Der einst als Projektwein von Robert Mondavi und Marchese Vittorio Frescobaldi konzipierte Luce erhält über 25 Jahre nach dem ersten Erscheinen eine eigene Heimat und mit dem ‚Lux Vitis’ einen großen Bruder. Damit soll endlich der Durchbruch gelingen.
Die ersten beiden Super-Toskaner, die ich mir vor vielen Jahren kaufte, waren ein 1998er Ornellaia und ein 2000er Luce. Der Ornellaia entpuppte sich als Fälschung, der Luce war harsch und nichts Besonderes. Mein Interesse an den Weinen der Toskana kam nur langsam in Schwung. Ich habe das Gebiet bis heute nicht besucht. Insofern war ich hocherfreut, als eine Einladung der Frescobaldi-Gruppe zum Besuch des neuen Luce-Weingutes unweit von Montalcino ins Haus flatterte. Als sich diese dann noch mit einem Steiermarktrip kombinieren ließ und der Nachtzug von Graz nach Florenz die CO2-Bilanz in den erträglichen Bereich schob, sagte ich zu und bereitete mich vor. Dabei kam ich um eine Geschichte nicht herum: den Brunello-Skandal, doch dazu später mehr.
Luce della Vite – zunächst ein Joint Venture
Ab Ende der 1970er ging der Amerikanische Megawinzer Robert Mondavi auf große Expansionstour. Dazu suchte er sich Partner aus der Champions-League. Es kamen große Projekte heraus: Opus One mit Philippe de Rothschild, Seña mit Familie Chadwick, der Erwerb von Anteilen an Ornellaia von den Marchesi Antinori und – Mitte der 1990er – der ‚Luce‘ mit Marchese Vittorio Frescobaldi.
Doch anders als viele in diesem Zeitraum lancierten Konzeptweine kam der Luce nicht recht voran. Das mag auch daran liegen, dass er keine eigene Heimat hatte. Als Produktionsstätte diente das Weingut Castelgiocondo, Heimat des gleichnamigen Brunello der Familie Frescobaldi. Aus diesem Weingut stammt auch der ‚Lamaione‘, ein reinsortiger Merlot. Dass nun zwei international für gutes Marketing bekannte Weinunternehmer auf einem Gut, das reinsortigen Sangiovese und reinsortigen Merlot höchster Güte produziert, aus nicht näher spezifizierten Lagen im virtuellen Weingut ‚Tenuta Luce della Vite‘ eine Cuvée beider Rebsorten füllten, hatte wohl für viele Weinfreaks etwas von Resteverwertung. Dass rasch ein Zweitwein ‚Lucente’ dazu kam, vertiefte die Verwirrung. In Deutschland ist eine solche Konstellation – zwei Weingüter teilen sich eine Produktionsstätte – zudem untersagt. Das machte das Konzept Luce hierzulande noch schwerer vermittelbar.
Endgültig problematisch wurde die Geschichte des Luce durch den Brunello-Skandal. Anfang dieses Jahrhunderts kam heraus, dass reihenweise bei Brunello-Weinen der allein zugelassene Sangiovese illegal mit Merlot verschnitten worden war. Fünf Produzenten wurden schließlich zur Rechenschaft gezogen und deren Chefs rechtskräftig verurteilt, darunter auch die Marchesi Antinori und Frescobaldi. Dabei ist die Geschichte in vielerlei Hinsicht eine Farce: Die Verschnitte aus im Produktionsgebiet mit gleichem Aufwand produzierten Trauben dienten der Verbesserung des Produktes. Sie stellten den Konsumenten nicht schlechter (bewirkten auch keine Kostenersparnis). Vermögensschäden oder -vorteile entstanden nirgends, von Betrug konnte also keine Rede sein. Es wurde nur gegen eine ‚Spielregel‘ verstoßen, die es so streng in Deutschland zum Beispiel gar nicht gibt. Hier sind 15 Prozent bezeichnungsunschädlicher Verschnitt grundsätzlich erlaubt.
