Tag 2 des internationalen Riesling Symposiums hätte spannende Diskussionen bringen können. Hat er aber nicht. Es war ein Tag der vergebenen Chancen – und vielleicht das Ende des Formats.
Eines gleich vorweg: an den Vortragenden hat es nicht gelegen und an den Weinen auch nicht. Und sowieso: diese Bewertung des zweiten Veranstaltungstages des Internationalen Riesling Symposiums ist eine eine rein subjektive, ergänzt nur um eine schnelle mündliche Umfrage unter Teilnehmern. Doch verließ ich die Veranstaltung am Ende mit dem Gefühl: Das war’s, eine weitere Auflage wird es nicht geben – und das ist schade.
Keine Schwäche zeigen?
Alexandra Wrann, als Chefredakteurin von Meiningers Weinwirtschaft noch nicht lange in Amt und Würden, hatte die Aufgabe übernommen, das Thema ‚Riesling am Point of Sale‘ zu referieren, mithin die Diskussion um Absatzchancen, Marktanteile und das Wettbewerbsumfeld anzustoßen. Mit ausreichend Marktdaten ausgerüstet wusste sie einerseits Positives über die Entwicklung des Rieslings in jüngster Zeit zu berichten, legte aber andererseits auch den Finger in die Wunde. Die eingeschränkte Speisenkompatibilität sah Wrann als Manko, die hohe Säure oder die sehr deutliche Wandlung des Geschmacks im Reifeprozess setzte Sie sowohl auf die Pro- wie auf die Kontra-Seite ihrer Liste relevanter Eigenschaften. Ihre wichtigste Mahnung: unübersichtliche Nomenklatur und Geschmacksdeklaration machen das Produkt erklärungsbedürftig, was bei einem ‚Fast Moving Consumer Good‘ ausgesprochen hinderlich ist, weil kaum einer Zeit hat, es zu erklären.
Auf mich machte Wranns Präsentation den Eindruck als hätte sie gerne mit Produzenten und Handel ins Gespräch kommen wollen. Reicht es, an der Verpackung zu arbeiten, oder muss auch das Produkt angepasst werden? Doch zu dieser Diskussion kam es nicht, denn – zumindest empfand ich es so – Frau Wrann wurde mehr oder weniger elegant abmoderiert. Die auf dem Podium anwesenden Platzhirschen schnappten sich das Mikro, holten gezielt Meinungen von ein paar Buddies ein und schon war alles wieder gut. Ein Sommelier wusste vom regen Interesse am deutschen Riesling als Speisenbegleiter in seinem Restaurant zu berichten, ein Referent erklärte, die Sommeliers in Skandinavien, denen er im Auftrag des DWI den Riesling erkläre, seien ja auch beeindruckt, weil Riesling die vielseitigste Rebsorte der Welt sei und der Inhaber einer großen Feinkostkette konstatierte, Deutscher Wein sei ja immer noch viel zu billig. Es fehlte eigentlich nur noch die Bemerkung Riesling passe ja perfekt ‚zur asiatischen Küche‘, dann wäre ich aufgesprungen und hätte laut ‚BINGO‘ gerufen. Zur Erinnerung: das Thema der Tagung lautete ‚Riesling im globalen Wettbewerb unter dem Aspekt sich verändernder Klima- und Marktbedingungen‘ – wie sinnvoll ist es da, das Bild eines Marktes zu zeichnen, dessen Bedingungen die gleichen sind wie vor zehn Jahren, zumal auf dem Podium die Chefredakteurin des führenden Marktbeobachtungsorganes sitzt und ganz vorsichtig andeutet, da könnte sich ein wenig was verändert haben?
Ist alles noch viel schlimmer?
Wrann war dabei noch im Schongang geblieben. Ich denke, es gibt viele Gründe sich Sorgen zu machen – oder zumindest Klippen, die es zu umschiffen gilt. Ich erlaube mir ein paar Ergänzungen.
- Im Schnitt sinkt der Alkoholkonsum in der westlichen Welt flächendeckend. Dabei ist der speisenbegleitende Wein allerdings (angeblich) deutlich weniger betroffen, als alkoholische Getränke (inklusive Wein) außerhalb des Essens. Wenn das stimmt, hat der Riesling ein Problem, denn nein, er ist kein guter Speisenbegleiter.
- Die vermeintlich vielseitigste Rebsorte der Welt lädt zu vielfältigen Ausbaustilen und -methoden ein, die eben auch vielfältiges Scheitern ermöglichen. Schaut man sich den anderen Alleskönner an, Chenin Blanc, sieht man, dass der ziemlich ähnliche Probleme hat, seinen Platz in der Hierarchie der wichtigsten Rebsorten zu finden. Zu viele Experimente, nichts, das es nicht gibt – beide Rebsorten stiften reichlich Verwirrung und beide Rebsorten kommen nur schwer aus der Nische heraus – aus Sicht internationaler Konsumenten, nicht der Perspektive von Produzenten oder Fanboys.
- Es ist gerade 22 Jahre her, da standen den 60.000 Hektar Riesling auf der Welt nur 45.000 Hektar Sauvignon Blanc gegenüber. Während beim Riesling der Bestand stabil blieb, hat sich der Sauvignon Blanc mittlerweile verdreifacht und den zweiten Platz hinter König Chardonnay (über 200.000 Hektar) vom Riesling übernommen. (Anmerkung: hier fehlen alle weißen Trauben, die nicht ausschließlich zu Wein verarbeitet werden).
