Zehn Weinmenschen mit Reichweite trafen sich zur Jury-Verkostung und ich war einer davon. Intensive Begegnung mit einer Herzensregion und noch dafür bezahlt werden – was will ich mehr?
Der Herbst ist die Zeit der großen Endverbraucher-Präsentation ausländischer Weinanbaugebiete. Roadshows mit Weinen aus Regionen wie Ribera del Duero, Rioja, Toskana oder dem Piemont laden Interessierte zu Tastings in Hamburg, Berlin oder München. Um dem Ganzen einen Hauch Exklusivität zu verleihen, greifen die Veranstalter dabei gelegentlich zu einem kleinen Kunstgriff. Eine Jury wählt vorab eine Top 50 oder Top 100 aus dem entsprechenden Gebiet und diese kommen dann zur Verkostung. Der Meininger Verlag, Organisator diverser Weinwettbewerbe wie Mundus Vini, Best of Riesling oder Deutscher Sektpreises, ist einer der großen Spieler in diesem Markt. Doch dieses Jahr fallen die Veranstaltungen Corona zum Opfer und Alternativen müssen her. Das bescherte mir Ende August einen interessanten Job.
Blogger statt Verlag – gerne öfter
Das Consejo Ribera del Duero bat diverse Weinblogger und andere Weinmenschen mit Reichweite zu einer Verkostung nach Düsseldorf. Gesucht wurde ein ‚Blogger Best of’ aus 100 Weinen der Region. Anders als leider viel zu oft üblich stand ein Budget zur Verfügung, die Verkostertätigkeit wurde also bezahlt. Dazu die Offenlegung, dass zu der getroffenen Vereinbarung auch ein bisschen Social-Media-Gewitter sowie die Zusage eines – dieses – Blogbeitrages gehörte. Inhaltliche Vorgaben waren dabei trivial: dieser Beitrag soll mindestens meine Lieblinge nennen und einige Basisinfos zum Gebiet transportieren. Jubel ist nicht vorgeschrieben.
Über das für und Wider eines solchen Geschäfts habe ich ausführlich im Blindflug Podcast Folge 75 sinniert. Ich halte es für eine zukunftsweisende Art der Kooperation. Allerdings funktioniert diese Art der Verknüpfung von Verkostung, Honorar und Publizistik vor allem dort, wo ob der Qualität der zu prüfenden Weine von vornherein klar ist, dass es auch Positives zu berichten geben wird. Womit wir beim Thema wären.
Ribera del Duero – Rotweinpower
Ribera del Duero gehört zu den Luxus-Herkünften der Weinwelt, allerdings mit dem Anwurf, etwas artifiziell zu sein. Viel Geld floss in den letzten 30 Jahren ins Gebiet, Bodegas wurden aus dem Boden gestampft und die Rebfläche mehr als verdreifacht. Doch ist der Vorwurf zu einem guten Teil ein Klischee. Bei einer Reise vor einigen Jahren ließ ich mich bekehren, wie sie hier und hier noch einmal nachlesen können. Wer gar nicht weiß, worum es im Ribera geht, dem sei mein Video aus der Webweinschule empfohlen.
Kurze Auffrischung: 8300 Weinbauern liefern ihre Trauben bei rund 300 Gütern und Kellereien ab, die daraus Wein machen. Der gezahlte Kilopreis ist der zweithöchste in Europa (nach der Champagne) und entsprechend akzeptieren die Abnehmer nur tadellose Ware. Die Erzeuger wiederum können es sich leisten, alles was nicht perfekt ist auf den Boden fallen zu lassen. Im Ergebnis gibt es keine Weine unter 5 Euro und kaum etwas, was sich ‚grausam’ schimpfen lassen muss.
Große Namen – kleine Namen?
Eine Veranstaltung wie die unsere finanziert sich aber aus Meldegebühren, die die teilnehmenden Erzeuger pro Wein an das Consejo entrichten. Es war also zu erwarten, dass vor allem weniger renommierte Erzeuger Weine zur Verkostung schicken würde, was sich nach dem Aufdecken allerdings als Irrtum herausstellen sollte. Pingus war zwar nicht dabei, doch etliches, was wir im Glas hatten, gehört ins oberste Regal. Protos, Pescara, Legaris, manch berühmter Name war dabei und auch ein paar Raritäten. Meinen Favoriten über alles, Auflösung unten, gibt es nicht gerade an jeder Ecke – er liegt preislich auch um die 75 Euro.
Eine bunte Schar versammelte sich also in Düsseldorf zur Jurysitzung, die in zwei Gruppen stattfand. Ich tagte mit Constantin Baum, dem Master of Wine mit eigenem Weinshop, dem Winegirl Jana Kreilein, Weinversteher und Winzertalker Daniel Bayer und Wineblogger Marco Sansalone. Die Zeit reichte neben der eigenen Bewertung auch für einen kurzen Austausch zu jedem Wein. Alle Weine wurden blind serviert, die Rosés kamen zuerst. Die Roten waren grob von jung nach alt sortiert, erst die Jahrgänge 2018 und 2019, dann die ‚großen‘ Weine, bei denen die Jahrgänge bunt gemischt waren. Das Gesamtniveau entsprach nicht ganz meinen Erwartungen, meine Verkosterleistung allerdings auch nicht.
