Ich habe mir einen Traum erfüllt. Keinen überkandidelten, eigentlich unerfüllbaren oder sonst wie spektakulären. Einen, den viele Menschen haben und sich regelmäßig erfüllen. Aber die Vorbereitungszeit ist verdammt lang, man kann sich 9 Jahre drauf freuen (Glas halb voll) oder muss mindestens 9 Jahre drauf warten (Glas halb leer). Und man braucht einen Keller, nicht irgendeinen, sondern einen geeigneten Keller. Spätestens jetzt haben Sie es erraten, oder?
Wie in diesem Blog hinlänglich strapaziert, habe ich seit dem Jahr 2006 einen geeigneten Weinkeller. Und seitdem kann ich Weine mit dem Ziel kaufen, sie nach einer bestimmten Lagerzeit einer ausgesuchten Bestimmung zuzuführen. 2006 erschienen auch die großen Gewächse vom Riesling aus 2005. Und damals kaufte ich eine ganze Reihe davon. Wissend, dass ich mindestens 10 für eine ‚10-Jahre-danach‘-Probe im Jahre 2015 beiseite legen wollte, waren es ein paar mehr, um die 35 verschiedene. Was 2015 ins Glas kommen sollte, entschied ich im Laufe der Jahre. Das meiste hatte ich mehrfach. Wirkte 2009 bis 2011 ein GG noch sehr jung, wanderte eine Flasche in den Probenpool.
Und nun war es so weit. Ich bin mit Probenberichten zurückhaltend, ein Probeschluck sagt mäßig viel über einen Wein aus. Aber wir probierten halb-blind, das Teilnehmerfeld war bekannt, nur die Reihenfolge nicht. Einen Eindruck vom Jahrgang und seiner Entwicklung konnte ich aus der Probe durchaus ableiten, erst recht, da ich fast alle Weine mehrfach in den letzten zehn Jahren getrunken habe.
Im folgenden also eine kleine Übersicht, teilweise subjektiv, teilweise das Ergebnis der Verkostergruppe.
GG 2005 zehn Jahre danach – das Teilnehmerfeld
15 Weine waren angetreten, der einzige Franke, Stein ‚Hagemann‘ vom JuliusBürgerspital, hatte Kork, die Mosel war nur mit einem Piraten vertreten, einem staubtrockenem Sponti-Kabinett mit 13,5% Alkohol, der in seiner Jugend so wild war, dass ich ihn schon vor Jahren als Pirat eingeplant hatte. Der war aber leider auseinandergefallen und landete auf einem hinteren Platz. Die Pfalz war mit Pfeffingen und Rebholz dabei, der Rheingau in guter Besetzung: Kühns Nikolaus, Künstlers Hölle Goldkapsel sowie der Rottland vom Johannishof. Große Namen kamen auch von der Nahe: Dönnhoff, Diel, sowie die Halenbergs von Emrich-Schönleber und Schäfer-Fröhlich. Die doppelte Lage wiederholte sich in Rheinhessen mit einem Kirchspiel von Groebe und Keller, der außerdem mit einem Hubacker vertreten war. Von Wittmann war die Aulerde dabei. Wenn manchmal nicht die beste Lage des Weinguts zum Einsatz kam, lag dies daran, dass ich irgendwann in den letzten Jahren den Eindruck hatte, die kleinere Lage würde besser passen und die großen (zum Beispiel Wittmanns Morstein) ausgetrunken habe. Detaillierte Notizen, warum die einzelnen Weine im Probenregal landeten, habe ich mir nie gemacht.
Riesling und Alkohol – es geht
Riesling und hoher Alkohol ist etwas, was entweder gar nicht geht, oder zusätzlich mit fettender Botrytis als Wachauer Smaragd zum eigenen Stil deklariert und dann gehasst oder geliebt sein will – so dachte ich zumindest bisher. Aber die 2005er Riesling GGs haben mich schon länger an dieser These zweifeln lassen und mit dieser Probe dann endgültig eines besseren belehrt. Mein an diesem Abend drittliebster Wein, der Rottland von Johannishof/Eser hat laut Etikett 13,5%. Ich gehe aber jede Wette ein, dass der reale Wert (Abrunden ist weinrechtlich erlaubt) ganz nah an 14 liegt. In seiner Jugend war der sehr alkoholisch, zeigte sich später besser integriert und nunmehr vollends harmonisch. Als wäre aus Fett Muskelfleisch geworden – heimlich im Keller trainiert, genau wie der Sieger des Abends, Wittmanns Aulerde mit 14% Alkohol (!). Die vermeintlichen Erzfeinde Riesling und hoher Alkohol zeigen sich im Jahrgang 2005 versöhnt, nach zehnjähriger Friedensverhandlung.
