Die Weingüter Battenfeld-Spanier und Kühling-Gillot sind eine feste Größe in Deutschlands Riesling-Szene und trotzdem habe ich es in 20 Jahren Beschäftigung mit meiner Lieblingsrebsorte bisher nicht geschafft, mich einmal vor Ort umzuschauen. Diese Lücke habe ich jetzt geschlossen.
Kleiner Einschub vorweg. Damit das hier kein Bindestrich-Massaker wird, verwende ich Abkürzungen: BS steht für Battenfeld-Spanier, KG für Kühling-Gillot, BSKG bezeichnet den Gesamtbetrieb/alle Weine des Ehepaares Hans-Oliver (hier und auch anderswo: HO) Spanier und Caroline Spanier-Gillot (immer mit Bindestrich, weil es sich nicht gehört, Damen abzukürzen).
Allmählich wurde es zum Ritual: Sie müssen (irgendwann dann: Du musst) unbedingt mal bei uns im Weingut vorbeischauen, wenn Du in der Gegend bist. Oder komm doch mal zu unserer Jahrgangspräsentation. Seit drei Jahren waren die Einladungskarten zu selbiger mit dem handschriftlichen Vermerk: ‚Wäre schön, wenn es dieses Jahr klappen würde‘ versehen. Es stimmt ja auch: es gibt Weingüter, die sollte man sich aus der Nähe anschauen, wenn man eine fundierte Meinung zum Riesling äußern möchte und BSKG gehören dazu. Also rückte der Termin dieses Jahr auf einen sicheren Listenplatz meiner jährlichen Reiseplanung. Auf nach Rheinhessen!
Darbietung auf höchstem Niveau
Jahrgangspräsentation ist eine Untertreibung in doppelter Hinsicht. Es gibt viel mehr zu verkosten als nur den neuen Jahrgang und als schnöde Präsentation kann man diese huldvolle Inszenierung des Kulturgutes Wein nicht bezeichnen. Zu diesem BKSG-Hochamt gehören immer auch gutes Essen, Schatzkammervertikalen und ein Gastweingut. Das war dieses Jahr gleich eine ganze Weingutsgruppe, präsentiert von einem Mitglied der namensgebenden Familie: Gaia Gaja hatte Weine aus der Toskana, Maremma, vom Ätna und natürlich aus dem Piemont im Gepäck.
Ort der Zusammenkunft war das Weingut in Hohen-Sülzen, wo mittlerweile alle Weine im neu gebauten Keller gemacht werden. Es gibt noch einen Betrieb samt Vinothek in Bodenheim. Die Kellerführung dauerte nicht lang und brachte wenig Spektakuläres zutage. Gepresst wird unter dem Vordach auf zwei Pressen, die mindestens vorhanden sein müssen, damit sich zwei Betriebe einen Standort teilen dürfen. Kurzes Zucken löste HO Spaniers Bemerkung bei mir aus, mit dem Pressen sei für ihn das ‚Wein machen‘ abgeschlossen, weil das eigentlich Blödsinn ist. Drinnen in vorderen Hallenteil klärte sich die Verwirrung dann aber schnell. Spanier deutete auf eine Reihe hoher Tanks und erklärte, man kläre die Moste mittels Sedimentation. Wenn dann nach dem Absetzen der klare Most in die Gärtanks gepumpt werde, gäbe es noch die wichtige Entscheidung zu fällen, wie viel vom abgesetzten Trub mit in die Tanks käme. Gerade für die Spontangärung ist ein wenig Trub sehr hilfreich. Die Entscheidung hängt vom Jahrgang und dem Zustand des Lesegutes ab und ist definitiv eine aus der Kategorie ‚Wein machen’. Doch hat Spanier damit nichts zu tun. ‚Ich habe zwei Mitarbeiter, die das gemeinsam bestimmen. Deren Erfahrung und Bauchgefühl sind ausschlaggebend. Mischte ich mich da ein, würde der Wein sicher nicht besser werden.’
