Zwischen allen Stühlen

In den vergangenen zwei Wochen habe ich etwas getan, was ich schon seit langer Zeit nicht mehr getan habe: ich war ein wenig in der Online-Weinszene unterwegs. Aufgrund einiger Verzögerungen bei anderen Projektteilnehmern hatte ich im Büroalltag immer mal wieder ein paar Minuten, um mich mit einem Blick in das eine oder andere Blog oder einem Beitrag bei dieser und jener Diskussion auf Facebook zu zerstreuen.

Doch was ich dabei erlebte, machte mir gleich wieder deutlich, warum mir die arbeitsreiche Zeit lieber ist, in der gerade einmal Zeit für einen eigenen Artikel pro Woche und die Lektüre der Blogs in meiner Blogroll bleibt.

Es begann mit einer erhitzten Diskussion auf Facebook, ob die Deutsche Weinbloggerwelt heillos zerstritten sei, die sich glücklicherweise nur einige Tage hinzog und mehr oder weniger ein Sturm im Wasserglas war. Ich dachte immer, dass diejenigen, die ein Blog nicht mögen, es einfach nicht lesen. Das scheint aber nicht immer so zu sein.

Weiter ging es mit einem Klassiker: dem Korken. Die Diskussion in der gleichen, Weinfreaks genannten Facebookgruppe brachte tatsächlich mal etwas neues, denn es beteiligten sich auch Korkbefürworter, was zunächst für einen facettenreicheren Austausch als das übliche Rindenbashing sorgte. Leider schlugen die Wellen in kürzester Zeit hoch, einzelne Teilnehmer verließen die Diskussion unter Absingen schmutziger Lieder und es zeigte sich die alte Krankheit der Weinszene: zu viele Menschen diskutieren um zu gewinnen, nicht um sich mit anderen Menschen auszutauschen.

Als Reaktion schrieb Manfred Klimek eine kleine Polemik in seinem Weinmagazin Captain Cork, die man amüsant finden kann, wenn man darüber hinweg sieht, dass er eine Menge Behauptungen aufstellt, die zu belegen er vermutlich nie vorhatte. Der Hauptvorwurf war, dass Deutschlands Blogger dem Wein die Romantik nehmen oder die Weinkultur zerstören – oder so ähnlich. Mich erinnerte das sehr an eine verunglückte Glosse eines damals noch recht bedeutenden Weinjournalisten über ,die Spinner in ihren Blogs‘, zu der sicherlich in Dirk Würtz‘ Blogarchiv noch etwas zu finden ist.

Als Zerstörer der Weinkultur betätigte sich selbiger wahrlich nicht, als er in seinem Blog einen ultimativen Erklärungsversuch der neuen VDP-Klassifikation unternahm. Auch der wurde eifrig auf Facebook diskutiert – mit exakt den gleichen Statements, mit denen vor bald zehn Jahren schon im damals wichtigsten und heute nicht grundlos verwaisten Web-Weintreff ,talk-about-wine‘ auf alle eingedroschen wurde, die das GG als großen Wurf betrachteten. Ich habe mir mal die Mühe gemacht zu zählen und habe 71 verschiedene Riesling GGs aus dem vermutlich ziemlich guten Jahr 2007 in meinem Keller gefunden. Damit qualifizierte ich mich in den Augen des Gruppenleiters als Etikettentrinker der Extraklasse – und ich dachte, ich wäre einfach nur neugierig.

Von außen betrachtet, wirkt die Online Weinszene vermutlich wie ein humorloser Klub älterer Herren, zänkisch und in der eigenen Bedeutung gefangen. Das sollte man nicht zu dramatisch sehen, denn wer je auf einer Mövenpick-Weinprobe war, wird zugeben, dass die Offline-Welt von außen betrachtet ebenfalls wie ein zänkischer, humorloser Klub älterer Herren wirkt (die sehen nur nicht so gut aus wie auf Facebook-Profilfotos)

Niemand hat mich persönlich der Ahnungslosigkeit, des Technokratentums oder der Etikettentrinkerei beschuldigt – das wäre auch zu konkret in der Online-Welt, in der niemand je Ross und Reiter nennt. Daher bin ich auch nicht ernsthaft beleidigt. Ich hab‘ mich einfach bei der Gruppe wieder abgemeldet und die Auswahl der Blogs, die ich lese richtet sich nach meiner verfügbaren Zeit. Das erledigt sich alles von alleine. Fehlt nur noch ein guter Wein. Ein Lieblingswein. Mal wieder ein ,Trio‘ von den Schneiders. Die sind vor Jahren mal aus dem VDP ausgetreten – ob sie das gemacht haben, weil Ihnen der VDP damals wie ein Klub zänkischer älterer Herren vorkam, weiss ich nicht. Die Vorstellung wäre mir aber irgendwie symphatisch.