Stigmatisiert durch Brunello-Skandal
Das war also eine bessere Ordnungswidrigkeit und die in diesem Zuge verhängten Haftstrafen muten maßlos überzogen an. Alle Verurteilten konnten sich im übrigen freikaufen. Merlot aus dem Brunello-Gebiet war danach allerdings noch schwerer als ‚Supertoskaner‘ zu vermarkten. Eine Farce allerdings auch, dass die Familie Frescobaldi sich weitere 15 Jahre Zeit ließ, um die Produktion der verschiedenen Weine räumlich zu trennen. So machten wir uns also auf den Weg von Florenz nach Montalcino, wissend, dass eine vernünftige Berichterstattung ein Ansprechen des Themas ratsam erscheinen ließ, aber andererseits, dass wir als höfliche Gäste des Hauses das Thema ‚Vorstrafen‘ zehn Jahre später auch ruhen lassen könnten.
Als Mondavi Ende 2004 von Constellation Brands geschluckt wurde, übernahmen die Frescobaldis das Projekt komplett. Danach kümmerte sich Lamberto Frescobaldi persönlich zwölf Jahre lang um den Luce. Er lancierte auch den Brunello der Luce-Familie, was das Label etwas heimatverbundener erscheinen ließ. Das Projekt liegt ihm erkennbar am Herzen. 2016 gelang ihm schließlich etwas, was vielleicht einmal als Befreiungsschlag in die etwas verkorkste Geschichte des Luce eingehen wird: er übernahm das in unmittelbarer Nachbarschaft zu Castelgiocondo liegende Weingut ‚Logonovo‘. Das hatte ein Schweizer Investor vor gar nicht langer Zeit gegründet und von Vornherein auf den gleichen Rebsortenmix gesetzt – er wusste wohl, wem er es dereinst verkaufen wollen würde. Frescobaldi passte das weitgehend fertig gestellte Kellereigebäude an seine Vorstellung an und verpflichtete mit Stefano Ruini erstmals einen Vollzeit-Direktor für das Weingut.
Luce: Neustart mit eigener Heimat
Eben jener Ruini kutschierte uns nach der Ankunft durch die Weinberge, zeigte uns die Kalkstein- und Schieferböden, die den Merlot und Sangiovese beherbergen und führte uns durch das hochmoderne Kellereigebäude. Doch letzteres wirkte ziemlich klein. Der Brunello wächst auf nur 5 Hektar, der passt in ein paar große Fässer, die jetzt eine eigene Halle haben. Doch im Barrique-Lager lag nur der Luce. Wo denn der Zweitwein Lucente lagern würde, wollte ich wissen. Der lagere nach wie vor im benachbarten Weingut Castelgiocondo. Auf die Frage, ob man nicht alles hätte trennen wollen, erwiderte Ruini, die Weine würden ja eh alle auf Castelgiocondo gefüllt werden. Da war er wieder, der Elefant im Raum.
Also gab ich die Zurückhaltung auf und fragte direkt nach: warum trennt man nach dieser Vorgeschichte nicht ein für alle mal die Weingüter voneinander und dann innerhalb der beiden Güter die Brunello-Weine von den Merlots wie es ja im Ausbau auf Luce schon der Fall ist? Ruini konnte dazu gar nichts sagen. Er entstammt der italienischen Schweiz und hat den Großteils seiner Karriere im Medoc gearbeitet, kam über zehn Jahre nach dem Skandal ins Gebiet. Die anwesenden (jungen) PR-Leute schauten ziemlich irritiert und mussten erst in der Zentrale anrufen, weil ihnen meine Frage komplett spanisch vorkam. Am Ende gab es höfliche Ratlosigkeit und das Thema versandete. Spannender waren ohnehin die Weine, die es zu kosten und trinken gab.
Luce
Luce 2016 zeigte eine angenehm fruchtige Nase mit Kirsche und Johannisbeere, präsentierte sich am Gaumen druckvoll mit gut eingebundenem Alkohol und feinem, aber noch sehr frischem Tannin. Insgesamt war der Wein verschlossen, deutete großes Potential an und glänzte mit schöner Säure, an Länge mangelte es aber noch. In der Nase verschlossener präsentiert sich Luce 2012. Am Gaumen zeigte sich das Tannin deutlich reifer als beim 2016er, aber auch noch nicht trinkreif. Die noble Kirschfrucht machte glücklich, aber ihm fehlte die animierende Säure des ersten.