- Den nächsten Turboboom erleben wir derweil beim Grauburgunder. Der war mit 18.000 Hektar in das neue Jahrhundert gestartet und zeigt dem Riesling schon seit 2017 die Rücklichter.
- Dass der Riesling in Deutschland nicht schrumpft, liegt daran, dass die Winzer noch jede Menge Müller-Thurgau-Flächen umpfropfen oder roden und neu bepflanzen müssen. Erst wenn dort überall Grauburgunder steht, werden sich die beiden Sorten im direkten Duell gegenüber stehen. Grauburgunder wird da schon längst das dritte Mitglied im Club der 100.000er (Hektar) sein. Dabei hatte sich das doch eigentlich der Riesling vorgenommen.
- Von den zehn teuersten trockenen Weißweinen außerhalb des Burgunds kommen je nach Zählart sechs bis neun aus Deutschland. Ja, das sind Versteigerungs-GGs, aber welcher ausländische Konsument versteht das schon. Es steht doch GG drauf, also wird auch ein GG drin sein. Das zeichnet aber eventuell bei überseeischen Verbrauchern das Bild, dass die ganzen GGs für 80 Euro sowas wie ‚kleine Rieslinge‘ sind. Welche Auswirkungen kann das haben?
Erfolg trotz oder wegen des Rieslings
Dass die Kakophonie dem Erfolg im Wege steht, sah auch der zweite Redner des zweiten Tages so. Michael Moosbrugger von Schloss Gobelsburg brachte es unter anderem in einer griffigen Formel unter: ‚Herkunft ist kein Ego-Trip.‘ Während die Formulierung laut beklatscht wurde, ging der darin leise formulierte Pessimismus unter. ‚Hier sind so viele Winzer, wieso diskutieren die jetzt nicht die Implikationen dieses klugen Satzes?‘ fragte ich mich, nur um keine fünf Minuten später gleich das nächste Beispiel für eine ausgelassene Gelegenheit zu erleben. Ein Mitarbeiter des schwedischen Alkoholmonopolisten habe ihm erklärt, dass schon bald nicht nur ein Bio-Siegel für die Teilnahme an Ausschreibungen nötig sei, sondern auch Nachweise der Nachhaltigkeit. Werden also bald PiWis den Riesling aus dem für ihn so wichtigen skandinavischen Markt drängen, weil sie umweltschonender produzierbar sind? Wäre eine interessante Diskussion gewesen.
Auch wies Moosbrugger ausdrücklich darauf hin, dass die besten Rieslinge aus den besten Lagen der Riesling-Nationen stammen und noch nicht ausreichend diskutiert ist, welchen Anteil die Rebsorte und welchen die Lage hat. In seinen Worten klang das so: ‚Aber wir sollten uns auch bewusst sein, dass die Rebsorte Riesling möglicherweise auch ein Ablaufdatum hat. Klimatische Veränderungen und Umweltschutz könnten dazu beitragen, dass unsere Weingärten und deren Ausdruck vielleicht einmal durch eine andere – neue Rebsorte zum Ausdruck kommen könnte.‘ Was für ein unerhörter Gedanke! Doch dieses mal moderierte der Vortragende selber das Thema ab, indem er hinzufügte, ‚Aber bis dahin wird nicht nur viel Wasser die Donau und den Rhein hinunter rinnen, sondern auch viel Riesling durch unsere Kehlen.‘ Damit war die Vertanstaltung geschlossen.
Neues Gesetz, neue Chance?
Die kommende Neuordnung der Weinlandschaft über geschützte Ursprungsbezeichnung böte die Möglichkeit ordnend einzugreifen, zum Beispiel durch das Verbot von schmeckbarer Botrytis oder Holz in trockenen Rieslingen, die nicht einschlägig als ‚Reserve’ gekennzeichnet sind, wie es die Österreicher beim Veltliner mit Erfolg vorgemacht haben. Die verpflichtende Deklaration von Zucker und/oder Säure böte Chancen (oder Risiken?). Abstufungsverbote bei Prädikaten (also faktisch Obergrenzen beim Mostgewicht von Kabi und Spätlese) könnte manch Missgriff verhindern. Chancen fördern dürfte auch eine globale Harmonisierung der Begriffe off-dry, demi sec, halbtrocken und feinherb, die Deutschland als größte Erzeugernation anschieben müsste. Es gibt viele weitere Stellschrauben.
Die Gebietskörperschaften werden sich damit schwer tun, weswegen Organisationen wie der VDP oder Initiativen wie ‚Maxime Herkunft‘ mit gutem Beispiel vorangehen könnten. Ein erster Schritt wäre wohl eine offene Diskussion, zum Beispiel auf dem Riesling-Forum, denn da kann man sich austauschen mit denen, die schon so manches ausprobiert haben, etwa mit den Elsässern über ihre ‚Zuckerampel‘ oder mit Südafrikanern über Ihre W.O.-Erfahrungen. Leider lud das Format nur bedingt zu Diskussionen ein und leider waren sich die Teilnehmer nicht einig, ob das Symposium Nabelschau oder kritische Reflexion sein sollte.
Mit SWOT zum Erfolg?
Die Mehrzahl der deutschen Winzer bezeichnet Marketing gerne als Teufelszeug (und meint dann eigentlich Werbung). Marketing stellt aber sinnvolle Werkzeuge für handwerkliche Erzeuger zur Verfügung. Eines ist die SWOT-Analyse, die hilft, die Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken/Bedrohungen eines Produktes wie etwa des Rieslings zu benennen. Diese SWOT-Analyse fehlt vielleicht im Markt. Das dürfte auch ein Grund sein für die Stagnation des Rieslings in der Anbaufläche. Angesichts des Titels hatte ich mir eine solche SWOT-Analyse vom Symposium erhofft. Die Stärken waren hinreichend zu schmecken und fanden ihre Erläuterungen auch in Prof. Schultz’ Vortrag. Die Schwächen hatten wir durchaus gelegentlich im Glas, etwa bei einigen der angestellten 2018ern, bei 2010ern und 2003ern.