Gut ein Drittel der Weine (inklusive des korkenden und des Piraten) zeigten sich regelrecht unangenehm oder extrem schwach. Von einem blieb viel übrig und ich trank ihn zwei Tage später mit deutlich mehr Vergnügen aus: Kellers Hubacker brauchte (zumindest aus dieser Flasche) einfach mehr Luft, wenngleich er auch dann kein ganz großer Wein war. Rebholz’ Kastanienbusch habe ich um 2010 getrunken und als einen der besten trockenen Rieslinge meiner Weintrinker-Karriere in Erinnerung. Dieses Exemplar war ganz schwach: der Wein ist mit der Reife bitter geworden. Dann gab es einige sehr ordentliche, die ihrem Ruf aber nicht gerecht wurde, allen voran Künstlers Goldkapsel, der zu viel Sahnekaramell und zu wenig Säure zeigte.
Eine Umfrage unter den Teilnehmern ergab: rund ein Drittel der Weine schmeckt mit zehn Jahren Reife deutlich besser als in ihrer Jugend, ein weiteres Drittel bewerteten wir uneinheitlich. Die meisten Teilnehmer hatten etliche der Weine auch in ihrer Jugend getrunken.
Riesling GG 2005 – die Sieger
Mein Liebling des Abends war Wittmanns Aulerde: straff, schöne Säure, zwar fett aber unglaublich strukturiert, richtig trocken, beißend mineralisch und unglaublich lang. Wittmann war mit sehr deutlichem Vorsprung auch Gesamtsieger in der Gruppe. Diels Burgberg und die beiden Halenbergs folgten für mich auf den Plätzen gemeinsam mit dem Johannishof. Die Gruppe hatte Schäfer-Fröhlichs Halenberg auf dem zweiten Platz relativ dicht gefolgt von Diel und mit einigem Abstand vom Johannishof. Im Mittelfeld der Jury dann Dönnhoffs Herrmannshöhle, der andere Halenberg und Kellers Kirchspiel. Und dann war da noch Kühn: die Wertungen reichten vom sechsten (auf meinem Wertungszettel) bis zum letzten Platz mit mehrheitlich schwachen Noten. Ich mochte den Wein, weil er zwar streng, medizinal und brandig ist, auf den zweiten Schluck aber eine Geschichte erzählt, der ich zumindest für ein ganzes Glas zuhören kann. Eine Flasche will ich davon nicht trinken, aber es gibt einen Unterschied zwischen untypisch und misslungen. Ich finde den Wein lediglich ersteres (und anstrengend ist er).
Der Schluss, das Fazit, die Erkenntnis
Die Erkenntnis bezüglich einzelner Weine hält sich bei einer solchen Weinprobe für mich in Grenzen. Aber ein paar Schlüsse will ich ziehen: Die in ihrer Jugend so wilden, lauten Rieslinge von Schäfer-Fröhlich können zu einer Eleganz reifen, die ihre frühe Flegelhaftigkeit konterkariert. Kühn hat seine Rieslinge mittlerweile gezähmt und der gereifte 2005er zeigt, dass das eine gute Idee war. Bleibt das Gesamt-Fazit: Alkohol und Riesling können sich vertragen. Aber im Vergleich zu den leichteren Jahren 2002 und 2004 ist die Quote der Reife-Gewinner deutlich niedriger. Mit eher weniger als 50% der Weine in einem Zustand, der die Wartezeit rechtfertigt, folgt für mich: das muss ich nicht haben. 2005 zeigte einen Witterungsverlauf, den es vorher so nicht gegeben hatte, den wir aber seitdem noch zwei Mal ähnlich erleben durften. 2009 und 2011 sind dem Jahrgang durchaus vergleichbar. Ich werde meine Bestände beider Jahrgänge mehrheitlich vor ihrem zehnten Geburtstag vernichten. Mir reicht eine Verbesserungschance von knapp 40% nicht.
Hallo Felix,
kurz geschlaumeiert aus dem Süden der Republik. Hagemann ist das GG vom Bürgerspital.
Gruß
Jan
Du hast natürlich vollkommen recht. Hier: http://www.schnutentunker.de/alles-luge/ ist er ja auch schon mal beschrieben 😉