Teamarbeit und Kelterparty
In Porträts wird HO Spanier immer als großer Riesling-Magier beschrieben. Seine Eigendarstellung hier war eine andere. ‚Ich arbeite im Team mit Leuten, die so qualifiziert sind, dass sie jederzeit anderswo als allein verantwortliche Kellermeister anfangen könnten‘, erklärte er mir später beim Abendessen. Die binde man mit drei Maßnahmen dauerhaft ans Weingut: gute Bezahlung bieten, Verantwortung und echte Entscheidungsbefugnisse übertragen und verlässlichen Nachschub an hochwertigem Kelter-Bier sicherstellen, bevorzugt mit zwei parallel betriebenen Zapfanlagen und geeigneter Beschallung der Kelterhalle. Zur guten Stimmung trägt sicher auch die Wertschätzung bei, die das Ehepaar den Mitarbeitern zeigt. So gehört es zu den Traditionen der Jahrgangspräsentation, dass die Mitarbeiter nicht nur an der Abendveranstaltung teilnehmen, sondern auch ihre eigenen Weine – aus Nebenprojekten oder dem elterlichen Betrieb – mitbringen und ausschenken können. Da gab es viele spannende Weine mit stilistischen Ähnlichkeiten zu entdecken. Doch vor dem Vergnügen kommt bekanntlich die Arbeit und so probierte ich mich durch die Kollektion. Es handelt sich um Eindrücke nach einer Kurzprobe.
Gutsweine
Kühling-Gillot, Jahrgang 2022
Qvinterra Riesling trocken. Die Nase leicht stechend sauer, dazu reife Zitrusfrucht, am Gaumen ein maskierender Hefeschleier, darunter ordentliche Säure, startet schmelzig, bevor die Säure sich im Abgang durchsetzt. Angenehm frisch.
Qvinterra Riesling feinherb. Etwas würzig, malzig, mit reifer Frucht, ordentliche Säure und nicht zu viel Süße, wunderbares Spiel, viel Druck, dezent cremiges Textur – toll!
Qvinterra Scheurebe. In der Nase auf der grünen Seite von typisch, am Gaumen ein Start mit viel Biss und feiner Phenolik, dann etwas schmelzig, sehr dicht mit gutem Druck und Fluss. Großartig.
Grauer Burgunder Réserve 2022. Etwas schweißige Nase, aber am Gaumen sehr klar und sauber. Süßer Apfel, schöne Säure, im Abgang kommt die rebsortentypische Würze. Sehr gut.
Chardonnay Réserve 2022. Mehr Holz in der Nase als am Gaumen, dort schöne Klarheit, aber verhaltene Säure. Ich hätte gerne etwas mehr Spannung, als opulenter Wein aber sehr gut.
Battenfeld-Spanier, Jahrgang 2022 (Pinot 2021)
Riesling Eisquell. Eher verhaltene Nase, am Gaumen zackig, leicht grüner Grip, aber das ist sehr erfrischend und wird nach hinten von viel Schmelz gepuffert. Das ist mir fast schon zu viel Schmelz.
Weissburgunder Réserve. In der Nase Holz und etwas Birne, am Gaumen Rauch und Zündplättchen, Apfel und Pomelo, schönes Frucht-Säure-Spiel, schöner Schmelz. Gut.
Grüner Sylvaner. Zeigt in der Nase wenig und am Gaumen fast gar nix, außer einem sehr angemessenen Verhältnis von Säure und Schmelz. Müsste man vermutlich über zwei Tage beobachten.
Spätburgunder. Das riecht cremig, die Nase erinnert an Beaujolais. Am Gaumen viel Erdbeerjogurt, schöne Säure, auch leicht dropsig. Aufgrund persönlicher Präferenzen überhaupt nicht mein Ding.
Ortsweine
KG Oppenheim Chardonnay ‚Alte Reben‘ 2021. Mehr Holz in der Nase als am Gaumen, dort schöne Klarheit, aber auch eher reif in der Frucht, dann kickt etwas Säure rein. Der Wein ist nicht zu opulent, hat kargen Zug im Abgang und sicher einiges an Potential.
BS Hohen-Sülzen Weissburgunder ‚Alte Reben‘ 2021. In der Nase Holz und Rauch, am Gaumen klare Frucht, Kernobst, saftig, bissig, toll. Der hat mich in Mainz schon spontan geflasht, so dass ich mir trotz der Kürze der Probe sicher bin: das ist eine Granate.
Aus Ersten Lagen
Kühling-Gillot, Jahrgang 2022
Oppenheim Riesling. In der Nase Hubba Bubba, am Gaumen süße Aprikose und Apfel (und auch etwas Hubba Bubba), dann wird es strenger mit schöner Säure und feiner Phenolik. Das präsentiert sich ganz anders als in Mainz (wo mich der Wein auch schon ansprach) und hat sehr viel Potential. Ganz toll!
Nackenheim Riesling. In der Nase mürber Apfel, überhaupt eine insgesamt mürbe Nase. Am Gaumen dann erheblich saftiger, Apfel und eine ordentliche Portion weißer Pfeffer. Hat ganz viel phenolischen Biss. Gefällt mir sehr.