R.&C. Schneider, Weißer Burgunder Spätlese tr. *** trio, 2007, Baden. In der Nase Birne, Aprikose, Quitte, Holz und Rauch – 5 Aromen, mehr schaff‘ ich nicht. Am Gaumen ein bisschen überdreht mit einem Geschmack, den ich nur als Grüner-Apfel-Bubblegum beschreiben kann, kräftige Säure, ziemlich viel Holz, etwas cremig aber vor allem rassig. Die 14% Alkohol sind erstaunlich unauffällig. Nach hinten raus schmeckt der Wein nach Birne, ist etwas kratzig im Abgang, was sehr animierend ist, auch rauchig und vor allem sehr sehr lang – immer noch ein Lieblingswein, auch wenn er sich am zweiten Tag sehr viel cremiger und weniger rassig und dann auch alkoholischer und insgesamt fett (aber immer noch gut) präsentiert.

P.S. Während ich diesen Artikel schrieb, nahm ich parallel an einer wahnsinnig spaßigen Aktion teil, die der Weinjournalist Stephan Reinhardt spontan einberufen hatte. Einem Gewürztraminer-Happening auf Facebook. Das zeigt, welche Kraft die sozialen Medien haben können, wenn sich alle mal locker machen.

Wittmann aufhängen

Vor vielen Jahren begegnete ich einer Frau, die Einkaufstüten sammelte. Dabei ging es ihr nicht darum, möglichst viele Einkaufstüten zusammen zu tragen, die dann alle mit ,Penny‘ oder ,Lidl‘ bedruckt sind, sondern um eine Auswahl möglichst exklusiver Beutel mit Aufdrucken von ,Chanel‘ oder ,Tiffany‘. Diese Tüten, erzählte mir die Freundin, die mich mit dieser Frau bekannt gemacht hatte, schmückten die Wände ihrer Wohnung und wurden voller Stolz ausgestellt. Das war so ziemlich das albernste Hobby, dem ich je in meinem Leben begegnet bin.

Gut festmachen...
Ein merkwürdiges Etwas…

Fast die Hälfte meiner Freunde – das sind diejenigen, die meinen Weinfimmel teilen – sammelt leere Weinflaschen. Dabei geht es nicht darum, möglichst viele Flaschen zusammen zu tragen, die dann mit ,Gallo‘ oder ,Torres‘ bedruckt sind, sondern um eine Auswahl möglichst exklusiver Flaschen mit Aufdrucken wie ,Mouton‘ oder ,Latour‘. Diese Flaschen schmücken die Schränke in den Küchen und Esszimmern meiner Freunde und werden voller Stolz ausgestellt. Das ist so ziemlich das normalste von der Welt und ich würde selbstverständlich mitmachen, wenn – ja wenn ich nicht damals dieser Frau mit den Tüten begegnet wäre und mir außerdem viel zu viele Gedanken darüber machte, wie mein Tun auf andere (weniger weinverrückte) wirken könnte. Ein paar Flaschen zieren einen einzelnen Schrank daheim aber das sind eher besonders hübsche oder solche mit einer interessanten Geschichte als teure und bekannte.

Das wird jetzt anders!

Immer wenn ich denke, ich hätte meine Weinliebhaberei derart übertrieben, dass meine Frau demnächst ihre Sachen packt und sich einen unterhaltsameren Gefährten sucht, überrascht Sie mich mit einem vinophilen Liebesbeweis. So schenkte sie mir einst, nachdem ich mein verabredetes Weinbudget aufs unverfrorenste überzogen hatte und Entmündigung fürchtete, eine Flasche Roederer Cristal, mein erster Wein jenseits der Hundert-Euro-Marke überhaupt (und ja, der steht auf dem Schrank – aber nur wegen der Geschichte). Dieser Tage war es einmal mehr so weit. Ich hatte gerade besonders viel in Sachen Wein unternommen, da kaufte meine sehr viel bessere Hälfte eine Lampe für unsere Küche. Sehr unscheinbar sah sie aus, verlangte aber nach einer Aufhängung, die 25 Kilo tragen kann. Dabei war das Paket nicht besonders schwer.

