Grosse Krug Probe

Krug Grand Cuvée total

Letzte Woche trafen wir uns zu einer sehr lehrreichen Probe: 18 Ausgaben der Grande Cuvée von Krug kamen blind in einer unbekannten Reihenfolge ins Glas. Neun Zweierflights boten uns Gelegenheit, der Seele des wohl teuersten (und nach allgemeiner Einschätzung besten) Non-Vintage-Champagners nachzuspüren.

Krug Grande Cuvée

Die Grand Cuvée ist eine Komposition aus meist über 100 Weinen. Die Grundweine entstehen in weingrünen Barriques, eine malolaktische Gärung wird nie eingeleitet. Beginnt sie von alleine in einem Fass, lässt das Kellerteam sie geschehen. Die jeweils aktuelle Ernte stellt die dominante Partie von mehr als 50 Prozent. Aufgefüllt wird die Melange mit einer dreistelligen Zahl von Reserveweinen aus mindesten zehn Jahrgängen.

Krug Rosé

Ziel der Übung ist aber nicht die Anpassung an einen Haus-Stil, sondern die Erzeugung der möglichst maximal wohlschmeckenden Mischung. Diese liegt dann nach der zweiten Gärung sieben bis acht Jahre auf der Hefe in der Flasche. Über die Höhe der Dosage schweigt sich das Weingut aus. Die Cuvée-Zusammensetzung verrät die Webseite hingegen für jeden Wein detailliert.

Die Cuvée der Superlative

Krug Private Reserve

Zum Empfang tranken wir die einundzwanzigste Ausgabe des Rosé. Ich bemerkte eine sehr schöne Frische, fand ihn leicht beerig, extrem fruchtig, dazu etwas Gerbstoff. Ganz schön, aber erstaunlich normal. Rosé und ich, die Geschichte eines ewigen Missverständnisses. Zur Einstimmung am Probentisch dann Private Reserve 1973. Sehr oxidiert, keine Bubbles, schöner Altwein, aber nur für Spezialisten. Lecker Sherry mit wenig Alkohol, aber was für eine Säure: Trinken will ich das nicht. Muss ich auch nicht, denn die Probe startet.

