Manchmal – ganz selten – erzählen Winzer Geschichten, die sind so interessant, dass ich sie einfach weitererzählen möchte. Die von Rudolf Mays neuer Kellerausstattung ist so eine.
Dass Rudolf May einen phänomenalen Weg an die qualitative Silvanerspitze des Anbaugebietes Franken hingelegt hat, ist hinlänglich besungen. Üblicherweise kommen in solchen Winzerporträts auch Floskeln wie ‚beharrlich‘, ‚detailversessen‘ und ‚undogmatisch‘ vor. Aber was heißt sowas eigentlich? Ein schönes Beispiel lieferte May selber auf der diesjährigen ProWein. Da hatte er ein iPad an seinem Stand aufgestellt und zeigte die Fotos und Videos die er mir für diesen Artikel zur Verfügung gestellt hat. Dazu erzählte er die Geschichte, wie er sich den Traum von zwei perfekten Stückfässern und einem neuen Gärständer für die nächste Generation verwirklicht hat. Es ist eine Geschichte von beharrlich undogmatischer Detailversessenheit.
Der Förster wirbt für Spessart-Eiche
Anfang 2013 erhielt Rudolf May einen Anruf von einem befreundeten Förster aus dem Spessart, der ihm erklärte, er habe wahnsinnig schöne 400 Jahre alte Eichen in seinem Revier, gepflanzt zur Zeit des 30-jährigen Krieges. Bisher seien diese Teil der Bewirtschaftungsmasse, doch das werde sich demnächst ändern, da der Landschaftsschutz sich angekündigt habe. Es würden jetzt noch ein paar Bäume geschlagen, der Rest dann als Naturdenkmäler unter Schutz gestellt. Da May seinem Freund immer berichtet hatte, er verwende französische Eiche, wollte der Forstmann ihn bekehren. Er könne sich zwei aussuchen.
May fuhr hin, schaute und war elektrisiert. 400 Jahre alte Bäume sind kaum zu kriegen. May, dessen Betrieb sich mittlerweile in Umstellung auf zertifiziert-ökologische Bewirtschaftung befindet, hatte den Plan, eine Reihe von allerbesten Stückfässern anzuschaffen, die mindestens eine Generation lang durchhalten. Und dann sah er, wie dünn die alten Bäume waren. Je dünner ein alter Baum, desto langsamer ist er gewachsen, desto schmaler sind die Jahresringe und mithin feinporiger das Holz. Im Allgemeinen bevorzugen Fassbinder und Winzer feinporiges Holz, da dieses den Sauerstoffeintrag während des Fassausbaus des Weins verlangsamt und die Steuerbarkeit verbessert.
Gekauft wie gesehen – 40 Meter hoch
May konnte die Bäume außerhalb der üblichen Auktionen kaufen, wie gesehen, also vor dem Fällen, was allerdings keinen wirklichen Preisvorteil brachte. Das Problem war, dass Mays bevorzugter Fassbinder, Andreas Assmann selbst Spessart-Eiche im Programm hat – von jüngeren Bäumen. Er wollte keine Verantwortung übernehmen, dass es während des Reifeprozesses nicht zu Verwechslungen kommt.
May erhielt immerhin das Angebot, dass Assmann die Vorbereitung und das Zersägen übernehmen würde, May nur auf seinem Hof das Holz zum trocknen lagern müsste. Nach fünf Jahren dürfe May dann das gereifte Holz bei Assmann auf den Hof fahren und der würde ihm die Fässer bauen. Beharrlich und detailversessen – May beschloss also zwischenzeitlich ins Holzgeschäft einzusteigen. Die Herren machten sich ans Werk.
Komm in fünf Jahren wieder
Alles funktionierte wie geplant: Bäume gefällt, fachmännische zersägt und die Bretter/Dauben zum Trocknen im Weingut eingelagert. Aus kleineren Teilstücken ergaben sich sechs Barriques. Die erhielt May schon nach drei Jahren. Die Fassdauben sind dort nur 30 Millimeter stark und pro 10 Millimeter Stärke ist ein Jahr Lagerung nötig. Die Bretter für die Stückfässer sind hingegen 45 Millimeter stark. Nach 5 Jahren ging es also an die Hauptsache. Zwei Stückfässer (1200 Liter) und ein 2200-Liter-Gärständer entstanden in Assmanns Werkstatt und kamen im Juli 2018 zur Auslieferung.