Nierstein Riesling. Da weht ein bisschen Landluft durchs Glas, der Stinker schwenkt sich aber weg und es bleibt dunkle Würze. Am Gaumen viel Hefe, darunter Apfel, aber vor allem Hefe. Schönes Spiel, ordentliche Anlagen.
Battenfeld-Spanier, Jahrgang 2022 (Pinot 2021)
Hohen-Sülzen Riesling. In der Nase Frucht und blonder Tabak, am Gaumen ein deutliches Bitterle, dazu Pomelo, Malz und ein Hauch Karamell. Interessant, aber irgendwie unfertig. Müsste ich länger verkosten.
Mölsheim Riesling. Fester Kern, viel Phenolik, kräftige Säure, spannend, sehr verschlossen, aber auch schon warme, malzige Noten. Wie das wohl reift? Ich wage keine Prognose.
Hohen-Sülzen Spätburgunder ‚Alte Reben‘. Im besten Sinne ‚deutscher‘ Spätburgunder mit leicht gekochter Frucht in der Nase und am Gaumen, schöner Säure, sehr feinem Tannin und toller Länge. Das mag ich!
Treasure Collection
Alle Weine dieses Jahr aus dem Jahrgang 2018 und ich bin des Jahrganges überdrüssig. HO Spanier meinte am Abend, das sei einer seiner Lieblingsjahrgänge und ich hätte dazu gerne mehr gehört, doch es war nicht der Rahmen. Allerdings hatten wir da auch den vielleicht besten 2018er Riesling im Glas, den ich bisher trinken durfte, Rothenberg Wurzelecht aus der Großflasche. Die drei Late Releases waren für mich davon weit entfernt.
KG Riesling Réserve vom Rotliegenden. Das startet mit so kandierter Frucht, dass ich nicht mehr unvoreingenommen bin.
BS Riesling Réserve vom Kalkstein. Besser als der Rotliegende, die Frucht hat mehr Feinheit, zeigt aber auch noch 18er-Typizität.
BS Mölsheim Riesling. Die größte Frische, dafür aber etwa bitter.
Die Pyramidensprenger
Bei BSKG gibt es noch ein paar Superduperweine, die ein bisschen oberhalb oder neben der klassischen Qualitätspyramide stehen.
Riesling CO Liquid Earth 2018. Eher typische 18er-Nase, aber am Gaumen relativiert sich das. Der Jahrgang ist präsent mit etwas Wachs und Malz, aber die Säure, die Feinheit und das wunderbare Schmirgeln im Abgang machen den Wein schon sehr besonders. Am Abend servierte HO Spanier allerdings aus Versehen statt eines 2013ers den 2019er aus der Großflasche und der ist als Besserer des Guten Feind. 2017 und 2019 haben halt noch diese Extraportion inneres Strahlen, die der 2018er bei aller Klasse vermissen lässt.
Riesling Zellertal 2022 (Auslieferung Mitte 2024). Blitzschlag! Die Balance, die da jetzt schon drinsteckt, setzt mich unter Strom. Tolle Säure, aber auch ölig; deutliche Phenolik, aber nicht austrocknend, satte Frucht, aber nicht sättigend – ziemlich monumental.
Darauf einen Sekt:
Blanc de Blancs Extra Brut 2014. Kräftige Säure, sehr zitrisch, einerseits sehr elegant, andererseits nicht übermäßig vielschichtig.
Grosse Gewächse
Ursprünglich galt für GGs, dass niemand vor dem Stichtag 1. September über sie berichten durfte (mit der Ausnahme der Live-Ticker von der Vorpremiere). Vor drei Jahren lud der VDP in Wiesbaden zu einem Gipfeltreffen, um diese Sperrfrist zu retten, denn einige Multiplikatoren hatten begonnen, sie zu ignorieren.. Ich war nicht dabei, hörte aber von einem Teilnehmer, dass das Team des Händlers Lobenberg und Parker-Verkoster Stephan Reinhardt kategorisch ausschlossen, sich dieser Sperrfrist zu unterwerfen. Als Konsequenz veröffentlicht wein.plus seine Urteile jetzt auch, sobald sie fertig sind. Die Frist ist tot, der VDP hält sich zum Thema bedeckt. Einzelne Winzer bitten aber noch gelegentlich um die Einhaltung der Sperrfrist, so auch BSKG. Mein Kompromiss: ich verschiebe sie hinter die Zahlschranke. Steady-Unterstützer haben also Zugriff und wissen ja, dass die exklusiven Inhalte nur für sie und nicht zur Weitergabe sind.
Doch zunächst einmal die ‚unbedenklichen‘ GGs. Carolin Spanier-Gillot lenkte diese Jahr mit zwei Vertikalen die Aufmerksamkeit auf die Spätburgunder von BSKG: fünf Jahrgänge Kirchenstück und Kreuz. Leider verkostete ich die zum Schluss, als ein Jahrgang schon ausgetrunken war, daher fehlt das 18er Kreuz.
