Das ist typisch deutsch

Als ich letztens darüber schrieb, dass ich mich immer wieder frage, was wohl typisch deutsch an einem deutschen Spätburgunder sein mag, hinterließ Leser Ralph einen Kommentar, den ich viel früher beantworten wollte. Aber besser spät als nie.

Etwas vereinfacht dargestellt bemängelte Ralph, dass Pinot-Fans mit typisch deutschen Noten negative Assoziationen verbänden, gleichzeitig aber Terroir-Weine verlangten. Deutsches Terroir könne aber eben auch nur deutsche Noten produzieren.

Ich finde, dass man sich dieser Logik nicht verschließen kann und trotzdem muss ich hier einen Einwand formulieren. Eine nicht zu vernachlässigende ‚deutsche Note‘ im Spätburgunder hat meines Erachtens nichts mit Terroir zu tun. Sie kommt vielmehr von Dorn- und Dunkelfelder, der in fünf- bis fünfzehnprozentiger Dosierung so manchem hiesigen Spätburgunder beigemengt wird – und ich bin überzeugt, dass das viel öfter geschieht als der gemeine Weinfreund sich ausmalt und auch von viel berühmteren Winzern, als man denkt. Das ist legal und muss auf dem Etikett nicht vermerkt werden, nicht nur hierzulande sondern fast überall auf der Welt. Aber nur bei uns dürfte die Rolle des Deckweins von Dornfelder und Kollegen übernommen werden.

Ich kenne nur wenige Winzer, die diese Art der Weinbereitung offensiv kommunizieren. Viele räumen es ein, wenn man bemerkt, der Wein schmecke aber, als ob Dornfelder drin sei und manche verneinen es kategorisch. In letzteren Fällen vertraue ich lieber dem Winzer als meinem Geschmack, obwohl ich glaube, dass ich zumindest Dornfelder recht zuverlässig erkenne (Dunkelfelder habe ich nur ein einziges Mal in  einem Leben reinsortig getrunken und das war schon einmal zu viel). Beim folgenden Wein habe ich keine Ahnung, ob er Pinot pur ist, habe den Winzer nicht gefragt und will deswegen nichts behaupten. Als ich ihn trank, fiel mir aber Ralphs Kommentar wieder ein, und dass ich endlich meine Antwort formulieren sollte. Irgendwoher wird die Assoziation wohl gekommen sein…

Jakob Pfleger, Pinot Noir Edition Curator, 2005, Pfalz. In der Nase rote Früchte, ganz viel Himbeere, etwas Kirsche und Johannisbeere, ein bisschen Erdbeermarmelade und dazu Holz und Rauch. Am Gaumen fruchtig, wieder Himbeere und Kirsche, aber auch etwas laktisch (Joghurt) mit gut passender Säure. Deutliche Noten vom Holzeinsatz aber nur zahmes Tannin. Füllig, mollig und rund, ohne alkoholisch zu sein. Langer Abgang ohne besondere Mineralik. Ein Holz-Frucht-Burgunder mit dieser Deutschen Note, die ich nicht unbedingt mit Terroir assoziiere.

Weinrallye #33 – Aromasorten

Aromasorten (oder wenn ich den im nördlichen Zipfel des deutschsprachigen Raumes geläufigeren Begriff verwenden darf: Bukettsorten) spielen in meinem Leben eine ähnliche Rolle wie anspruchsvolle, zeitgenössische Romane. Beim Stöbern oder aufgrund von Kritiken kaufe ich sie mir gelegentlich mit dem festen Vorsatz, sie zu konsumieren, da sie meinen Horizont erweitern werden – und im Idealfall auch noch Genuss bereiten.

Doch wenn es dann daran geht, die nächste Lektüre/den nächsten Wein auszusuchen, kommen sie ähnlich schnell in die engere Auswahl wie der übergewichtige Klassenbeste beim Schulfußball wenn die Mannschaft durch abwechselndes Auswählen aus der Schülerschar entsteht.

Manch guter Roman landet nach zwei erfolglosen Jahren im ‚als nächstes lesen‘-Regal unberührt im großen Bücherschrank und manch Bukettsorten-Kamerad starb schon den wenig heldenhaften Tod der Sauce, des Fischfonds oder gar einer Weissweinmarinade – ich bekenne mich schuldig. Aktuell war da wieder so ein Kandidat. Viel bewegt wurde er in den letzten Jahren in meinem Keller – seitwärts, die Treppe rauf hat er es nicht geschafft.

Und dann kam Robert. In seinem Blog Vinissimus spielt er Gastgeber der Mai-Ausgabe der Wein-Rallye. Er wählte Bukett-Sorten als Thema und bewahrte meinen Kandidaten somit vor dem Tod durch Altersschwäche mit entsprechend würdeloser Entsorgung. ‚Robert, Du bist ein Weinretter‘ möchte ich ihm zurufen, doch einstweilen reicht vielleicht auch ein Pingback.