…entpuppt sich zum Lieblingsspielzeug

Um es kurz zu machen: es ist die perfekte Lampe für mich. Sie nutzt Weinflaschen als Mittel zur Lichtstreuung – ganze 22 Stück sogar. Um sie vernünftig zu verwenden, muss ich also 22 Weinflaschen sammeln und dort hinein hängen. Niemand wird sich wundern, dass ich leere Weinflaschen ausstelle, die Unbedarften werden denken, die hätten zum Lieferumfang der Lampe gehört. Die Insider werden sich stundenlang meine Lampe anschauen und ich kann die Zahl der gehorteten Flaschen mehr als verdoppeln. Das einzige Problem, das ich plötzlich habe, ist ein Mangel an leeren Flaschen. Und wie man die herstellt, weiss ich glücklicherweise. Hier ist gleich mal eine, die in meine neue Lampe gehört.

Wittmann, Riesling Kirchspiel GG, 2005, Rheinhessen. In der Nase von mittlerer Intensität mit Aprikose, Pistazie und getrockneten Kräutern. Ich weiss, dass Steine keinen Duft absondern, aber trotzdem kommt die Assoziation auf, dass der Wein nach Stein riecht. Am Gaumen ist es nicht ganz so extrem: der Riesling ist sehr mineralisch aber nicht mehr als viele Weine dieser Bauart auch. Dazu bietet das Grosse Gewächs feine Frucht (Mandarine, Aprikose, Ananas), viel Würze, kräftige Säure, reichlich Bumms. Aber der Kirchspiel ist nicht übertrieben dick oder konzentriert, 13% Alkohol sind akzeptabel integriert. Das ist alles sehr rund und schön. Was der Wittmann vielen guten 2005er GGs voraus hat ist eine enorme Tiefe. Ich kann mich bei jedem Schluck mehr für ihn begeistern und auch am zweiten Tag verströmt er noch Frische im Glas und erzählt eine neue Geschichte. Das Zuhören lohnt sich.

Käufliche Liebe

Deutschlands Food- und Weinblogger sind dem Kommerz abgeneigt. Ich schrieb vor einiger Zeit über den vergeblichen Versuch einer italienischen Kellerei, gegen Bezahlung ihr annehmbares PR-Video in deutschen Blogs unterzubringen. Während solcherlei Vorgehen in anderen Ländern (und hierzulande in anderen Branchen) so üblich ist, dass es schon einen eigenen Begriff dafür gibt (,Seedmarketing‘), will‘s in der Weinszene nicht gelingen.

Einige Händler und Produzenten beschreiten jetzt einen neuen Weg: Sie heuern Weinblogger als Botschafter, Autoren oder PR-Agenten an. Diese wiederum bringen den nötigen Stallgeruch mit, um in der hiesigen Weinszene etwas zu bewegen und werden lange nicht so angefeindet wie die ,professionellen Kritiker‘ – in der Deutschen Internet-Weinwelt gibt es eine merkwürdige Abneigung zwischen engagierten Laien und professionellen Verkostern, die Außenstehenden kaum zu vermitteln ist.

Einer derjenigen, die mit der Repräsentanz seiner Sponsoren einen Teil des Lebensunterhaltes bestreitet, ist Torsten Goffin, der die Blogs ,Glasklare Gefühle‘ und ,Allem Anfang…‘ schreibt und auch auf Facebook zum Thema Wein aktiv ist. Als er neulich einen Wein zur Verlosung ausschrieb und ein einfacher Kommentar zur Teilnahme am Gewinnspiel berechtigte, meldete ich mich spontan zu Wort. Dass das eventuell Folgen haben könnte, zog ich gar nicht in Betracht – hab‘ sowieso noch nie was gewonnen, dachte ich mir. Doch dann entnahm Torsten meinen Namen aus der Lostrommel und ich erhielt den edlen Tropfen. Was tun? Egal – bedanken, entgegennehmen, trinken, berichten (und zwar das volle Programm) und fertig. Dies ist also der kommerziellste Artikel, der im Schnutentunker je erschienen ist.