Leider kamen bei diesen Weinen die Winzer nicht zu Wort, um mehr über deren Entstehungsgeschichte zu berichten. Das hätte eventuell geholfen, die klimatischen Risiken in Chancen zu verwandeln. Auch Stimmen von Winzern, die schwierige Jahrgänge gut gemeistert haben, hätte ich spannend gefunden. Auf der theoretischen Seite fand sich das Thema Schwächen in beiden Vorträgen der akademischen Vertreter an Tag 1 gut berücksichtigt. Tag 2 lieferte dann leider nicht die fehlenden Elemente der Analyse: Risiken/Bedrohungen und Chancen. Das Thema Bedrohung hätte wohl nur ein eigenes Tasting behandeln können. Aber wer außer Chuck Norris hätte sich getraut beim IRS in Kloster Eberbach Grauburgunder auszuschenken? Da die weiteren Risiken abmoderiert oder weggejubelt wurden, unterblieb auch die ernsthafte Diskussion möglicher Maßnahmen. Das war nicht im Sinne aller. Mehr als ein Winzer fasste seine Eindrücke mir gegenüber mit ‚Ich hatte mir mehr vom IRS versprochen‘ zusammen.
Trotzdem: Danke, danke, danke!
Darf man sich so kritisch äußern, wenn man eingeladen wird? Ich denke, man muss. Aber man sollte darüber nicht das dicke Danke an die Organisatoren für die viele Arbeit und die großzügige Bewirtung vergessen, sowie an all die Winzer, die ganz tief in ihre Schatzkammern gegriffen haben. Außerdem sollte ich noch offen legen, dass ich in diesem Jahr bereits drei Mal für die Weinwirtschaft geschrieben habe, Frau Wrann also eine Auftraggeberin für mich ist. Aber wer bis jetzt noch nicht begriffen hat, dass mich weder Aufträge noch Bewirtungen oder Weinraritäten korrumpieren, der wird es auch nicht mehr.
Wein gab es natürlich auch zu beschreiben. Und was für welchen!
Tasting 1
EVA FRICKE | 2020 | LORCHER SCHLOSSBERG RIESLING | Fruchtig-florale Nase, am Gaumen deutliche süße (feinherber Eröffnungswein), leicht schmelzig, was im Abgang durch Gerbstoff gut gepuffert wird, wenngleich mir noch ein kleiner Tick Säure fehlt, damit es vollends vibrierend-lebendig wirkt. Sehr hübscher Auftakt, so geht Frühstück! |
WEINGUT DR. RANDOLF KAUER | 2018 | BACHARACHER KLOSTER FÜRSTENTAL RIESLING SPÄTLESE TROCKEN „ALTE REBEN“ | Würzige Nase mit Frucht und blondem Tabak, saftiger Antrunk mit klarem Apfel, dann ein sehr angenehmer, kleiner Bitterton, der die mittelkräftige Säure gut unterstützt, würziger, leicht malziger Abgang. Das macht wahnsinnig viel Spaß. Kann vielleicht noch liegen, muss aber definitiv nicht. |
WEINGUT SECKINGER | 2018 | DEIDESHEIMER KIESELBERG RIESLING „WURZELECHT“ | Das hat eine Frische, gelbfruchtige Klarheit und einen Zug, wie man es aus 2018 nur sehr selten findet – ein helles Glöckchen im Konzert der tiefen Brummtöne, obwohl das Holz hat. 2 Gramm Zucker bei 12,5% Alkohol, da wirken auch die relativ verhaltene Säure sehr erfrischend. |
WEINGUT BISCHEL GBR | 2018 | SCHARLACHBERG RIESLING GG VDP.GROSSE LAGE® | Relativ klassische Nase, dezent malzig. Im Antrunk saftig, kernig, dann aber zum Abgang hin warm, schmelzig und von reifer Frucht (mürber Apfel) geprägt. Im langen Abgang eine schöne Phenolik, aber die Gesamtanmutung ist eher üppig und etwas schwer. Toll, aber ich würde auch hier nicht ewig mit dem Trinken warten. |
WEINGUT EMRICH-SCHÖNLEBER | 2018 | HALENBERG RIESLING GG VDP.GROSSE LAGE® | Reife, warme Nase mit Aloe Vera und üppiger Frucht. Ich muss mir vorwerfen lassen, ein Halenberg-Fanboy zu sein, aber selbst durch die rosaroteste Brille betrachtet: da fehlt Spannung, da fehlt Lebendigkeit, da fehlt ganz viel (zu einem Weltklassewein). Ist natürlich trotzdem ein ziemlich guter Wein mit feiner Phenolik und ordentlichem Spiel. |
WEINGUT PHILIPP KUHN | 2018 | SAUMAGEN RIESLING GG VDP.GROSSE LAGE® | Die Nase ist frisch und zitrisch, der Wein hat Körper, ist leicht saftig, staubtrocken (0,9 g RZ) und hat trotzdem süße Frucht, die Säure ist akzentuiert aber nicht beißend – und doch ist der Wein nicht groß, weil er aromatisch etwas unterkomplex und insgesamt ein bisschen flach ist. Wenn das GG in der Reife auffächern sollte, wird es mal ein großer Wein, ich bin aber vorsichtig pessimistisch. |