Ein dickes Ausrufezeichen machte ich dann hinter dem 2009er, auch wenn sich die Nase unruhig und leicht gemüsig präsentierte. Am Gaumen sauber, strahlende, rote Frucht und wunderbare Säure machten mich glücklich, ebenso das kräftige Tannin – auch dieser Wein braucht noch etwas Zeit, wohl aber nicht mehr viel. Dafür spricht der wunderbare 2007er, den ich jetzt trinken würde. Die Nase wieder nicht so toll, spielte am Gaumen eine süße Frucht mit schöner Säure, bei kräftigem Tannin, dass sich aber im Laufe des Abends harmonisierte. Im an die Probe anschließenden freien Trinken war dieser balancierte Wein als erster geleert. Der 2000er (sic!) startete am Gaumen cremig mit deutlichen, balsamischen Reifenoten, bevor das Tannin ziemlich grob zupackte. Da ich die Frucht am Optimum und die Tertiär-Aromen gerade noch harmonisch, das Tannin aber viel zu heftig sah, bin ich für den Wein pessimistisch.
Luce Brunello
Drei Jahrgänge gab es am Gut zu probieren, einen vierten hatte ich letztes Jahr im Glas. Mit dem 2014er kam ich nicht klar. Er war angenehm frisch und eher schlank, weswegen er seine 15,5 Volumenprozent nicht verstecken konnte. Dieses mal war es besser als auf der ProWein, aber eben immer noch nicht gut. Der Gutsverwalter ist sehr glücklich mit dem Wein, ich erlaube mir Zweifel. Der nicht gezeigte 2013er hatte letztes Jahr auf der ProWein Begeisterung bei mir geweckt, dieses Mal gab es stattdessen den 2010er und da konnte ich mich nicht beschweren: Was für ein Monument! Intensive Frucht, schöne Säure, viel Druck, auch dank spürbarem, aber hier wohlplatziertem Alkohol und Tonnen von Tannin – dieser Wein wird noch einige Zeit brauchen, aber wie elegant dieser Brecher daherkam, das war schlicht atemberaubend. Der 2007er hatte daneben keine Chance, obwohl er ein sehr schöner, klassischer Brunello ist.
Lux Vitis
Mit der Erweiterung des Rebbestandes entstand die Möglichkeit, die Luce-Familie um einen weiteren Wein zu ergänzen. Einen Jahrgang dieses neuen Cabernet Sauvignons gibt es erst, den Lux Vitis 2015, und ich hatte ihn auf der ProWein im Glas. Da wirkte er noch ziemlich kalifornisch, aber im besten Sinne. Das Weingut bemustert nicht, da es der Jungfernjahrgang mit 6000 Flaschen ist. Eigentlich war ich der Einladung vor allem gefolgt, um diesen Wein noch einmal in Ruhe probieren und trinken zu können. Satte Johannisbeere war immer noch da, aber jetzt machten sich auch die 5 Prozent Sangiovese bemerkbar, die einen Eindruck der Herkunft vermitteln sollen und es auch tun. Trotz Vollreife, 100 Prozent neuem Holz und und 15 Prozent Alkohol fand ich viel Eleganz und eine gewisse Leichtigkeit. Ein Baby, aber ein wahnwitzig hübsches.
Lux Vitis: A Star is born
Nun war ich vor Ort, habe die Weinberge gesehen und die Weine in gereiftem Zustand bei gediegenem Essen auf der Terrasse des Weingutes getrunken, während ein toskanischer Sonnenuntergang uns verzauberte. Geht da noch ein neutrales Urteil? Ich denke schon. Luce ist selten groß, immer aber ein sehr guter Wein. Doch davon gibt es gerade in der Toskana eine Menge, gerne auch zu einem Drittel des Preises. Besser als zu Mondavi-Zeiten sind die neuen Jahrgänge sicher. Dass sie jetzt endlich durchstarten, erscheint mir zumindest in Deutschland fraglich.