Liebevoller Südfranzose,Wein wenn Du kannst‘ lautet der Name des preisstiftenden Händlers und er beschreitet einen neuen Weg in der Weinvermarktung. Die Präsentation des Shops und die Anzeigen sind eher cool und durchgestylt. Den Ansatz, die Weine des Sortiments nach Schlagworten wie Mut, Lust oder Liebe zu kategorisieren, finde ich innovativ, lustig und zum Scheitern verurteilt. Aber da ich vermutlich nicht die Zielgruppe des Händlers bin, hoffe ich sehr, mich zu irren. Denn jeder, der versucht, die Weinwelt ein wenig zu entstauben, ist mir grundsympathisch und meiner besten Wünsche Ziel. Der Wein, den ich gewann, war ein Ch9dP (um auch noch die wahnsinnigste Abkürzung der Weinwelt in diesem Artikel unterzubringen) – eine Weingattung, die fast so viele überteuerte Tropfen bereit hält wie Bordeaux. Dort einen guten zu einem fairen Preis herauszusuchen, ist eine respektable Leistung. In diesem Sinne: Danke Torsten, Danke ,Wein wenn Du kannst‘ – und genug der Werbung…

Domaine du Grand Tinel, Châteauneuf-du-Pape (AOC), 2005, Südfrankreich. In der Nase Kirsche und Blaubeere aber vor allem ein deutlicher Stinker: Kuhstall und Bret – nicht angenehm aber erträglich. Am Gaumen ist der Wein ziemlich trocken, die Frucht in Form von Kirsche ist nicht sehr dominant, Schokolade kommt mir noch in den Sinn, die Säure ist mäßig ausgeprägt, reichlich weiches Tannin machen den Wein voll und geschmeidig, der Alkohol ist gut eingebunden. Der lange Abgang ist sehr mineralisch, der Wein sehr gut. Am zweiten Tag gibt es den Wein zum Essen. Da wirkt er ebenfalls voll jedoch mit mehr Frucht (wieder Kirsche) und kräftiger Säure, schmeichelnder aber auch etwas alkoholischer. Er ist insgesamt ein ziemlicher Brummer, der vermutlich alle Attribute besitzt, die man sich von einem Wein erwartet, der unter dem Stichwort ,Liebe‘ zum Kauf angeboten wird.

Sommerweine vom Möbelhändler

Der Online-Möbelmarkt gilt gemeinhin als letzte Spielwiese, in der sich noch ein Milliardengeschäft etablieren lässt und so versuchen sich gleich mehrere Startups aus dem In- und Ausland daran das ,Amazon für Möbel‘ aufzubauen. Der Händler Westwing, der den Möbelmarkt mit einem brands4frands-ähnlichem Geschäftsmodell aufzurollen versucht, setzt zu eben jenem Zweck auf ein buntes Sortiment, das einen hippen Lifestyle suggerieren soll und neben Möbeln auch Gläser, Designer-Tischwäsche, Pfeffermühlen und gelegentlich sogar Wein umfasst.

Nun traue ich mir eine Menge Dinge zu, jedoch garantiert nicht, dass ich mir Wein auf der Lifestyle-Schiene andrehen lassen würde. Wenn doch nur nicht mein Schnäppchenreflex wäre… Denn zum Grundprinzip bei den meisten Aktions-Shoopingseiten gehört, dass alle Waren unter Normalpreis verkauft werden. Neulich gab es gleich drei Weine von Weingütern, deren Erzeugnisse ich seit langem mal (wieder) probieren wollte. Und weil eine wichtige Voraussetzung für Wachstum die Generierung von ausreichend Kundenadressen ist, werfen Anbieter wie Westwing mit Neukundengutscheinen um sich. So gab es die ursprünglich um einen Euro pro Flasche rabattierten Weine mit weiteren 15 Euro Neukundenrabatt sowie 8% Cashback über qipu (Der guten Ordnung halber: mit diesem Unternehmen bin ich wirtschaftlich verbunden) zu einem Gesamtpreis inklusive Porto der rund 35% unter Weingutspreis lag – und ich erlag der Versuchung.

Matrjoschka verpackt WeinEs gehört sich eigentlich nicht, jemanden, der mich so günstig mit Wein versorgt, dafür auch noch zu schelten, doch was ich einige Wochen später daheim vorfand, nachdem mein Möbeldealer seine Weine geliefert hatte, war eine Sünde. Offensichtlich hatte entweder der Logistiker oder die Winzer die Weine jeweils in Dreierpakete vorsortiert, für diese aber aus irgendeinem Grunde 6er-Versandkartons verwendet. Der Möbelhändler sah sich dann nicht nur außer Stande, diese Weine aus- und umzupacken, beispielsweise in einen 12er-Karton, er hatte auch noch jeden einzelnen Dreierpack in einen großen Möbelversandkarton gesteckt. Am Ende kamen Kartons mit einem Gesamtvolumen von fast einem Kubikmeter bei mir an um 9 Flaschen Wein zu überstellen. Nun denn: ich wollte eh nicht dauerhaft meine Weinbezugsquelle wechseln.