LESEHOF STAGÅRD | 2018 | „STEINZEUG“ RIESLING | Das startet wunderbar und endet grausam, worauf man bei genaurem Hinriechen vorher hätte kommen können. Viel flüchtige Säure, die am Gaumen ebenfalls zuschlägt, bevor ein deutlicher Acetaldehyd-Ton im Abgang den Tiefpunkt markiert. Gefällt mir überhaupt nicht, aber das kann auch ein Flaschenfehler sein. |
WEINGUT KARL HAIDLE | 2018 | PULVERMÄCHER RIESLING GG VDP.GROSSE LAGE® | Der letzte 2018er im Feld tröstet mich ein bisschen. Saftig, gelbfruchtig, feine Phenolik, fester Kern, noch nicht voll entwickelt – so sollte ein drei Jahre altes GG sich im Idealfall präsentieren. Das ist etwas unzugänglich, aber wunderbar! |
WEINGUT SCHÄTZEL | 2017 | ÖLBERG RIESLING GG VDP.GROSSE LAGE® | Deutlicher Stinker in der Nase, krasse Säure am Gaumen, eher zarte Aromatik, schönes Spiel von gar nicht so wenig Zucker mit ganz viel Säure. Die Rahmendaten (11,5% Alk) klingen nach einem Leichtwein, aber das hat auch so eine Andeutung von Tiefe, die mich glauben lässt, dass das zu großem Spektakel heranreift. Ich habe die Verkostung kurz unterbrochen und online 2 Flaschen gekauft. |
WEINGUT DAUTEL | 2017 | STEINGRÜBEN RIESLING GG VDP.GROSSE LAGE® | Das ist frisch, hat eine zackige Säure, aber auch Schmelz, wirkt sehr trocken, hat Kraft und Körper und schiebt zum Abgang kreidig nach. Kann auf eine völlig andere Art als der Schätzel auch mal großartig werden. Ist jetzt verschlossen, aber nicht abweisend. |
WEINGUT MARTIN & GEORG FUSSER | 2017 | NO. 1 REITERPFAD RIESLING | Der ordnet sich in der Mitte zwischen den beiden Vorgängern ein, ist sehr frisch und zitrig, schmirgelt kreidig und federt leicht, reicht aber nicht ganz an die Komplexität der beiden heran. Sehr beachtenswert. |
SCHLOSS VOLLRADS | 2017 | GREIFFENBERG RIESLING GG VDP.GROSSE LAGE® | Hat eine ganz schräge Nase mit Schuhcreme und Hagebutte, was sich beim zweiten Riechen einfach als viel neues Holz erweist. Warm, üppig, holzig – mein Nachbar meint, dann kann man auch Weißburgunder trinken, ich finde das ganz spannend, weil die Säure so lebendig ist. Time will tell. |
PETER JAKOB KÜHN | 2017 | DOOSBERG RIESLING GG VDP.GROSSE LAGE® | In der Nase einerseits Frische, andererseits Dosenmandarine, am Gaumen herzhafte Säure, die im Moment sehr dominant agiert. Da muss noch ein bisschen was kommen, damit ich glücklich werde. |
WEINGUT SCHLOSS GOBELSBURG | 2017 | RIED HEILIGENSTEIN RIESLING 1.ÖTW ERSTE LAGE | Süß und warm wirkt der Wein nach den ganzen Deutschen 17ern. Als erster Wein nach den 18ern hätte er es leichter gehabt. 13,5% Alkohol, sicher auch ein bisschen Zucker und eine sehr reife Säure, wirkt einerseits ein bisschen krachledern, andererseits ist das fantastisch charmant, weil die deutliche Phenolik gut dagegen hält. |
WEINGUT WEEDENBORN | 2016 | WESTHOFENER KIRCHSPIEL RIESLING | Wow, der hat dann wieder den Vorteil, dass er nach dem Gobelsburg extrem frisch und straff wirkt, hat aber auch beim zweiten Schluck noch alle guten Eigenschaften des Jahrgang 2016. |
WEINGUT KORRELL | 2016 | „ÉTAPE“ XXI RIESLING | Wunderbar saftig im Antrunk, klarer, satter Apfel und erste Reifenoten, ordentlicher Zug, aber auf der langen Strecke durch den Abgang setzt sich irgendwann der Zucker durch und mir wird der Wein ein bisschen zu süß. Sehr gut und mit noch weiterem Potential, aber im Moment nicht mein Favorit. |
WEINGUT BÜRGERSPITAL ZUM HEILIGEN GEIST | 2016 | STEIN „HAGEMANN“ RIESLING GG VDP.GROSSE LAGE® | Puh, das kann ich nicht ausspucken. Die Nase ist typisch, aber eher jung. Am Gaumen hat das eine Dichte und Tiefe, dass ich Gänsehaut bekomme. Leicht würzige Hefenote, rauchig-malzige Aromen und andererseits strahlende Frucht, perfekte Säure, sehr trockenes Geschmacksbild. Enorme Länge. Das ist groß! |
WEINGUT GEORG BREUER | 2015 | RÜDESHEIMER BERG ROSENECK RIESLING | Helle‘ Nase, die den Wein perfekt ankündigt: gelbfruchtig, straff, allerdings kommt dann auch schon cremige Reife, da ist 2015 deutlich weiter als 2016. Da der Wein aber reichlich straffe Säure hat, hält er die Spur. Großartig, erfrischend, aber vielleicht für manche zu säuregeprägt – ich bin glücklich. |
