbar. Portugieser wird hier sehr seriös, zu Kadarka kommt weniger Liebe auf. Wer diesen Blindflug gehört hat, weiß indes, dass all das Pipifax ist gegen den wunderbaren Csókaszoló, den ich bei eben jener Küchenparty entdecken durfte.

Blaustengler FTW

Und diese Getränke sind mir in Erinnerung geblieben: Ralf Wassmanns Blue Rose PetNat aus weiß gekeltertem Cabernet Franc besticht mit einer unglaublich süßen Frucht, der kräftige Säure gegenüber steht. Zur scharfen Paprika-Paste war das die ideale Einleitung. Den Kéknyelú von ValiBor darf man auch Blaustengler nennen. Es ist eine rein weibliche Sorte, weswegen für eine erfolgreiche Bestäubung zwischen zwei Zeilen Kéknyelú immer eine mit einer zweigeschlechtlichen Varietät gepflanzt wird. Die Erträge und die Qualität sind sehr schwankend, sodass sich kaum jemand dieser Rebsorte noch annimmt. Wie grandios sie sein kann, zeigte Péter Váli mit seinem Wein aus dem Jahrgang 2022: Leicht mürber Apfelton, eher natürliche Anmutung, die Frucht ist üppig und kandiert, aber da kommt so viel sperrige Phenolik aka feines Schmirgeln – total mein Beuteschema und wahnsinnig lang, wird mit Luft immer besser. Ich bin den ganzen Abend zu diesem Wein zurückgekehrt. Hammer.

Ungarische Vorspeisen

Vom Weingut Filep gab es eine Cuvée aus Furmint und Hárslevelű mit sehr süßer Frucht, sehr konzentriert. Fand ich zwar etwas plüschig, aber absolut okay. Der reinsortige Furmint aus 2016 dann mit leicht ätherischer Nase, schöner Birnenfrucht, nicht zu süß, viel Struktur nach hinten raus. Erste Reifenoten fügen die nötige Komplexität hinzu. Ist insgesamt aber kein Feuerwerk, sondern entspannter Trinkfluss. Beim Hárslevelű  2021von Sanzon fand ich wieder gedetschten Apfel in der Nase und die etwas überreife Frucht am Gaumen, dann kommt eine nussig-würzige Strenge, leicht adstringierend, ziemlich fest. Passte zu einer gereichten Entenfettcreme sehr gut. Solo wäre mir das zu anstrengend, wird mit Luft aber komplexer und geschmeidiger. Je ein drittel Stahl, Stockinger und ungarische Amphore, letztere mit 4 Tagen Maischestandzeit. Sehr viel Sorgfalt am Start, sehr gut.

Erst Gebirgsbach, dann Kreide

Gilvesy George

Somloi Vandor schenkte einen ’20er Hárslevelű ein (im Verkauf ist aktuell 2023): Die Frucht ist deutlich frischer, die Anlagen (gedetscht und überreif) sind aber noch da. Auch etwas oxidiert, aber das passt, weil der Wein ansonsten extrem kristallin ist, geradezu beißend mineralisch/phenolisch. Gefällt mir gut. Gilvesy PIXU Furmint 2022: wieder sehr süße Frucht, der aber jeglicher Plüsch abgeht, stattdessen dreht der Wein ins Frische, erst Gebirgsbach, dann leicht kreidiger Abgang. Das ist eine schöne Reise! Der St George 2022 aus gleichem Hause ist eine Cuvée aus Welschriesling, Riesling und Furmint. Eher würzige Nase, tolle, fruchtig-saftige Textur, viel Frucht, dann viel Kreide, jung, sehr vielversprechend.

Bussay

St. Donat schenkte seinen 2017 Welschriesling Slikker aus der Magnum ein. Erste, sehr schöne Reife, satte Apfelfrucht, etwas Rosmarin, schöne Spannung, recht fest. Ernstzunehmender Stoff. Der Marga Furmint des Gutes ist ebenfalls ein 17er aus der Magnum. Sattsaftig und erste Reife, Apfel und Birne und viel Schmelz, extrem dicht und druckvoll, ordentliche Säure. Großes Glas, großes Essen und dann großes Kino. Danach kam der Csokaszölö und ich war schockverliebt: liebliche Frucht und so spicy, sehr schlank, Zug und Druck, und so seidig im Abgang. Auch im Podcast erwähnt ist die mit Csokaszölö gepimpte Bordeaux-Cuvée ‚Courage‘ 2019 von 2HA: Startet sehr gediegen und wird von diesem spicy-schlanken Abgang deutlich über Normalnull gehoben.

Am nächsten Tag auf der Messe fielen mir weitere Weine positiv auf, die ich für Steady-Unterstützer im Schnelldurchgang aufliste, falls sich jemand bei einer eventuellen Bestellung des Csokaszölö noch Beifang gönnen will.

2017 Cabernet Franc von Wassmann ist ein sehr tanninstarker Vertreter der Rebsorte, der tolle Spannung bietet. Der Classic Furmint 2022 von Sanzon kann und will seine 6 Gramm Restzucker nicht verstecken. Die erzeugen tolles Spiel und machen den Wein spannend. Heimann & Fiai zeigten ein ’22er Stierblut (Szekszard Bikaver), das im besten Sinne süffig war. Der Blaufränkisch Baranya-völgy 2020 ist ernsthaft, ruhig und balanciert. Auch die St. Donat Winery kann Blaufränkisch, wobei der schlanke, fruchtige Magma 2022 extrem preisgünstig ausfällt. Furmint zum Verlieben hat die Barta Winery im Programm. Nur kann ich die neue Liebe nicht aussprechen: Öreg Király Dülö heißt der fest-bissige Zauberstoff mit toller Frucht. Bussay zeigte den ‚23er des heiß geliebten Csokaszölö, der mir den Eind…

3 Gedanken zu „Guter Stoff aus Ungarn“

  1. Danke für das spannende Thema. Habe mich im vergangenen Jahr – an der virtuellen Hand von Christoph Raffelt – nach Osten orientiert. Und Harslevelü war mein persönliches Highlight. Bin mir nicht ganz sicher, ob Ernö Sagmeister ein Gott ist. Und nun müssen nur noch ein paar wenige von Felix Empfehlungen probiert werden, dann könnte die Mitgliedschaft im Wine-Century-Club beantragt werden.

  2. Vielen Dank für den spannender Bericht und die detaillierten Eindrücke. Hoffe du kannst im nächsten Podcast noch ein bisschen was über die Messe erzählen.

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