Rudolf May hat nur einen Weißwein mit deutlich spürbarem Holzeinsatz im Sortiment, den Silvaner ‚Der Schäfer‘. Der füllte im Herbst 2018 die beiden Stückfässer. Der Gärständer ist für die Maischegärung des Spätburgunders vorgesehen und kam auch dort zum Einsatz. May war aber so begeistert von seiner Spessart-Eiche, dass er 2018 die Neuholznote noch weiter ausnutzte. Nachdem der Spätburgunder zur Reifung in Barriques umgezogen war, vergor er seinen Erste-Lage-Grauburgunder aus dem Benediktusberg im Gärständer.
Silvaner mit Neuholz – unbedingt!
Dass mich die Geschichte auf der ProWein so faszinierte, lag vor allem an der Fassprobe des Schäfers. Der war eine Holzbombe, aber so köstlich, dass ich geplättet war. Das Holz ist unglaublich süß, hat aber nicht die plakativen Vanille-Noten, die sich manchmal bei ebenfalls süß schmeckender amerikanischer Eiche dazu gesellen. Dazu war die Struktur sehr nobel. Auf der VDP-Franken-Präsentation war der Wein erneut ganz wunderbar und ich kam mit May überein, dass er mir je eine Flasche der beiden Weine samt einem USB-Stick mit den Bildern und Videos schicken würde, sobald der Schäfer gefüllt ist. Jetzt war es soweit.
Rudolf May, Retzbacher Benediktusberg, Grauburgunder Erste Lage, 2018, Franken. In der Nase Birne und etwas Holz. Am Gaumen relativ saftig, dezent cremig, schöne Säure, mittlerer Körper und Intensität, also nicht diese Grauburgunder-Pummelbombe, mit der man mich jagen kann. Die Frucht geht in Richtung Dosenbirne, dazu etwas Vanille und Toffee, Holz ohne Röstung. Im Abgang tolle Süße, die kein Stück klebrig ist. Das klingt ‚lecker‘ und ist es aromatisch auch, aber kein ‚Weinchen‘, weil Säure und Struktur jederzeit für Anspruch sorgen.
Rudolf May, Retzstadt ‚Der Schäfer‘, Silvaner Erste Lage, 2018, Franken. Auch hier in der Nase Holz und Birne, dazu aber rebsortentypisch Heu und Stroh. Am Gaumen schöne Säure, deutlich buttriges Mundgefühl, satte Frucht, gelbe Früchte und vollreife Mandarine, zarte Mineralik und darüber ganz viel Holz! Süßes Holz, mit leichtem Honigtouch und etwas Rauch, verführerisch und süß und so, wie man das vielleicht noch nie geschmeckt hat. Menschen, die sich ständig über zu viel Holz beschweren, wird man damit nicht bekehren. Alle anderen müssen das einfach mal probieren.
Letztes Jahr rief Mays Förster-Freund wieder an. Es gäbe da eine alte Eiche, die sei so dünn gewachsen, die hätten die Landschaftsschützer glatt übersehen. Die stünde auf Wunsch zur Verfügung. May packte sofort Assmann ein und fuhr wieder in den Wald. Doch Assmann winkte schon von weitem ab. Der Baum sei verdreht gewachsen, da könne man nur Barriques draus machen, immerhin wohl 60 Stück. Doch das, erklärt Rudolf May, sei für ihn nicht nachhaltig. ‚Ich fälle keinen 400 Jahre alten Baum für ein paar Barriques, die ich dann zwei mal benutze. Wenn dann für Stückfässer, die Jahrzehnte halten’. Also war es das, mit Stückfässern aus Eichen, die während des dreißigjährigen Krieges gepflanzt wurden. Einen ‚Schäfer‘ aus Erstbelegung dieser Fassdenkmäler wird es nie wieder geben. Es ist umso schöner, dass er May so ausnehmend gut gelungen ist.
Silvaner und Holz – das passt für mich generell sehr gut zusammen und reift auch sehr schön! Horst Sauers „Sehnsucht“ hat deshalb einen festen Platz in meinen Keller, und auch der „Unterm Turm“ von Störrlein Krenig hat mir zuletzt sehr gut gefallen. Vom „Schäfer“ habe ich bislang nur 2016 getrunken – mir sehr viel Spass!
Klingt nach einem Wein für mich…
Und so wie Du vom Holz schwärmst solltest du vielleicht doch nochmal über eine Whiskyverkostung nachdenken 😉
Ist mir einfach zu viel Alkohol. Ich habe mich ja mal eine Weile damit beschäftigt, bevor ich einfach keine Lust mehr auf den vielen Sprit hatte. Glenfarclas Cask Strength hatte schon schönes Holz, aber fast 60 Umdrehungen musste ich dann doch mit sehr viel Wasser verdünnen 😉