WEINGUT BATHASAR RESS | 2015 | BERG ROTTLAND RIESLING GG VDP.GROSSE LAGE® | Die Nase ist muffig und stallig gleichzeitig – schwierig. Am Gaumen ist der Wein wild: mittlere Säure, kräftige Phenolik, kräutrige Aromatik plus mürbe Frucht. Sicher nicht Jedermanns Sache, mir gefällt das ganz gut. |
WEINGUT GRANS-FASSIAN | 2015 | HOFBERG RIESLING GG VDP.GROSSE LAGE® | Saftig, erste Reife und deutlich Restzucker, die aber bei 8,2 Gramm Säure auch sehr gut passt. Da ist – trotz 13% Alkohol – eine beschwingte Mosel-Leichtigkeit, die den Wein strahlen lässt. Ob die Begeisterung auch beim zweiten Glas herrscht, vermag ich mit dem Probeschluck nicht zu beurteilen. |
WEINGUT ALZINGER | 2015 | LOIBNER LOIBENBERG RIESLING SMARAGD | Neben der ersten Reifenote finde ich auch leicht laktische Töne, die mich ja meist mehr stören, als den gemeinen Leser. Ansonsten stimmt hier vieles, auch wenn der Wein auf der üppigen (aber nicht süßen) Seite steht. |
WEINGUT MARKUS MOLITOR | 2015 | ERDENER TREPPCHEN RIESLING AUSLESE*** | Klassischer trockener Moselriesling der Oberklasse, mittelstraff, mittlerer Körper, mittlerer Druck, aber alles andere als Mittelmaß, weil das superbalanciert und superelegant wirkt. Feine Mineralik/Phenolik im Abgang. |
WEINGUT DR. LOOSEN | 2013 | WÜRZGARTEN RIESLING GG „RÉSERVE“ VDP.GROSSE LAGE® | Der Wein zeigt schon sehr fortgeschrittene, sämige Reife, die vermutlich eine Mischung aus tatsächlicher Reife, 8,4 Gramm Zucker und Spuren des langen Hefeausbaus sind. Das hat aber auch Klasse, denn da ist große Komplexität. Schönes Spiel mit kräftiger Säure. Ganz wunderbarer Wein. |
WEINGUT SCHLOSS LIESER | 2017 | NIEDERBERG HELDEN RIESLING SPÄTLESE VDP.GROSSE LAGE® | Der Duft vom Buffet weht herüber und mischt sich mit dem Schießpulver im Glas. Am Gaumen eine klasse saftige Spätlese, wie sie im Buche steht. Ich gehe jetzt zum Mittagessen. |
Tasting 2
WEINGUT KNEBEL | 2018 | UHLEN RIESLING GG VDP.GROSSE LAGE® | Große Diskussion weil Stuart Pigott den Wein auf offener Bühne ziemlich niedermacht. Ich fand den Wein in Wiesbaden großartig, schrieb ‚ganz toll’ und fand Knebel konkurrenzlos gut an der Terrassenmosel. Ich habe nichts zurück zu nehmen: Stimmige, leicht würzige, sonst vollfruchtige Nase. Straff, leichter Bitterton, der mir sehr gut gefällt. Ich mag diese leicht malzige Art sehr. Weltklasse ist es aber nicht, denn es hat auch eine ziemlich typische 2018er Note. |
WEINGUT GUNDERLOCH | 2014 | ROTHENBERG GG | Das ist ein sehr schöner, aber immer noch zu junger Rothenberg. Die leicht rauchig-malzige Note der Lage ist nur mittelkräftig ausgeprägt (was mir entgegen kommt), die Frische dominiert, aber nach hinten raus ist der Wein ein bisschen belegt. Mit Reife könnte sich da noch viel tun. |
WEINGUT KATHARINA WECHSLER | 2014 | KIRCHSPIEL | Das ist straff, satt gelbfruchtig, von toller Säure und feiner Phenolik in luftige Niveau-Höhen getragen. Er ist mir im Abgang minimal zu süß, ansonsten ist das ein Gigant. |
WEINGUT WINTER | 2014 | KLOPPBERG GG | Angenehm schmelzig, nach hinten raus aber auch erst lätschert und dann austrocknend – im Kontext brav. Das ist ein guter Wein, der aber eine Liga unter den ersten drei spielt. |
WEINGUT ÖKONOMIERAT REBHOLZ | 2014 | KASTANIENBUSCH GG | Deutlich gereift im Vergleich zu den vorherigen, da schmeckt man auch den Unterschied zwischen dem schraubverschlossenen Wechsler und dem verkorkten Rebholz. In der Nase ist der Rebholz mürbe und alt, am Gaumen ist das sehr würdevoll: reife, satte Frucht, feine, nicht lätscherte Reifearomen, ordentliches Spiel, schöne Phenolik im Abgang. Das finde ich sehr schön und durchaus trinkreif. |
WEINGUT A. CHRISTMANN | 2013 | MANDELGARTEN GG | Die Nase ist eher muffig, am Gaumen sehr straffe Anmutung, guter Druck und erste Reifenoten. Süße Frucht (aber kaum Zucker), kreidige Phenolik und kräftige Säure: das ist ein wirklich großartiger Vertreter dieses überwiegend wunderbaren Jahrgangs |