Und das war drin:

WillemsWillems, Weißburgunder, 2011, Mosel. Es ist lange her, dass ich Weine dieses Gutes getrunken habe und sie waren alle sehr gut. Deswegen war ich ganz gespannt auf die erste Begegnung seit vielleicht 5 Jahren. Ich mach es kurz: ordentlich aber nicht inspirierend. Weißburgunder kann leicht etwas ,ordinär‘ sein (ein Ausdruck meines Vaters, den ich mangels besserer Idee übernommen habe). Die Birnenfrucht ist dann eher Dosenbirne und klingt etwas pappig aus, die Nase ist (Achtung, wieder keine Weinsprache) käsig. Damit meine ich keinen Weinfehler, sondern einfach einen Mangel an Spannung und satter Frucht. Dieser Weißburgunder erschien mir so. Durchaus trinkbar aber für einen Snob wie mich nicht reizvoll genug um ihn lange zu studieren. Der Rest wurde verkocht, die übrigen zwei Flaschen sind den Schorletrinkern in meinem Freundeskreis reserviert. Geschmacksache.

Krebs, Hofmann, WillemsWillems
Mit schicken Etiketten fit für den Designermöbelshop

Krebs, Sauvignon Blanc, 2011, Pfalz. Ein Weingut, von dem ich viel gelesen aber noch nichts getrunken hatte – willkommene Gelegenheit dieses zu ändern. Der Sauvignon Blanc ist richtig gut, fast zu gut für mich. Diese ganz puristischen Interpretationen, die richtig schön kratzen, sind mir manchmal sehr angenehm, oft hab ich es aber eher mit den leicht weichgespülten, typisch deutschen Vertretern der Rebsorte. In der Nase Stachelbeere, Gras, Kräuter und Zitrus – extrem grasig. Am Gaumen ist der Weißwein schlank, mit kräftiger Säure, ziemlich trocken und mit reichlich Gerbstoff – er kratzt, was für einen Sauvignon Blanc ja ein gewisses Adelsprädikat ist. Dazu Zitrus, Kerbel, Estragon, etwas Mineralik – eine herbe Schönheit, die mir fast etwas zu herb ist, aber das ist Tagesform. An manchen Tagen habe ich den absoluten Mainstream-Geschmack (dann wäre der Krebs ein bisschen zu viel des Guten für mich) und an anderen suche ich eher das Besondere (dann sollte es ein Wein wie dieser Sauvignon Blanc sein).

Hofmann, Grüner Silvaner, 2011, Rheinhessen. Auch eine Begegnung nach längerer Pause; von Hofmann kenne ich nur den sehr guten Hundertgulden aus 2007. Der Silvaner  hat ob seiner Eigenart, mit Frucht zu geizen, das Potential sperrig zu sein. Dieser hier ist zwar in der Nase eher langweilig, am Gaumen aber ganz und gar nicht sperrig: cremig, milde Säure, grüner Apfel, Pflaume aber auch einfach Weintraube – viel Frucht und harmonische Fülle kleiden den Mund aus. Der Alkohol ist moderat (12,5%, wie bei den anderen beiden Weinen auch), der Abgang lang und fruchtig. Das ist ein sehr schöner Sommerwein für jeden Typ Weintrinker.

Lieblingskinder

Als ich im letzten Jahr aus beruflichen Gründen nach Südeuropa zog, musste ich einige liebe Gewohnheiten aufgeben, unter anderem die, den ersten Sommerabend jeden Jahres mit einem frischen Wein des aktuellen Jahrgangs zu verbringen, bevorzugt einem Sauvignon Blanc vom Weingut Knipser. Immerhin konnte ich auf Weine älterer Jahrgänge zurückgreifen, denn ich hatte einen Teil meines Kellers mitgenommen. Nun bin ich wieder in Deutschland beheimatet, leider jedoch abermals fern meines Weinkellers. Nur mit einem einzelnen Lagerschrank ausgerüstet, musste ich im Frühjahr eine Auswahl treffen, welche Weine mich auf den nächsten Umzug begleiten.