Anders sieht es beim Brunello und dem Cabernet aus. Luce Brunello reift sehr ansprechend und kann trotz Preisen zwischen 85 und 100 Euro ein Schnäppchen sein. Hier ist die Konkurrenz nur selten günstiger. Die gezeigten Jahrgänge machen mich zuversichtlich, dass diese Weine nachhaltig einen Platz unter den Spitzen-Brunello einnehmen. Der im Jungfernjahrgang mit 165 Euro schon üppig bepreiste Cabernet-lastige Lux Vitis schließlich könnte das werden, als was der Ursprungswein Luce dereinst von seinen Schöpfern konzipiert wurde: ein international anerkannter Super-Toskaner aus dem obersten Regal, mit Wertsteigerungspotential und Kultstatus – ohne belastendes Erbe.
Eine ganz andere Sicht der Dinge gibt es bei meinem Mitreisenden Ed Richter im wineroom.
Vielen Dank für den Beitrag. Wie ist denn Ihre Sicht auf den Zweitwein Lucente? Gutes Preis-Genuss-Verhältnis oder überteuerte Resteverwertung? Lieber Gruß
Ich weiß gar nicht, ob ich im Leben schon mal einen Lucente getrunken habe. Mein Eindruck der Gruppe aktuell ist der eines sehr solide geführten und um Redlichkeit bemühten Unternehmens, das jedem Wein große Aufmerksamkeit zukommen lässt. Klingt arg heilig, ich weiß, aber nun war ich auch zwei mal da und dann traue ich meinem Eindruck irgendwann. Das muss kein toller Wein sein, aber überteuerter Nepp ist es eher nicht.
Also gemessen an dem Umgang mit den Betrügern aus den Reihen der deutschen Automobilindustrie waren die Strafen sicherlich überzogen, dennoch für mich keine Lappalie: Ich kann auch nicht hingehen und jemandem einen roten VW Passat verkaufen, dem Kunden dann einen braunen baugleichen hinstellen und dann sagen: „Der ist sogar noch besser, auf braun sieht man den Dreck nicht so.“ Wenn der Kunde also erwartet wegen einer Regelung 100% Sangiovese zu bekommen, dann hat er die auch verdient. Was ich vom „bezeichnungsunschädlichen Verschnitt“ in Deutschland halte spare ich mir mal an dieser Stelle.
In jedem Fall schön mal was vom Lux Vitis gehört zu haben, vielleicht lege ich mir ein paar davon als Spekulationsobjekt in den Keller und kann dabei wenigstens sicher sein, dass ich nicht in Versuchung komme ihn zu trinken, dafür ist er mir zu „bluechippig“.
Grüße
Alex
PS: Gemäß deiner Theorie ist mein Weinwissen nun übrigens ins Unendliche gestiegen. Der letzte Dornfelder aus meinem Keller ist nun leer 😉 Habe dabei allerdings festgestellt, dass Dornfelder (zumindest dieser) kühlschrankkalt ganz gut trinkbar ist.
Der Vergleich hinkt, weil das braune Auto eine wesentliche Eigenschaft vermissen lässt, es ist nicht rot. Die Beimengung des Merlot war deswegen so schwer nachzuweisen, weil nach 6 Monaten nicht einmal mehr eine Spektralanalyse die Rebsorte entdecken kann, so ähnlich sind die sich. Außerdem hat der Geschmack und die Lagerfähigkeit nicht gelitten. Wenn Du beim Auto bleiben willst: Die haben einen Reifen aus der Gummimischung XY mit den Eigenschaften ABC versprochen, geliefert aber dann einen aus der Gummimischung YX+, dessen Eigenschaften viele Verbraucher sogar noch besser fanden. Leider war die Gummimischung auf der Embargoliste der USA und deswegen kannst Du jetzt mit Deinen Reifen nicht mehr aus Deutschland nach Amerika fahren, was eben nur ein theoretischer Nachteil ist. Hinkt auch noch, aber deutlich weniger als das braune Auto.