WOHLMUTH | 2013 | RIED EDELSCHUH | Das hat tatsächlich noch so eine buntfruchtige Anmutung wie ein junger Wein, dann kommt eine mittlere Säure und reifere Frucht ins Spiel, bevor es im Abgang auch würzig wird. Wie immer ganz stark, aber nicht der größte Edelschuh, den ich bisher trinken durfte, allerdings ist die Reise für diesen Wein noch nicht zu Ende. |
WEINGUT H. DÖNNHOFF | 2012 | HERRMANNSHÖHLE GG | Eine ganz typische Rieslingnase, mit nur wenig Reife. Am Gaumen startet der Wein wie die Feuerwehr, satte Aprikose, würzige Noten, doch dann kommt ein ziemlich überraschender Frontalangriff von deutlichen, nicht nur angenehmen Reifenoten. Startet Weltklasse, endet aber nur auf solidem Niveau. Ich könnte mir vorstellen, dass der Wein einfach etwas Luft braucht. 15 Minuten später stellt sich das schon besser dar, aber noch nicht groß. |
WEINGUT HEYMANN-LÖWENSTEIN | 2012 | UHLEN ROTH LAY | Flintige Nase, fruchtiger Antrunk mit noch viel Elan, nach hinten raus lässt die Säure den Wein ein bisschen im Stich und das wird sehr cremig und nimmt Auslesecharakter an. Das kann man auch großartig finden, mich macht das nicht so an. |
WEINGUT REICHSRAT VON BUHL | 2012 | PECHSTEIN GG | Auf der Habenseite: große Frische, schöne Säure, guter Zug und passende (geringe) Süße, Balance und Eleganz. Auf der Sollseite: könnte minimal komplexer sein. Toller Wein. |
WEINGUT LOIMER | 2012 | LANGENLOIS SEEBERG, ERSTE LAGE, KAMPTAL | Aromatisch frisch, helle Frucht und darunter eine passende Reifenote, verhaltene Säure, mittlerer Druck, ein eher leiser Wein, der ganz wunderbar gereift ist. Passt! |
DOMÄNE WACHAU | 2011 | SMARAGD RIED ACHLEITEN | Kräutrig-würzige Nase, viel Schmelz am Gaumen, etwas mürbe Frucht, gediegene Reifenoten, große Harmonie, langes, malziges Finish. Ganz starker Wein. |
WEINGUT STADT KREMS | 2011 | GRILLENPARZ 1ÖTW | Dieser Österreich-Flight ist grandios. Auch dieser Wein ist vollfruchtig, mürbe, leicht malzig, also eher nicht hell strahlend, aber das schiebt auf fantastischer Säure reitend beeindruckend durch den Mund. Auf der dunklen Seite der Macht, aber da gibt’s ja bekanntlich die Kekse. |
WEINGUT SCHLOSS GOBELSBURG | 2010 | TRADITION RIESLING | Ziemlich wilde, leicht flüchtige Nase. Am Gaumen krasse, aber strahlende Säure, aber wie bei einem Deutschen 2010er Riesling bin ich mir nicht sicher, ob sich die Säure nicht zu viel für meinen Magen ist. Das strahlt ohne Ende, aber es könnte auch radioaktiv sein 😉 |
WEINGUT JOSEF SPREITZER | 2008 | WISSELBRUNNEN EG | Der süßliche Schmelz dieses Crowd-Pleasers reift nur bedingt nobel: eigentlich wird der Wein immer leckerer, aber eben auch noch in einem Lebensabschnitt, wo lecker irgendwie nicht mehr das Ziel ist. Leckerer Wein 😉 |
DOMAINE REMY GRESSER | 2008 | KASTELBERG GRAND CRU RIESLINGVIEILLES VIGNES | Die unterliegende Frische ist dem Wein in der Reife nicht abhanden gekommen. Hat noch Grapefruit und einen zarten Bitterton, der wunderbar zur schmelzigen Textur passt, Petrol zieht am Horizont auf. Gefällt mir außergewöhnlich gut. |
WEINGUT GEORG MOSBACHER | 2003 | FREUNDSTÜCK SPÄTL. TR. | Das ist für dieses Jahr hochanständig, weil mit Vergnügen trinkbar. Sahnekaramell und leicht brandig lässt sich nicht vermeiden, aber da ist noch einiges an Leben im Wein. |
SCHLOSS JOHANNISBERG GBR | 1963 | SCHLOSS JOHANNISBERGER ROSALACK FEINE SPÄTLESE | In der Nase erste Spuren von Kaffee, aber auch nasse Pappe, also noch nicht in dem würdevollen Nasestadium zur Vollendung gereifter Weine. Am Gaumen allerdings sind wir da! Die Säure ist elegant, die Frucht durchaus noch hell und strahlend, darunter haben sich alle Reifenoten zu würzigen Aromen entwickelt , inklusive etwas Kaffee und Haselnuss. Die Süße ist dezent, ein ganz zartes Bittertönchen wirkt zusätzlich belebend. Absolut gigantischer Gänsehautwein. |
WEINGUT K. F. GROEBE | 2010 | KIRCHSPIEL RIESLING SPÄTLESE VDP.GROSSE LAGE® | Nicht böse sein, aber alles was danach kommt, braucht eigentlich gar nicht anzutreten. Hier ist das Problemjahr gut gemeistert, nicht zu heftige Säure, ordentliche Süße, gute Balance. |
