Neulich fiel mir beim Aufräumen eine Flasche in die Hände, die mich auf Zeitreise schickte. Zurück in das Jahr 2006 ging es. Eine Phase, in der ich schwer beschäftigt war meinen Weinkeller voll zu machen. Und dabei suchte ich nach Inspiration. Blogs gab es noch nicht (zumindest keine Weinblogs) und die Weinpresse beschäftigte sich zu 90 Prozent mit Schnäppchen für den Alltag oder teuersten Gewächsen, die Mittelschicht wurde vernachlässigt, fast wie in der Politik (Achtung, Ironie!). Ich kann diesen Aspekt des Alltags ganz banal zusammenfassen: früher war mitnichten alles besser. Heute fällt es viel leichter sich interessante Tipps und Anregungen zu holen auf der Suche nach Wein jenseits der ausgetretenen Pfade.
Eines bot die Zeit jedoch, was ich vermisse: Wein im Fernsehen. Gleich mehrere Formate widmeten sich meinem Lieblingsthema, zwar in der Nische und auf nachmittäglichen Sendeplätzen versteckt – aber dafür gab es schließlich VHS-Rekorder. (Für die jüngeren unter den Lesern: das war so was wie ein Festplattenreceiver, nur umständlicher.) Und so kam es, dass ich den Weinjournalisten Joel Payne auf seinen Reisen begleiten durfte. Mit einem Budget ausgestattet, von dem man als Blogger nur träumen kann, machte er das, was ich heute auch zu tun versuche: durch die Gegend fahren, spannende Winzer ohne wirkliche Marktrelevanz besuchen und unterhaltsame Geschichten darüber bringen, nur halt als Fernsehserie und nicht als Blog.
Eine seiner Reisen für die Serie ‚Weinprobe‘ führte ihn in das Roussillon, eine ziemlich zerbombte (mir fällt kein besseres Wort ein) Weingegend, die damals mehr Einnahmen durch EU-Rodungsprämien als durch Weinbau erzielte. Dort besuchte er eine sympathisch wirkende junge Frau, die einige heruntergekommene Weinberge erworben und wieder flott gemacht hatte. Sie kelterte ihren Wein in einer gemieteten Garage und erntete von den Alteingesessenen nichts als Kopfschütteln für ihr Projekt.
Wie Payne das schilderte und was die Winzerin zu erzählen hatte, war so unterhaltsam, dass ich unbedingt diesen Wein haben wollte. Ob seiner nicht vorhandenen Marktrelevanz kostete es mich einige Mühen und einen satten monetären Aufschlag auf den empfohlenen Verkaufspreis ihn in meinen Besitz zu bringen. Drei Flaschen fand ich noch und zwei wurden bald ihrer Bestimmung zugeführt – selbstredend anlässlich des Besuchs anderer Weinfreunde, die diese Sendung auch gesehen hatten (es steckt ein Angeber in mir, ich geb‘ es zu).
Carignan reinsortig – besonderer Wein
Weil der Wein aber ganz schön knarzig war, hundert Jahre alte Carignan-Reben auf staubtrockenen Böden unter glühender Sonne ergeben nunmal knarzigen Wein, wenn man das Terroir ordentlich herausarbeitet, verschwand die letzte Flasche in einer Ecke. Da holte ich ihn dieser Tage wieder hervor. Dann googelte ich die Winzerin Marjorie Gallet und siehe da: ihr Abenteuer war anscheinend von Erfolg gekrönt. Der aufwändigen Website ist zu entnehmen, dass sie die Garage mittlerweile gegen ein veritables Weingutsgebäude eingetauscht hat. Und der Wein hat sich auch sehr positiv entwickelt.
Dom. Roc des Anges, Carignan ‚1903‘, Vin de Table, 2003, (Roussillon), Frankreich. Am ersten Tag in der Nase Nelke, Nelke und nochmals Nelke. Bei 14,5% und Carignan bleibt ein bisschen Rumtopf nicht aus aber die Nelke ist extrem dominant. Am zweiten Tag ist die Nase weniger streng mit mehr Frucht (Blaubeere). Am Gaumen ist der Wein am ersten Tag noch sehr von strengen Tanninen geprägt, wir haben später was anderes aufgemacht und den Wein am zweiten Tag getrunken. Da ist er dann weicher, harmonischer, die Tannine sind immer noch präsent und frisch aber die Zunge wird nicht mehr gar so pelzig. Lecker ist er: Blaubeerjoghurt mit Schuss (was ich sehr mag), dazu reichlich ‚Grip‘ am Gaumen und im sehr langen Abgang. Diese Mischung aus Creme und Kratzen macht mir Spass, der vom Alkohol etwas eingedämmt wird. Mehr als ein Glas an einem Abend muss nicht sein, das genoss ich aber außerordentlich.