Der Juror als Geisterfahrer
Nach Veröffentlichung des Gesamtergebnisses musste ich feststellen, dass ich, der sich doch eines Durchschnittsgaumens rühmt, elf Mal drei oder mehr Punkte vom Jury-Schnitt abwich. Besonders spektakulär war meine arg strenge Bewertung gleich zweier Siegerweine. Zum einen hatte ich dem 2018er Viña Pedrosa Crianza mit Verweis auf eine etwas zu schlanke Anmutung nur 87 Punkte geben mögen, während die Kollegen ihn mit 92 Punkten auf den zweiten Platz der Kategorie junge Weine hoben, zum anderen lag ich gleich sechs Punkte unter dem Schnitt von 93 Punkten für den Siegerwein in der Kategorie leicht gereift, den 2016er La Baraja Reserva von Vilano. Glücklicherweise wurden meine Irrläufer aus der Statistik gestrichen, denn beim offenen Nachverkosten war ich mir meines Urteils bei beiden Weinen nicht mehr so sicher.
Den umgekehrten Fall, dass mich ein ansonsten ungeliebter Wein hemmungslos begeisterte, gab es nicht. Womit wir bei meinen Lieblingen wären. Echte Begeisterung kam bei den Rosés nicht auf, immerhin der Conde de San Cristóbal Flamingo Rose sowie der Hocicon Rosado von 3 Ases gefielen mir gut. Andererseits: Rosé mit Neuholz kommt mir so selten ins Glas, dass ich noch nicht mal meine Erwartungen definieren könnte.
Teer und Leder – und ein bisschen Druck
Bei den Weinen der Jahrgänge 2018 und 2019 hatte unsere Gruppe wohl das deutlich schwächere Feld. Zu den Top 10 steuerten wir lediglich die Plätze 2 und 10 bei. Ersterer war der von mir verschmähte Pedrosa. Preludio von Sei Solo war mein Favorit mit 91 Punkten bei den jungen Weinen, doch ich lag drei Punkte über dem Schnitt und der Wein schaffte es insgesamt mit 88 Punkten nur knapp in die Wertung. ‚Verhaltene Nase mit etwas Stall und Holz, am Gaumen noch sehr adstringierend, aber mit großartigen Anlagen, tolle klare Frucht, wunderbare Struktur’, so meine Eindrücke. Mit 24 Euro ist das aber kein Schnäppchen.
Bei den leicht gereiften Weinen der Jahrgänge 2016 und 2017 war ich ein weiteres Mal geizig. Für einen Wein allerdings konnte ich mich begeistern: zum Finca el Otero Reserva 2016 notierte ich mir: ‚würzige, leicht gereifte Nase. Reife, aber präzise Frucht, rauchig geheimnisvoll, leichte Teer-Note, feines Tannin und schöne Säure. Eher düster aber großartig.‘ Mit 30 Euro ist das ein exzellenter Weinwert. Etwas besser als die Kollegen sah ich den Virtus 2015 vom gleichnamigen Weingut, der mit nicht mal 20 Euro extrem attraktiv, in Deutschland aber nicht einfach zu bekommen ist. ‚Klassische Nase mit Leder etc. Am Gaumen eine klare Frucht, gute Säure, und allerfeinstes Tannin. Sehr druckvoll, leicht holzig, aber gut proportioniert und vermutlich einfach noch zu jung. Toll.‘
Mit dem Liebling im Hotel
Bei den ‚Granaten‘ hatte unsere Gruppe dann etwas mehr beizusteuern, zwei der Top-3-Weine hatten wir zu verkosten. Nicht ganz wegtragen konnte mich der erste der beiden, Viña Sastre Pago De Santa Cruz Gran Reserva 2014. ‚Minimale grüne Note in der ansonsten klassischen Nase, am Gaumen weich und vollfruchtig, was mir nicht ausreichend von Säure oder Gerbstoff gepuffert wird, dadurch etwas zu üppig, wenngleich auf sehr hohem Niveau.‘ notierte ich mir. Der Nachfolgende Wein hat mich dann zutiefst beeindruckt. ‚Zeigt, wie es besser geht als beim Vorgänger (Anm.: dem Pago de Santa Cruz): üppige reife Frucht gezähmt von röstigen Tanninen und feiner Säure, dazu weitere aromatische Schichten von Gewürzen, Unterholz etc. Großartig’.
Wie großartig dieser 2005er Mirat Gran Reserva von Bodegas Valdeviñas tatsächlich ist, konnte ich ausführlich überprüfen – ich nahm die angebrochene Flasche mit ins Hotel. Auch beim Genuss einer halben Flasche ohne Spucknapf verbarg der Wein seinen eigentlich hohen Alkohol zu jeder Zeit. Ein Wein hatte es mir noch besonders angetan, nachdem ich seinen Preis erfuhr. Mit 35 Euro ein toller Weinwert ist der Expresión 2015 von Resalte: ‚In der Nase etwas Feuerstein und reife Frucht. Am Gaumen sehr lebendig, klare Kirschfrucht, feines Tannin, zackige Säure und sehr dezentes Holz. Packender Wein mit hohem Trinkfluss.’
Ribera ist für mich eine der Herkünfte, deren Weine verlässlich Wucht und Eleganz vereinbaren – mit etwas mehr Wucht als die Rioja und etwas verlässlicherer Eleganz als das Priorat. Das zu überprüfen ist eine solche Blindverkostung die perfekte Gelegenheit. Mein Fazit fällt gemischt aus. Es gibt vielleicht etwas mehr Mittelmaß im Ribera als ich dachte, aber auch mehr Weine mit hervorragendem Preis-Genussverhältnis. Auf jeden Fall ist Ribera del Duero ein Gebiet, das man mit etwas Unterstützung erkunden sollte. Eine dieser Unterstützungen ist definitiv unsere ‚Blogger Best of’-Liste.
Dankeschön für den tollen Blog .
Gerne doch 🙂