Battenfeld-Spanier Spätburgunder GG ‚Kirchenstück‘
2021: s.u.
2020: Etwas süße Nase und auch am Gaumen dominiert von sehr süßer Frucht, insgesamt etwas einfach, aber sehr ‚lecker‘.
2019: In der Nase Kirsche, etwas Vanille und rohes Fleisch, erste Reifenoten. Am Gaumen knackige Frucht und rohes Fleisch, sehr klar und präzise, dann feines Tannin, kühle Eleganz pur. Großartig.
2018: In der Nase Kirsche, Liebstöckel und Rosmarin, am Gaumen in der Frucht etwas marmeladig und von der Textur her etwas laktisch. Das ist nicht so meins.
2017: In der Nase deutliche Reifenoten, Teer und etwas Frucht, am Gaumen nicht ganz so elegant und knackig in der Frucht wie 2019, dafür aber etwas röstiger und auf sehr angenehme Art rustikal. Ganz toll.
Kühling-Gillot Spätburgunder GG ‚Kreuz‘
2021: s.u.
2020: Schon in der Nase etwas belegt, auch am Gaumen fehlt mir das Strahlen (und Tiefe). Etwas gekocht, ordentliche Säure, zurückhaltendes Tannin, ganz okay.
2019: Kommt nicht mit dem Kirchenstück aus gleichem Jahrgang mit. In der Nase Vanille, Kirsche und etwas rohes Fleisch. Die süße Frucht am Gaumen begeistert mich, der Wein könnte aber etwas mehr Biss gebrauchen. Ordentliches Tannin, sehr guter Wein.
2018: ausgetrunken
2017: In der Nase Ziegelstein und Reifenoten, am Gaumen weiche Frucht und eher cremiges Mundgefühl, dann kommt schöne Säure, aber es fehlt mir etwas Präzision bei diesem insgesamt sehr ordentlichen Wein.
Für Steady-Unterstützer geht es weiter mit den aktuellen GGs und dem Gesamtwerk der Familie Gaja, das zur Verkostung stand.
GGs
häufig Fassproben, die Weine waren aber schon filtriert.
Battenfeld-Spanier
Spätburgunder Kirchenstück 2021. In der Nase Sauerkirsche und Ziegelstein, am Gaumen erst saftig, süße Himbeere, dann kommt etwas Teer, etwas rohes Fleisch, verhaltenes Tannin. Sehr fein und elegant.
Rieslinge, alle Jahrgang 2022
Kirchenstück. Typische Riesling-Nase, am Gaumen vollfruchtig, saftig, dann Hefe, derzeit etwas einfach, aber das kann sich schon in Wiesbaden anders präsentieren.
Zellerweg am schwarzen Herrgott. In der Nase Bierhefe, kleiner Stinker, etwas flintig, am Gaumen entsprechend verschlossen, aber dieser feste Kern, diese karge Phenolik, die hat schon was. Ich glaube an eine große Zukunft.
Frauenberg. In der Nase Aprikose und Zitrus, auch am Gaumen sehr vollfruchtig, etwas ölig, opulent, aber die Säure und …
BSKG mag ich sehr. Ein wirklich tolles Weingut und eine sehr sympathische Winzerfamilie! Hab mich jetzt bei meiner diesjährigen Bestellung einfach mal von Deinen Empfehlungen leiten lassen. 🙂 Danke!
Toller Bericht mit spannenden Verkostungsnotizen.
Vielen Dank auch für den Gaja Geheimtipp. Wollte immer mal selbst dieses Erlebnis haben und mir nun gedacht jetzt schlägst du zu. Schnell gesucht und gefunden, sogar vier Flaschen für je knapp 80€ ergattert. Vielleicht sollte ich später noch Lotto spielen, das Universum scheint mir gerade hold zu sein 😀
Wann ist Wiesbaden? Freu mich schon auf deine Berichterstattung.
BG
Sascha
Wiesbaden ist dieses Jahr tatsächlich erst ab dem 27. August.
Bei vier Flaschen solltest Du Dir den Luxus gönnen einfach jetzt mal einen aufzumachen und über vier Tage zu verkosten (wenn’s draußen nicht so heiß ist). cheers.
Ende der Woche solls wieder kühler werden. Glaube da wird dann eine geköpft. Okay 27. August ist dann schonmal im Kalender markiert. GG Prämiere in Berlin ist dieses Jahr wieder nicht… Meinst du das kehrt irgendwann wieder zurück?