WEINGUT FORSTMEISTER GELTZ-ZILLIKEN | 1999 | RAUSCH RIESLING AUSLESE VDP.GROSSE LAGE® | Na gut, einer geht noch. Rausch geht eigentlich immer (also die Lage, nicht der Zustand, wenngleich die Lage den Zustand vortrefflich herzustellen weiß). Fantastisch ölige Textur, herrliche Süße und schöne, reife Säure, dazu ein großer Korb exotischer Früchte. Ein Träumchen. |
WEINGUT AUGUST ESER | 2003 | WISSELBRUNNEN RIESLING AUSLESE VDP.GROSSE LAGE® | Das hat eine wunderbare cremige Textur unter der die Säure manchmal etwas spitz hervorlugt und aromatisch finde ich auch ein paar Löcher, aber auf einem sehr hohen Niveau. Das ist eine großartige Auslese. |
WEINGUT CLEMENS BUSCH | 2008 | MARIENBURG RIESLING AUSLESE GOLDKAPSEL VDP.GROSSE LAGE® | Ich finde den Wein aromatisch sehr belegt, geradezu ein bisschen muffig. Die Struktur ist sehr gut, die Textur auch, die Aromatik hinkt deutlich hinterher. |
WEINGUT TONI JOST | 2010 | HAHN RIESLING BEERENAUSLESE VDP.GROSSE LAGE® | Die Säure tut so heftig an den Zähnen weh, dass ich die Verkostung nicht durchziehe, sondern den Wein wieder ausspucke. Das liegt natürlich an der Zahl der verkosteten Weine, sollte aber nicht vorkommen. Die Säure ist einfach heftig. |
WEINGUT AM STEIN | 2008 | STEIN, STETTEN RIESLING BEERENAUSLESE VDP.GROSSE LAGE® | 13 Promille Säure, aber bei 250 Gramm Zucker passt das ganz wunderbar, auch weil die Säure nicht so aggressiv ist. Das zeigt die Anlagen für noch viele weitere Jahre Potential, ist jetzt aber auch ein tolles Erlebnis (wär da nur nicht der 63er gewesen…). |
Hallo Felix,
Danke für den super Artikel. Ich würde mich aber freuen, wenn du die Verkostungsnotizen wieder ohne Tabelle (wie zB in Artikel Teil 1) machst, da das so mobil bei mir auf dem Telefon unlesbar ist. Zumindest für mich taucht da dann von deinen Notizen ein Wort pro Zeile auf und das macht das Lesen sehr anstrengend.
Hi Tobias, die Vorlage war in diesem Fall sehr schwierig formatiert und ich hatte beim zweiten Text einfach nicht die Zeit, die Formatierung händisch rauszupulen. Das wird nicht der neue Standard im Blog, keine Sorge.
Sehr spannend zu lesen. Breuer Berg Roseneck 15 hat mir vor ein paar Wochen auch sehr gut gefallen. So wie du das beschreibst klingt das ja tatsächlich wie die RAF Treffen, die im Podcast beschrieben werden. Also von wegen: Passt schon. Riesling hurra und wer was anderes sagt wird abmoderiert. Schade, aber insbesondere bei Herrn Moosbrugger, dessen Geschäft von Riesling als prestigeträchtiger Rebsorte abhängt, wundert es mich nicht, dass er den Teufel nicht vollends an die Wand malt und lieber am Ende noch ein paar beschwichtigende Worte einstreut.
Hättest du tatsächlich Bingo gerufen, wäre ich sehr traurig, dass es davon kein Video gegeben hätte 😀
Hallo Felix, das ist ja schade, dass der zweite Tag nicht so ergibig war….
Ich habe deinen Punkt mit den teuersten Weißweinen und der Außenwirkung nicht so ganz verstanden. Meinst du, dass die Kluft zwischen G-Max (oder wie sie heißen) und den übrigen Spitzenrieslingen zu groß ist?
Ich schaue gerade die Born to be Wine Folge mit Herr Niewodniczanski, der sehr stark betont, dass der deutsche Riesling wieder preislich an die Spitze muss. Für einige Winzer wäre das sicher toll, aber für uns Verbraucher schlecht. Mein Eindruck ist, dass die Tendenz (auch ohne die kommende Preisteigerung wegen der aktuellen Lage) ohnehin schon dahingeht, dass die „Spitzenrieslinge“ teurer werden. Bei Rings bin ich z.B. jetzt ausgestiegen.
Keine Ahnung, irgendwie konnte ich da deinen Gedanken nicht ganz greifen.
Den Gedanken mit der Kennzeichnung von Holz fand ich sehr spannend, weil ich da auch recht empfindlich bin. Warum aber nicht einfach aufs Rückenettiket drauf schreiben, ob der Wein im Fass oder Tank gemacht wurde, denn mit „Reserve“ hat man ja wieder einen Begriff, der für mich in Richtung der „unübersichtlichen Nomenklatur“ gehört. Glaube Loosen hat ja eine Reserve Linie.