Drei Dinge qualifizieren meinen Wein: Er ist ein Muskat-Ottonel (die Bukettsorte schlechthin), er kommt aus Roberts Heimat Österreich (so viel Respekt sollte sein) und er stammt von einem Winzer, der eventuell selber an der Rallye teilnimmt (als Sahnehäubchen sozusagen).

Also konnte es losgehen. Musste nur noch der Wein mitspielen. Ich öffnete den gut gekühlten Tropfen, goss ein und hielt die Nase ins Glas. Es kam: Nein, kein Kork (er ist verschraubt) – es kam nichts. Streik war angesagt. Kein Bukett und kein Aroma. Mit etwas schwenken und wärmen kam dann ein Duft von Buchenholzrauch. Der hatte da nichts zu suchen, denn ich glaube nicht, dass der Wein je ein Fass von innen gesehen hat (und wenn, dann ein weingrünes).

Aber zum Glück war das nur ein schwieriger Prolog, wie ihn auch manche Autoren ihren Werken voranstellen, um die unwürdigen Konsumenten abzuschütteln, bevor dann der zugängliche, vergnügliche Teil losgeht (Tellkamps ‚Der Turm‘ lässt grüßen). Es wurde noch ein beschwingtes Weinvergnügen mit Bukett und Aromen, Geschmack und allem, was dazugehört.

Grenzhof Fiedler, Muskat Ottonel, 2006, Burgenland, Österreich. Er riecht zunächst ein bisschen nach Buchenholzrauch. Mit einer Stunde Luft kommen ‚klassische‘ Aromen: Blüten und Muskat (Muskat Ottonel ist einfach schrecklich schwer in Worte zu fassen). Am Gaumen Litschi und Limone im Überfluss. Sehr trocken und sehr leicht. Den ersten Schluck nehme ich auf der Terrasse im Sonnenuntergang und da gehört der Wein auch hin (auf die Terrasse, nicht in den Sonnenuntergang). 12% Alkohol und gefühlte null Gramm Restzucker. Langer Abgang, guter Wein. Erfrischend!

Danke, Robert (Du Weinretter!)

Versuch macht kluch (2)

Rebsorten, die noch nicht offiziell für den Anbau zugelassen und daher als ‚Versuchsanbau‘ gekennzeichnet sind, üben eine große Faszination auf mich aus. Man kann nicht nur ganz neue Geschmackseindrücke sammeln, man kann auch trefflich mit seinen Mittrinkern diskutieren, ob die Welt diese Rebsorte in Deutschland braucht. Ich bin zwar keine maßgebliche Instanz für derlei Fragen, aber das soll mich nicht davon abhalten, mir eine Meinung zu bilden.

Während Jakob Pflegers Cabernet Franc mich neugierig auf weitere deutsche Ausgaben dieser Sorte machte, ist die Gemengelage beim heutigen Kandidaten etwas anders. Es gibt viel Für und Wider, beim Viognier aus der Pfalz vom Weingut Kuhn. Auf der Habenseite steht, dass Philipp Kuhn ein begnadeter Winzer ist und alles, was seinen Horizont erweitert, irgendwann positiven Einfluss auf seine vielen großartigen Weine haben dürfte. Auch kann man zustimmend vermerken, dass keine Zuchtanstalt mehr eine Kreuzung aus Sauvignon Blanc und Grünem Veltliner aus dem Reagenzglas zaubern muss, denn dieser Viognier aus der Pfalz schmeckt wie der Prototyp einer solchen Züchtung. Kritisch kann man fragen, ob man in Deutschland noch eine alkoholstarke Weißweinsorte benötigt, wo doch die diversen Burgundersorten immer öfter mit 14 Volumenprozent daherkommen. Und man kann zweifeln, dass die Welt auf die Vermählung von weißem Pfeffer und Katzenpisse gewartet hat. Denn diese Komponenten von Veltliner und Sauvignon Blanc treffen hier heftigst aufeinander.

Am Ende waren meine Gäste und ich uns einig: das ist ein spannendes Erlebnis, ein gut trinkbarer Wein, wohl investierte Zeit und ein Vergnügen – aber keine Ermunterung, ein neues Fach im Weinkeller für deutschen Viognier zu schaffen.