  1. Flight
    1. Etwas oxidative Nase, viel Haselnuss, Mandel, Buttertoast, nach kurzem Schwenken fantastisch, warm, mürber Apfel. Am Gaumen sehr kräftige Säure, viel Nuss/Nutella, süße Frucht, heftige Säure, tolle Länge. Auf der sauren Seite von nobel. Auflösung: Edition 162, dominanter Jahrgang 2006.
    2. Der frischere, in der Nase etwas Pappe (finden die einen inklusive mir. Andere entdecken Karamell und Sherry), etwas Nuss, viel grüner Apfel und etwas Aprikose. Am Gaumen deutlich einfacher, aber sehr lecker. Beginnt auch diese Nutella-Note zu entwickeln. In der Säure zurückhaltender. Ich finde den super. Ist wie der jüngere Bruder, allerdings zivilisierter in der Säure. (Edition 158, dominanter Jahrgang 2002)
  1. Flight
    1. In der Nase Hefezopf und Haselnuss, leicht röstig. Der erste Eindruck am Gaumen ist etwas einfach, extrem lecker, leicht cremig, schön, bis die Säure zubeißt, und zwar wie ein Terrier auf Steroiden. Wird mit Luft nicht besser, aber es ist eine Magnum und wir können später nachprobieren. (Notiz von später: wird nicht viel besser.) Die Auflösung erklärt vieles: Edition 166 mit 2010 als dominantem Jahrgang.
    2. Frische Nase, etwas kräutrig, nicht besonders, dafür passiert am Gaumen so viel: Sehr bunter Fruchtmix, etwas Exotik/Ananas, stramme, aber schöne Säure, aromatisch ungewöhnlich. Das hört gar nicht mehr auf, Eindrücke zu produzieren. Champagner als Discokugel. Fantastisch. Wird am Ende des Abends von fast allen in die persönliche Top 2 gewählt. (169, 2013)
Farbunterschied Krug
  1. Flight
    1. Wieder diese sehr klassische Nase: Buttergebäck, Haselnuss, hier wieder mit etwas Röstnoten, am Gaumen recht reif, ein interessanter Mix aus mürbem Apfel, reifer Aprikose, leicht buttrig, dazu passt die Säure wie die Faust aufs Auge. Harmonisch, großes Vergnügen. 167/2011
    2. Die Nase ist sehr weit und die Farbe sehr dunkel. Sieht tot aus. Zeigt dann so viel Perlage am Gaumen: Das hätte ich nicht für möglich gehalten. Ein Hauch Firne in der Aromatik wird von anregender Süße eingefangen: Laugen-Croissant, leicht ölig, das spielt so toll. Ganz besonders, ganz wunderbar. 2nd Edition, was Nummer 155 entspricht und Jahrgang 1999 als dominanten Cuvéepartner hat.
  1. Flight
    1. Eher verhaltene Nase, röstig, Rieslingsekt. Sehr fruchtiger Gaumen, auch etwas Holunderblüte, ungewöhnlich, sehr lecker. Bunt, an der Grenze zu banal. Unterkomplex. (168, 2012)
    2. Viel klassischer als 1: nussig, Brioche, üppig, am Gaumen sehr röstig, reif, wieder nussig und üppig. Aber das polarisiert. Anja ist überfordert. Karamellige Butterbazooka (aber definitiv gesalzene Butter) und ich mag das. (161, 2005)
  1. Flight
    1. Aus der Magnum. In gewissem Sinne perfekte Balance in der Nase: Buttercroissant, Brioche, Nuss, Karamell, alles in Maßen und mit Harmonie, aber sonst gar nichts, vor allem keine Frucht. Am Gaumen braucht es eine Weile, dann kommt zum Geschilderten eine sehr schöne Frucht und auch strukturierende Säure. Wenn das einzeln serviert wird, ist das eine Sensation. Im fünften Flight mit je einer Toffifee-Kanone wirkt das wie die fünfte Zeitlupe des gleichen Tores, dieses Mal von der Kamera unter dem Stadiondach. Aber es ist immer noch das Siegtor im WM-Endspiel für ‚meine‘ Mannschaft – schau ich mir immer wieder gerne an. (163, 2007)
    2. Hier ist mehr Frische am Start, mehr Frucht, grüner Apfel, etwas Zitrus, am Gaumen jung, bissig, zitrusfrisch, schönes Süße-Säure-Spiel, vielleicht der jüngste? Leicht kreidig, hat im Abgang Biss, wo die anderen cremig-buttrig sind und das kommt mir sehr gelegen. (170, 2014)
  1. Flight
    1. Ziemliche Altweinnase mit leicht kandierter Aprikose. Am Gaumen keinerlei Kohlensäure, schon erste Kaffeenote, gar nicht meins. (154/1st Edition, 1998)
    2. Auch sehr weit in der Reife, aber hier mit Perlage. Das hat viel Karamell, ist aber sehr trocken und auf eine spezielle Art extrem attraktiv. Schwer zu greifen. Das muss man mögen, aber das kann man auch mögen. Ist auf dem absteigenden Ast, aber ist auch ein Wein, den ich einmal im Leben getrunken haben möchte. (156/3rd Edition, 2000)
  1. Flight
    1. Das riecht nicht so angenehm, etwas gemüsig/diffus, am Gaumen finde ich das auch etwas wild. Kann hier gerade gar nicht mithalten (160, 2004)
    2. Wieder mal das klassische Paket in der Nase, schön gereift, aber im Vergleich zu den anderen kompletten Paketen etwas einfach. Viel Karamell am Gaumen. Mandeln. Ich hätte gerne etwas mehr Säure. (159, 2003)
Krug in jung
  1. Flight
    1. Magnum. Sehr röstige Nase, am Gaumen frisch, sogar leicht dropsig, zitrisch, schönes Süße-Säure-Spiel. Die Textur ist leicht ölig, die Säure sehr nachhaltig. Das wird eine fantastische Entwicklung nehmen, so viel habe ich jetzt gelernt. Aktuell ist das eher ein bisschen aufdringlich, auf allerhöchstem Niveau. Perlen vor die Säure, davon jetzt eine Magnum aufzumachen 😉 (164, 2008)
    2. Kommt da anfänglich nicht ganz mit, die Nase sehr verhalten, am Gaumen dann aber sehr elegant auf der vollmundigen Seite. Viel Stoff, reife Frucht, darunter auch Phenolik. Hier will ich gar nicht darauf warten, wie Karamell & Co. zuschlägt. Wenn ich einen Wein empfehlen soll, für das erste Krug-Erlebnis, dann dieses Eleganzwunder von der vollmundigen Seite – und zwar jetzt. Grandios!!! (172, 2016)
  1. Flight
    1. Wahnwitzig schön. Hier finde ich jetzt die Balance aus der ganzen Röstnussnummer mit satter Frucht, Apfel, Aprikose, Beeren, die Säure ist sehr reif und das passt auch sehr gut. Das ist die etwas reifere Version des Vorgängers und genau so gut. Fantastisch. (171, 2015)
    2. Etwas kandiert in der Frucht, auch etwas karamellig, die Säure reif, Frucht ist auch noch da. Ich finde ihn etwas einfach. Die Säure steht ein bisschen daneben. (165, 2009)

Fazit: Nicht alles muss reifen

Krug Magnums

Die interessantesten Blindproben sind solche, die Daten liefern, die sich stringent interpretieren lassen. Daher war diese Probe ein Juwel. Für mich (und das ist wichtig: FÜR MICH) ergibt sich ein klares Bild: Krug wird mit Reife dominant nussig/röstig/karamellig und verabschiedet sich von Frucht. Zugespitzt: Die gereiften sind (sehr!) lecker – aber nicht mehr. Ausnahmen bestätigen die Regel, sind aber wirklich Ausnahmen. Die jüngeren Editionen der Grande Cuvée von Krug hingegen sind auch in der Frucht vielschichtig, spannend, aufregend und ganz wunderbare Weine. Ich mag sie viel lieber.

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