Manche Themen beschäftigen mich so sehr, dass ich sie mit einem Blogpost alleine nicht abarbeiten kann. So auch die im letzten Bericht angeklungene Thematik der Preise guter und sehr guter Rotweine aus der Spätburgundertraube. Dazu habe ich die Angewohnheit beim ersten Kälterückschlag des Frühjahres – und der kommt in Berlin so sicher wie das Amen in der Kirche – einen unbändigen Heißhunger auf Pinot zu entwickeln. Und dann war da noch die zum X-ten Male aufgetauchte Diskussion um die Preise deutscher Premiumweine, die auf Mario Scheuermanns hier zu findenden Versuch einer Grand-Cru-Klassifikation hiesiger Spitzengewächse auf Preisbasis folgte. Beim Griff zu einem Spätburgunder GG aus dem Hause Knipser war also viel Unterbewusstsein im Spiel.
Die Knipsers gehören zu den bezahlbaren Produzenten der ersten Liga deutschen Pinots. Sie können sich vor positiver Presse kaum retten. Ihr Kirschgarten GG hat auch international schon häufig für Furore gesorgt, weswegen es wohl in einer Liste deutscher Grand Crus, die nicht lediglich Verkaufspreise zugrunde legte, einen gesicherten Platz hätte. In meinem Freundeskreis stoßen ihre Weine aber nicht nur auf Begeisterung und bei einigen Blindproben der jüngeren Vergangenheit landete das eine oder andere Knipser GG lediglich im Mittelfeld, Tenor jeweils: das ist ein bisschen viel des Guten. Und das ging mir auch beim Mergelweg GG aus 2005 durch den Kopf, als ich einen ersten Schluck aus der frisch geöffneten Flasche nahm. ‚Hui, das ist sehr viel Kraft, sehr viel Holz, sehr viel Alkohol!‘
Studieren geht über probieren
Nun trinke ich zuhause meine Weine und probiere nicht nur und sie reichen meistens mehr als einen Abend. Der Mergelweg machte schon nach zwei Stunden deutlich mehr Spaß und am zweiten Abend ergab es sich dann, dass ich den Wein – der die Zwischenzeit im Kühlschrank verbracht hatte – deutlich zu kalt einschenkte. Beim langsamen Erwärmen zeigte sich, dass das GG bei immer noch leicht kühlen 14 oder 15 Grad seinen alkoholischen Schrecken verlor. Das Holz – sonst bei leicht gekühltem Rotwein eher unangenehm – hatte sich zwischenzeitlich veratmet. Was übrig blieb war ein absolut wunderbares Erlebnis. Dass der Wein nach acht Jahren über 24 Stunden in der Flasche noch zulegt, empfinde ich dabei als Qualitätsmerkmal.
Also ist eigentlich wieder alles beim Alten: Spätburgunder ist eine Zicke, wer ihn mit einem Zeitplan im Kopf aufmacht, wird meist enttäuscht, wer ihn öffnet und bereit ist stundenlang auf den optimalen Trinkzeitpunkt zu warten, mit Luft und Temperatur zu experimentieren und auch dann nicht weint, wenn all das nicht hilft, der hat ihn sich redlich verdient: den wundervollen Pinot-Moment.
Knipser, Mergelweg GG, Spätburgunder, 2005, Pfalz. In der Nase unmittelbar nach dem Öffnen viel Holz, rote Früchte, Blut, Leder und Schuhcreme. Das ist eigentlich der Mix, der mich in Verzückung versetzt und an der Nase gibt es auch zu keiner Zeit etwas auszusetzen. Mit der Zeit tritt das Holz etwas in den Hintergrund und wäre nicht ein bisschen Alkohol im Spiel, wäre es eine Weltklasse-Nase. Am Gaumen erst sehr voll, später deutlich eleganter, süße Frucht, Kirsche und dunkle Beeren, spürbare Säure, die den Wein herrlich strukturiert, zunächst etwas brandig und zu konzentriert, mit Luft klassischer und leicht gekühlt dann großartig. Sehr seidiges Tannin, deutliche Röstaromen, sehr saftiger, langer Abgang.
Sehr guter Artikel… die Webweinschule, die du oben genannt hast, nutze ich auch! „Leide“ nämlich unter den gleichen Problem 🙂 Super ARtikel LG Hanny
Eben, „international schon häufig für Furore gesorgt“, da bleibt dann die unsägliche „internationale Stilitik“ nicht aus. Schade!
Mein persönliches Pamphlet zu dem Thema:
http://www.derweinblog.de/stachel-spaetburgunder-maikammer-weinblog/
Ich weiß nicht, internationale Stilistik ist schnell gesagt. Aber bisher kenne ich die nur vom Papier, siehe letzte Geschichte oder die hier: Wenn Schimpansen Rotwein trinken
Ich trinke sehr gerne mal eine Flasche Wein mit meinem Man aber wenn es darum geht zu sagen wer jetzt am besten geschmeckt hat da kann ich leider nie genau sagen was so mein Liebling war.
Vlt. liegt es daran das ich nach der halben Flasche Wein etwas angeschwipst bin oder ich bin einfach Vergesslich was das angeht.
Na, da empfehle ich doch die Webweinschule