Philipp Kuhn, Viognier, Qualitätswein aus Versuchsanbau, 2009, Pfalz. In der Nase wirkt der Viognier wie ein besonders blumiger Sauvignon Blanc, Kiwi/Stachelbeere, Katzenpisse, Basilikum, Lavendel und gelbe Früchte. Am Gaumen ist der massive Alkohol recht ordentlich eingebunden, solange man den Wein ordentlich gekühlt genießt. Mit Luft und nur etwas wärme wird er schnell brandig. Der Wein betört mit süßer Frucht – Mandarine, Pfirsich, Grapefruit und Limette. Dazu gesellt sich ein heftiges Pfefferl, was nur mäßig harmonisch wirkt. Der sehr lange Abgang zeigt eine recht charmante, kalkige Mineralik. Für mich ist das ein pfeffriges Fruchtbonbon von hohem Unterhaltungswert. Vielleicht muss man der Schokolade-mit-Chili-Fraktion nahe stehen, um sich von Pfälzer Viognier richtig hinreißen lassen zu können.

Der Archetyp

Es gibt Weine, die sind so gut, dass man stundenlang Aromen aufzählen und Eigenschaften preisen möchte (was ich mir meistens spare, weil ich dann lieber einen Moment die Klappe halte und einfach den Wein genieße). Und es gibt Weine, die sind so gut, dass man gar kein Aroma aufzählen und gar keine Eigenschaften preisen möchte – weil einfach alles stimmt. Im Fußball sagt der Trainer dann, er möge keinen Mannschaftsteil oder Spieler herausheben, denn alle hätten aus einem Guss gespielt, oder so ähnlich. Ich habe seit vier Tagen einen Wein im Glas, den ich mal so beschreiben möchte: Das ist der Idealtypus eines fünf Jahre gereiften trockenen Moselrieslings. Er kommt von der Ruwer, aber geschenkt. Im Fußball könnte man sagen: das ist das Äquivalent zur Leistung der Bayern im gestrigen Pokalfinale. Ich find Bayern scheiße, aber ebenfalls geschenkt.

Karthäuserhof, Eitelsbacher Karthäuserhofberg, Riesling Auslese trocken -S-, 2005, Mosel (Ruwer). Nase: die archetypische Rieslingnase – einfach Schnüffelstoff. Am Gaumen wirkt er schlanker als er wirklich ist, was heißen soll, dass er 13,5% Alkohol vollständig maskiert und nicht überextrahiert wirkt. Geschmacklich trocken ohne karg zu sein, kraftvoll aber nicht zu breit, von einer reschen Säure harmonisch strukturiert und ziemlich saftig. Vibrierend, nervig, stahlig, man kann es sich aussuchen, ich würde sagen: sehr lebendig. Der Abgang ist ausgesprochen lang. Das ist ein großer Wein.

(Weil in vier Tagen doch irgendwann Zeit dafür war und mancher nicht ohne Aromen auskommt: in der Nase Pfirsich und Apfel, dazu immer noch eine kleine Note von Hefe, leichte Kräuterigkeit und ganz dezente Reifenoten; am Gaumen ein sehr ähnliches Bild sowie eine schöne Schiefermineralik mit einer Tendenz ins Rauchige.)

Heymann-Löwenstein, Jubiläumscuvée ‚Alte Reben‘

Jubiläumscuvée R30 sollte der Wein wohl ursprünglich heißen, denn so war er mir vor einiger Zeit vom Gut angeboten worden. Nun ist er als Cuvée ‚Alte Reben‘ geliefert, gefüllt ausschließlich in Magnumflaschen. Also braucht man ein paar nette Mitstreiter oder den Willen, eine ganze Woche lang den gleichen Wein zu trinken (die Alternativen, einen Teil einer Soße zu opfern oder einfach den ganzen Wein in kurzer Zeit in sich hineinzuschütten will ich gar nicht in Erwägung ziehen). Und so stieß ich mit ein paar Freunden dieser Tage auf den 30. Geburtstag eines meiner bevorzugten Riesling-Produzenten an. Herzlichen Glückwunsch Herr und Frau H-L.

Heymann-Löwenstein, Jubiläumscuvée ‚Alte Reben‘, QbA, ohne Jahrgang, Mosel. Eine Verbindung verschiedener Rieslinge aus Schiefer-Steillagen (dem Vernehmen nach aus 2007 und 2008). In der spektakulären Nase tauchen neben üblichen Verdächtigen wie Pfirsich und Rhabarber auch grüne Noten von Paprika und Kerbel auf sowie eine sortenuntypische Note von Anis. Am Gaumen geht es ernsthaft weiter, viel Saft und Kraft stecken in diesem eher halbtrockenen Riesling. Zum schönen Süße-Säure-Spiel kommen Aromen von Kemmschen Kuchen und Rauch sowie  Apfel und Rhabarber. Dicke Mineralik trägt den sehr langen Abgang. Das ist ein Traumwein und bei 30€ für die Magnum ist es das beste Preis-Leistungs-Verhältnis, dass Heymann-Löwenstein in den letzten 5 Jahren auf die Flasche gezogen hat. Er soll nach Auskunft der Winzer 30 Jahre halten. Ich mag nicht widersprechen.