Vielen Dank für deinen Bericht und genieß den Sommeranfang=)
Ich habe keine finale Meinung zum Thema Preise. Niewodniczanski sagt das ja schon seit 15 Jahren und keiner widerspricht. Es findet entsprechend auch keine Diskussion statt. Die Frage, die als erstes auf die Agenda gehört: Ob Pseudoraritäten, die mit teils fragwürdigen Auktionsmethoden in die Liste der teuersten Weine der Welt gehoben werden, den gleichen Effekt haben wie echte Grand Crus, deren Preise über einen globalen Sekundärmarkt ausgehandelt werden? Und was sagt es aus, wenn 500.000 Flaschen GG preislich durch die Decke gehen, der Rest aber gerade vom Grauburgunder aus den Regalen verdrängt wird. Wie kann es sein, dass sich die Preise für trockene Spitzenrieslinge binnen 10 Jahren verdoppeln, die Fläche des Rieslings aber nicht wächst (weil es eben Mondpreise für Pseudoraritäten sind?). Es gibt da reichlich Ungereimtheiten. Ich habe nicht den Anspruch alles richtig deuten zu können. Ich finde es nur spannend, dass jedes Mal wenn ich es anspreche, ein Raunen durch die Leserschaft geht und auch manch Produzent sich meldet, danach sich aber alle ganz schnell wieder hinlegen 😉
Die van Volxem Folge hab ich auch neulich gehört und war etwas schockiert wie Herr Niewodniczanski wahrgenommen werden will. Gerade der Vergleich mit dem einen Mann, der seine Frau von dem van Volxem Stand wegholt als er sieht, dass die Weine unter 50€ kosten fand ich wirklich schwierig. Das zementiert doch nur den Eindruck, dass Wein doch Mittel der Distinktion ist und es nicht notwendigerweise um die größtmögliche Qualität, sondern vielmehr um das größtmögliche Prestige geht um bei den „1%“ anzukommen und nicht beim Rest. Da ich noch nicht seit 15 Jahren im Wein drin bin, kann ich nicht einschätzen wie sich diese Wahrnehmung entwickelt hat, aber zumindest Herrn Niewodniczanskis Auftritt bei diesem Podcast hat mich jetzt nicht direkt positiv beeinflusst mal über die Guts- und Ortsweine hinaus zu probieren. Er sagt ja da sinngemäß auch, dass man natürlich nicht die GGs kaufen muss, da er ja auch schon für den „normalen“ Weintrinker gute Weine produziert. Aber wenn ich ehrlich bin hab ich da bisher nur schwer durch den massiven Schwefelschleier durchschmecken können.
Sicherlich ist Herr Niewodniczanski nicht der einzige deutsche Winzer der diese Meinung vertritt, aber andere schaffen es vielleicht einfach ein bisschen das indirekter zu kommunizieren/ einfach die Preise ohne Begründung nach oben zu schrauben.
Nun muss ich den Mann aber ein bisschen in Schutz nehmen. Der brennt für Riesling und der zeigt ein bewundernswertes Engagement – 24/7! Er geht anders an die Sache ran, denn er hat einen eher mondänen Background und er posiert nicht im Blaumann mit Gummistiefeln. Ich finde das durchaus authentisch. Das fördert natürlich einen gewissen Neid zutage, zudem erzählt er manchmal Geschichten, die fachlich nur so semi-richtig sind. Aber, er hat viel was geleistet, nicht nur für sich und sein Weingut, sondern für den Riesling insgesamt. Die GGs sind ja wirklich in en letzten fünf Jahren überwiegend großartig. Die normalen Weine habe ich nicht so auf dem Radar.
Aber ja, vieles von dem, was er macht, hat mit dem normalen, traditionellen Familienweinbau nix zu tun. Und ich glaube, diese Entkopplung, diese Manifestation einer Riesling-Parallelgesellschaft, deren Protagonisten Leute wie Loosen oder Niewodniczanski sind, ist nicht immer hilfreich. Leute wie Jauch oder Weil machen das IMHO etwas geschickter.
Ich wollte eigentlich nur sein Verständnis von der Zielgruppe seiner Weine hinterfragen. Nicht jeder Winzer muss seine Weinberge eigenhändig bearbeiten, wenn er nicht will. Ich wollte auch nicht sein Engagement oder seine Leidenschaft für Riesling kritisieren. Aber wenn man seinen Fokus nur auf den Montrachets und Petrus‘ hat verliert man irgendwie doch sehr an Bodenhaftung und entschwindet in elitäre Kreise, in denen ich mich einfach nicht bewege. Womöglich bin ich aber wirklich einfach nicht Zielgruppe. Das ist dann schade aber nicht zu ändern, was auch nicht mal so schlimm sein muss. Es gibt ja auch andere Winzer die großen Riesling machen.
Ich habe es wie du aufgefasst. Er als Person kommt ja durchaus auch als sehr verantwortungsbewusster Unternehmer rüber und engagiert sich gegen rechts usw. Mir scheint er möchte eben gerne die deutschen GGs auf einer Stufe mit den teuren Franzosen sehen. Das wäre toll für Riesling als Rebsorte und das Ansehen deutschen Weines etc. aber naja…..ich bin sehr froh, dass deutsche Spitzenweine in der Breite noch bezahlbar sind. (50€ sind ja auch schon echt nicht wenig). Aber hey,…..wenn er es eines Tages dahinschafft freue ich mich für ihn. Um mal den Bogen zum Artikel zu spannen: Man muss ja auch mal sehen, wie sich das mit Angebot und Nachfrage für teure, gute Rieslinge abseits der wirklich großen Namen entwickelt. Es bleibt spannend.
Abgefahren finde ich, dass er zwar in dieses alberne Horn stößt, Riesling müsste der weltteuerste Wein werden, dann aber eine sehr moderate (und wie ich finde kluge, der Mann war halt mal Marketingleiter) Preispolitik mit seinen eigenen Weinen fährt. Pergentsknopp kostet 59, alles andere unter 50. Er macht ja gar nicht mit, bei diesem Versteigerungskokolores.
In besagtem Podcast gesteht er ja ein, dass er diese Entwicklung mit den Super-Premiumweinen verschlafen hat. Aber er hat ja schon ein paar „dicke Dinger in der Pipeline“ (oder so ähnlich). Schaun wir mal in ein paar Jahren. Aber richtig, auch wenn die Basis deutlich angezogen hat, im Schnitt ist VV doch eher günstig.
Ich hatte Deine Ausführungen auch nicht als despektierlich wahrgenommen, sondern als durchaus berechtigte Kritik. Ich wollte in dem Zusammenhang einfach noch ein bisschen Kontext hinzufügen, gerade weil er gelegentlich über das Ziel hinaus schießt.