Zu sagen es sei gewesen, als verlange man von einem Vater zu entscheiden, welche seiner Kinder er lieber habe, mag zwar übertrieben sein, aber nur ein ganz bisschen (weil kein halbwegs monogamer Mann auf diese Anzahl Kinder kommt). Jetzt gilt das Prinzip, dass für jede Flasche Wein, die ich kaufen kann, erst eine aus dem Schrank getrunken sein muss. Das schont den Geldbeutel und sorgt dafür, dass getrunken wird, was allmählich dem Verfall entgegen reift. Sehr praktisch und zielführend – aber es macht nur halb so viel Spass.

Um im Bild zu bleiben: die Verbindung mit Mutter Knipser war definitv besonders fruchtbar. Ich habe etliches im Keller gefunden, was seinen Weg in den Schrank fand und auch allerlei älteres. Da ich zum Sommeranfang gerne Sauvignon und Burgundersorten entkorke, bevor im Verlauf des Jahres der Rieslinganteil immer höher wird, waren die vergangenen Wochen regelrechte Knipser-Festspiele.

Knipser, Sauvignon Blanc, 2007, Pfalz. In der Nase ganz unaufdringlich, es dominiert Cassis, dazu kommen ein paar Kräuter. Auch am Gaumen ist das ein unaufdringlicher, schmeichlerischer Wein mit cremigem Mundgefühl – ein crowd pleaser ohne Ecken und Kanten. Am dritten Tag zeigt er sich stark verändert, deutlich knackiger. In der Nase Stachelbeere, Kräuter aber auch Aprikose – könnte blind als Riesling durchgehen. Am Gaumen immer noch Cassis und eine eher milde Säure aber auch Zitrus, dazu wirkt der Wein furztrocken und auch etwas kratzig, wie man es von Sauvignon Blanc erwarten darf. Das wirkt insgesamt straff, der Abgang ist recht lang und schön. Wunderbarer Wein, der keinerlei Altersschwäche zeigt.

Knipser, Sauvignon Blanc, 2009, Pfalz. Verkehrte Welt aber der 2009er ist deutlich säurebetonter als der 2007er. Über den gefühlten Stilwechsel habe ich mich schon ausgelassen, deshalb nur so viel: ich finde den 2007er besser, womit ich mich mal wieder als Mainstream-Weintrinker oute. Die Nase ist klasse: Apfel, Grapefruit, Stachelbeere, Zitronenmelisse, Salbei und ein leichter Stinker von angeschlagenem Feuerstein. Am Gaumen aber ist der Wein von zu heftiger Säure geprägt: sehr schlank, Stachelbeere, Orange, ein bisschen kratzig. Dazu kommt ein Ton, den ich mal als Gemüsebrühe bezeichnen möchte. Der Abgang ist mittellang. Zweifellos ein guter Wein aber für mich nur zweiter Sieger.

Knipser, Grauburgunder Spätlese, 2007, Pfalz. In der Nase Aloe Verea, sehr blumig, süßlich und ein wenig nussig. Am Gaumen ist der Graunburgunder ein Schmeichler: ein bißchen süß, cremig, voll und weich mit sehr milder Säure und Apfel, Birne und Quitte. Auch am Gaumen kommt ein bisschen Haselnuss ins Spiel und ein wenig Holz. 13,5 % Alkohol spielen sich im sehr langen Abgang etwas in den Vordergrund. Am dritten Tag legt der Wein an Komplexität zu, wirkt dann rauchig und tief. Anfänglich fand ich ihn lecker aber simpel, mit reichlich Luft wird er zunehmend spannend.

Auslese Drei Stern 2002Knipser, Chardonnay trocken ***, 2002, Pfalz. Die Nase ist nicht mehr schön, etwas welk, sehr viel Sauerkraut, kaum noch Frucht, vielleicht ein bisschen Mandarine, etwas kräutrig und käsig. Am Gaumen ist der Wein aber noch recht intakt: Mandarine, Birne, Haselnuss, frische Säure, etwas Mineralik, viel Volumen und ein kräftiger Kuss vom Holz. Der Abgang ist lang und fein, der Alkohol von 13 % sehr ordentlich integriert. Am zweiten Tag macht der Chardonnay dann schlapp. Dies ist meine dritte oder vierte Flasche in den letzten vier Jahren und ich habe den interessanten Reifeverlauf eines manchmal großen Weines schmeckend begleiten dürfen. Dass die letzte Flasche den Höhepunkt knapp überschritten hat, kann ich verschmerzen.